Ein Bad im Schwarzwald

Ziele haben, Strecke machen, einkehren. So geht wandern. Der Schwarzwald bietet aber auch anhalten, Luft holen & eintauchen. Mit einem Wort: Waldbaden

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Wandern ist ganz mein Ding. Ich atme frische Waldluft, kann die Pilze riechen, komme an Aussichtspunkte, zur Ruhe und an meine Grenzen, und das Vesper schmeckt doppelt so gut. Wenn es dann noch wie in Bad Rippoldsau einen Wasserfall gibt, geht mir das Herz auf. Der Burgbachwasserfall strahlt seine Kühle zehn, zwanzig Meter in den Wald hinein. Aus dem Gestein wird Wasser gedrückt und rinnt den Fels hinab, oben leuchtet im Gegenlicht shrekgrün das Farn, sogar Bäume wachsen oben auf der Kuppe. Unten liegen dicke Felsbrocken und kleine Kiesel, das Wasser sammelt sich in Kuhlen. „Dass es so etwas in Deutschland gibt“, staunt ein Wanderer. Ein paar Meter entfernt liegen ein paar junge Leute auf einer Himmelsliege. Schön kühl! Fast wie ein Bad im Wald.

Wanderpfad und Grenzgang

Die Wanderung geht gleich steil den Berg hinauf und hat links den Burgbachfelsen, der wie ein Riff ins Tal ragt, und rechts eine dunkle Felswand. Der Pfad windet sich hoch und der erste Schweiß rinnt den Rücken runter. Eine Dusche wäre schön. Stattdessen gehen wir aufs Plateau und schauen übers enge Wolftal. Der Burgbachfelsen ist wie gemacht für ein Picknick. Die Aussicht ist genauso wunderbar wie unser Essen. Der Wanderweg führt durch Laub- und Nadelwälder, geht über Bäche und Wurzeln, wird schmal, dann breiter, lässt uns rote Zunderpilze entdecken und geht auf dem historischen Grenzweg zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden. Bald haben wir Bad Rippoldsau erreicht und dort sprudeln Bier und Brunnen. Endlich Kühlung! Auf der anderen Talseite wandern wir dann auf den Kupferberg.

Sandra, die Waldbaderin

Hallo Sandra! „Herzlich willkommen!“, lacht die Frau in der gelben Walle-Walle-Bluse so stolz wie eine Zirkusdirektorin in der Manege. Sie stellt sich als „Sandra, die Waldbaderin“ vor. „Manchmal gehen wir nur ein paar Hundert Meter in den Wald“, flötet Sandra Müller. Ihr „Waldbad“ ist der 730 Meter hohe Kupferberg über Bad Rippoldsau-Schapbach. Das Tal ist eng, der Wald groß und der Himmel noch größer, so schaut’s aus. Sandra und ich gehen auf einem Forstweg in den Wald hinein. Jeder Schritt knirscht. Wir sind langsam. Ich könnte schon einen Kilometer weiter sein, aber nein, „wir schlendern“, wie Sandra schon fast singt. Ich habe mir Waldbaden anders vorgestellt. Vielleicht tatsächlich wie durch Moos oder Blätter schwimmen. Oder wie „toter Mann“ auf der Waldwiese liegen und den Wolken nachschauen. Schaun mer mal. Auf einer Waldlichtung wächst schönes, grünes Gras. Ich knie mich hin und spüre etwas Kühles auf meiner Haut. Ich schaue hoch in die Sonne, höre den Vögeln zu und ahne den Wind. Sandras Stimme lenkt meine Gedanken hierhin und dorthin – und ich vergesse die Zeit. Wir gehen ein paar Schritte tiefer in den Wald und Sandra erzählt von den Terpenen (Duftstoffen) der Bäume, die eine gesundheitsfördernde Wirkung haben. Da der Schwarzwald immergrün ist, hat es diese Terpene zu jeder Jahreszeit.

Endlich am Baum

Vor einem mächtigen Baum bleibe ich stehen und berühre die raue Rinde und lege mein Ohr an den Stamm. Nein, ich umarme ihn nicht, ich versuche nur sein Innenleben abzuhorchen. Normalerweise würde man jetzt die Säfte unter der Baumrinde hören, wie sie nach oben gezogen werden, sagt Sandra. Aber es ist so still im Baum, wie es nur still sein kann (Ich nehme mir vor, das noch ein anderes Mal zu probieren). „Manche vergießen freudvolle Tränen“, schwäbelt Sandra, die von der Schwäbischen Alb der Liebe wegen in den Schwarzwald kam. Adieu Baum, wir gehen weiter und folgen einem unsichtbaren Weg, den nur das „Albkind“ Sandra kennt. Bald sind wir an ihrer Lieblingsstelle. Was will ich machen? Barfuß laufen wäre schön, ich gehe über das wirklich weiche Gras und spüre, wie es kitzelt, wo es pikst und wo es weich ist. Mit einem Handspiegel erkunde ich die nähere Umgebung, mit einer Lupe schauen wir uns Kiefernzapfen an. Schmetterlinge flattern durch die Luft. Das Licht ist golden. Woran ich denke? Natürlich an meine Kindheit. Keine 500 Meter sind wir gegangen, aber der Weg war fast so weit wie noch nie.

Waldbaden

Die Idee, dass Menschen eine innere Beziehung (Biophilia) zum Wald haben, stammt aus Japan. Die Prinzipien des Shinrin Yoku lauten: Schlendern, Rasten, Wahrnehmen, Ausprobieren, Sanfte Bewegung, Achtsamkeit, Atemübungen und Meditation. Waldbaden wird auch therapeutisch angewendet.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 22 (5/2020)

Der Schwarzwald ist ein Paradies für Mountainbiker. Für Anfänger und Profis hat es bei uns Strecken, bei denen einem nicht nur vor Anstrengung die Spucke wegbleibt! Und wenn Euch nach einer Tour dann der Hunger plagt: Dann hätten wir leckere Apfelgerichte für Euch. 

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

 

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