Hansy im Glück

Willkommen in der Schlagerwelt! Wo ein Pferd auf'm Flur steht und man Stimmung auf Knopfdruck liefert. Aber wie passt das zum privaten Hansy Vogt?

Text: Ulf Tietge, Nina Wolf · Fotos: Jigal Fichtner

Oberkörperfrei verknoten sich die vier solariumgebräunten Männerkörper in engen, weißen Kunstlederhosen zu einer kunstvollen Figur. Handstand! Anspannen! Figur halten ... Cirque du Soleil? Paris? Ne, ne, Elsass! Etwa tausend Menschen sind heute ins Dörfchen Kirrwiller gereist und applaudieren angesichts gelungener ­Salti und athletischer Artistik. Der Saal ist voll, ausverkauft. Auf der Bühne bereitet das biegsame Gymnastikquartett – die White Gothics – ihre letzte Nummer vor. Die Choreographie sitzt, die Handstände auch. Wieder entknotet verbeugen sich die Astralkörper in bestrassten Hosen ein letztes Mal und gehen ab. Der nächste Künstler tritt aus dem Vorhang ins Scheinwerferlicht: Die Menge jubelt, großer Tusch, denn hier kommt Hansy Vogt!

Hansy at home

Ganz andere Stimmung herrscht ein paar Tage zuvor in Ettenheim. Draußen sind es 30 Grad. Kaiserwetter. Blauer Himmel. Man möchte zu Freunden, in den Pool springen oder an den Baggersee. Hansy Vogt dagegen ist voll im Weihnachts-Mood. Christmas-Klassiker für ein neues Album. „Wenn das im Winter rauskommen soll, muss man es im Sommer aufnehmen“, sagt der Mann, der in Personalunion Musiker und Schlagerstar ist, Markenbotschafter und Moderator, Werbeberater und Filmemacher. Aber auf Knopfdruck in Weihnachtsstimmung? „Kein Problem“, sagt Hansy, der am 25. Dezember Geburtstag hat und damit selbst ein Christkind ist. „Das Studio hat eh kein Fenster und wenn man sich drei-, viermal Last Christmas gegeben hat, singt man auch die deutsche Version: ,Ich fahr Weihnachten nach Haus!‘“

Ein Hansdampf in allen Gassen? Könnte man so sagen, aber Wortspiele mit Namen sollte man ja eigentlich unterlassen. Also reden wir lieber von einem unterhaltsamen Multitalent, der als Getreide-Kosmetiker angefangen hat, wie Hansy seine Zeit als Konditor gern umschreibt. Das mit der Backstube ist Geschichte, Schwarzwälder Kirschtorte liebt er nach wie vor und so entsteht im Wohnzimmer der Vogts ein Podcast mit Geschmatze. Sehr persönlich, sehr reflektierend und ziemlich ungeschminkt erzählen Hansy Vogt und seine bauchgesprochene Kunstfigur Frau Wäber, wie man die Pandemie durchgestanden hat und jetzt plötzlich alles nachgeholt wird, was in den vergangenen zwei Jahren aufgeschoben wurde. Und zu einem dieser Auftritte wollten wir Hansy begleiten.

Vorhang! Licht! Musik!

Hinter Feldern und Fachwerkhäusern steht ein pinker Palast. Das hier ist heute der Arbeitsplatz von Hansy Vogt: Das Royal Palace bespaßt in Kirrwiller (knapp 500 Einwohner, 40 Kilometer nordwestlich von Straßburg) zehntausende Menschen pro Jahr. Es ist Konzerthalle, Tanzsaal, Varieté und Revuetheater in einem. Dezent ist hier nichts, die Wände sind verspiegelt und mit Glitzerstoff bezogen, rotes Schlangenkunstleder wird mit barocken Schwüngen kombiniert und die Räume wirken, als stolperte man in einen Harald-Glööckler-Freizeitpark. Hansy Vogt ist hier Hausmoderator und Showact zugleich. Im Royal Palace trifft sich die A-Klasse der Schlagerwelt. Die Headliner heute sind Die Amigos. Bernd und Karl-Heinz Ulrich sitzen backstage und rauchen ihre Marlboro Golds, als Hansy standesgemäß im schwarzen Flitzer und mit Sonnenbrille auf der Nase um die Ecke gerauscht kommt. 

Auch eine Stunde vor Auftritt ist Hansy ganz entspannt. Frisur? Sitzt! Make-up? On fleek. Die Kostüme, a  rosa Dirndl und das Glitzersakko ruhen frisch gebügelt im Kleidersack. Die Location kennt er, seine Kollegen begrüßt er nicht mit Handschlag, sondern mit Umarmung. Bammel vor dem Auftritt? „Nicht wirklich. Schließlich mache ich das schon seit 35 Jahren.“ Ein echter Profi eben.

On the road again

„Morgen muss ich direkt weiter nach Belgien“, erzählt er. Sein bewegtes Leben hat er wieder, der Hansy. Schließlich ist er Moderator, Sänger, Bauchredner und vor allem: Entertainer. In normalen Jahren absolviert Hansy als Solo-Künstler oder mit seiner Band 150 Auftritte. Größere und kleinere Firmenfeiern, Konzerte mit Gute-Laune-Musik, Stadtfeste und vieles mehr. Dank Corona war damit von heute auf morgen Schluss. Zack! Bumm! Aus und vorbei. 

Fast trotzig klingt vor diesem Hintergrund der Titel von Hansys jüngstem Album: Nichts ist vorbei. Hansy mimt jedoch nicht den gesellschaftskritischen Liedermacher, sondern liefert brav ab, was seine Fans von ihm erwarten. Wofür sie ihn lieben. 

Gute-Laune-Musik. Heile Welt im 4/4-Takt. Kann man schön einen Disco Fox drauf tanzen, eine gute Zeit haben und vergessen, dass unsere Welt gerade alles andere als rosig-mosig aussieht. Ob das Album gerade deshalb so erfolgreich ist? In jedem Fall landet die Single in den Top 50 und läuft in der Heavy Rotation bei den einschlägigen Schlagersendern.

Hansys Erfolgsrezept bei all dem: Der Mann kann teilen. „Ein Song ist immer Teamwork“, sagt er und guckt raus in seinen schier endlosen Garten am Ortsrand von Ettenheim. „Die ganze Mannschaft ist an den Gema-Erlösen beteiligt und dann hängen sich auch alle rein.“ 

Erfolg macht erfinderisch? Kann schon sein. Aber Not eben auch. Genau deshalb hat Hansy während der Pandemie auch flugs ein neues Business aufgezogen. „Ich hatte halt Zeit“, sagt er fast entschuldigend. „Und nach vier Samstagen ohne Auftritt auch absolut keinen Bock mehr, nur daheim auf dem Sofa zu sitzen.“ Also hat Hansy die Event Media Concept gegründet und angefangen, Imagefilme zu drehen. „Für Apotheken, für Mediamarkt, für Tegut.“ Hansys Rolle dabei: Er macht den Vertrieb, die Moderation und bringt ein Netzwerk von Profis mit. Kulturell wertvoll? Vielleicht nicht. Aber so erfolgreich, dass Hansy und seine Gang gut über die Runden gekommen sind. Im Nachhinein sagt er: „Vielleicht bin ich im Grunde meines Herzens doch mehr Kaufmann als nur Künstler.“

The show must go on

Auf der Bühne des Royal Palace ist von Bürokratie und Business nichts zu spüren. Von kaufmännischem Geschick alleine fällt kein Rentner lachend aus dem Theatersessel – da müssen schon ein paar Scherzle her. Gut, dass Hansy die Frau Wäber dabei hat. Während sie mit Hut und Telefonapparat Chucrut-Pupswitze raushaut, kringelt sich das Publikum. Die rüstigen Rentner sitzen zwar behaglich in gepolsterten Theatersesseln, fiebern aber voll mit. Als dann  Die Amigos endlich gesetzten Schritts die Bühne betreten und den ersten Song anstimmen, wird geschunkelt, gejubelt und im Takt mitgeklatscht. Die Texte sind eingängig, laden zum Mitsingen ein. Dass hier Schuh’ auf Tattoo und Blue gereimt wird – egal! Malle ist nur einmal im Jahr! Kirrwiller ist öfter, wenn man die Fans fragt. 

Camille und Ehemann Mathieu zum Beispiel sitzen immer in der ersten Reihe. Viermal im Jahr, das volle Programm inklusive Essen im hauseigenen Restaurant und Anreise mit dem Reisebus aus Straßburg. Heute sind sie wegen den Amigos da, Fans von DJ Ötzi und den Kastelruther Spatzen sind sie aber auch. Und von Hansy Vogt natürlich!

Der schält sich im backstage nassgeschwitzt aus der Frau Wäber-Perücke, schwingt sich ins Glitzersakko und macht sich bereit für seinen nächsten Auftritt als Moderator. Während Pauline das Publikum mit ihrer Singstimme begeistert, steht der nächste Act schon startklar hinter der Bühne. Ein Pferd, gepunktet, Zwilling von Pippi Langstrumpfs Kleinem Onkel, wartet auf seinen Auftritt. Hansy Vogt klapst das Hottehüh und nickt Dresseurin Rosi kurz zu. Für ihn ist auch das ganz normaler Arbeitsalltag. 

Home sweet home

Am Morgen nach dem Auftritt kann man manchmal einen sehr nachdenklichen, philosophierenden Hansy Vogt erleben. „Ja, was ist Glück? Vielleicht einfach, wenn dir niemand ins Genick greifen kann und du noch dazu einen Partner hast, der dich liebt und unterstützt“, sagt er dann und schaut seine Petsy an, wie er Petra im Privaten nennt. Die beiden sind seit der Schulzeit ein Paar, das soll in der Schlagerbranche ja auch nicht selbstverständlich sein, aber das gehört hier eigentlich nicht hin. 

Der Schwarzwald-Botschafter

Lieber reden wir noch ein bisschen über den Schwarzwald und dessen Verlockungen. „Wo es am schönsten ist? Am Mathisleweiher in Hinterzarten, den zum Glück kaum jemand findet, mit dem Rad im Taubergießen, wenn die Orchideen blühen und im Heidelbeerdorf Enzklösterle, wenn die Saison im vollen Gange ist“, sagt Hansy und man spürt, dass er gern selbst in der Küche steht. „Wenn wir eingeladen werden, mach ich Schwarzwälder Kirsch“, sagt Hansy. „Die macht er wirklich gut“, lobt Petsy und schiebt neckend hinterher. „Schmeckt sensationell, sieht super aus – aber die Küche ist danach total verwüstet.“ 

Für Hansy als Schwarzwald-Botschafter ist das kein Grund, mit der Torten-Tradition zu brechen. Im Gegenteil. „Ich finde, das gehört zur aktuellen Botschaft des Schwarzwalds mit dazu. Dass man sich Zeit für sich selbst nimmt, dass man das Leben genießt und sich auch mal ungeachtet eventueller Folgen echten Genuss gönnt!“ Wie man das am besten transportieren und noch viel mehr Menschen zu Schwarzwald-Fans machen könnte – auch dafür hat Hansy schon eine Idee im Kopf: eine Fernsehserie. Wie einst Die Schwarzwaldklinik, aber anders. Eher als Soap angelegt, rund um den Europa-Park spielend, vielleicht ein bisschen Denver Clan auf Badisch, auf jeden Fall aber mit einem Regionalpatriot im Set. Eine erste Titelidee gibt es auch schon – und jetzt ratet mal, welches Länd Pate steht für The Pärk!?

#heimat - der Podcast

Ihr wollt Hansy Vogt gern ganz privat hören? Bei uns hat er zwar nicht gesungen, dafür aber ganz schön viel erzählt. Er ist unser Gast in der zweiten Folge des Heimat-Podcasts – und gewährt tiefe Einblicke in sein Privatleben und das Showbusiness. Den Podcast findet Ihr bei uns auf der Website und überall, wo’s Podcasts gibt …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 33 (4/2022)

Wir feiern den #heimat-Sommer – und entdecken die Karibik vor unserer Haustür. Wo genau? Das müsst Ihr unbedingt in unserer neuen Ausgabe nachlesen! Dass wir noch mehr für die heißen Tage für Euch haben, keine Frage! Heiße Burger zum Beispiel aus Karlsruhe. Oder heiße Reifen bei unserem kleinen Enduro-Abenteuer. Und unsere Füße haben wir uns auch noch ganz heiß gelaufen, darauf ein kühles Bier aus Ottersweier – von Männern, die sich was brauen. Ihr seht schon: Mehr #heimat-Sommer geht kaum. Also lasst ihn uns genießen!

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