Da hinten, irgendwo in der klirrenden Kälte der Gletscherlandschaft im Berner Oberland müssen sie sein. Sehen kann man sie nicht. Hören schon. Es klingt, als wäre ein Rudel Wölfe zur nachmittäglichen Heulrunde angetreten. „Ja, die wissen: es geht los“, lacht der Schwarzwälder Musher Roland Sum aus Wolfachs Stadtteil Kirnbach, der hier in Gadmen – gut 50 Kilometer östlich von Interlaken gelegen – mit seinen sibirischen Huskys zum Rennen antritt. Während sich unsereins dick verpackt und triefnasig durch die Gegend bibbert, tauen die „Mäuse“, wie Roland sie liebevoll nennt, erst richtig auf. Naja, Mäuse ist für die Rennmaschinen vielleicht nicht das Wort der ersten Wahl …
Die Rennen in Gadmen lässt sich die Musher-Szene nicht entgehen: 120 Teams sind gemeldet – Hunde, Menschen und Zelte, wohin man auch blickt. Roland, seine Freundin Barbara „Babs“ Caduff und ihre Hunde haben sich schon zwei Tage zuvor auf den Weg ins Berner Oberland gemacht. Mit Wohnwagen, Hundetransporter und viel Equipment. Zum einen um ihren Platz zu beziehen, zum anderen um die Strecke noch mal genau abzugehen.
Das Rennen im Blut
„Ich bin halt doch Rennfahrer“, grinst Roland, „und fahre die Strecke mit Langlaufskiern vorher ab. Dabei merke ich mir Steigungen, Gefälle, kritische Punkte und spüre die Schneequalität. So kann ich die Hunde fürs Rennen optimal einteilen.“ Rennen, das ist so eine Sache mit ihm – ursprünglich war er auf Reifen statt auf Kufen unterwegs. Benzingeruch und qualmende Pneus waren seine Welt. Beim Quadfahren wurde er mehrfach Europameister. „Die Rennen fanden im Sommer statt“, erinnert er sich. „Aber ich wollte auch im Winter aktiv sein, einfach raus und was tun.“ Sport ist sein Lebenselixier, Stillsitzen die pure Qual. „Und ich wollte schon immer einen Hund haben, einfach so zum sportlichen Ausgleich. Und als Kumpel halt.“ Irgendwann zog Husky-Dame Rypa bei ihm ein. Die beiden waren zu zweit unterwegs – beim Skijöring. „Ich auf Langlaufskiern und Rypa vornedran im Geschirr.“ Es machte ihm soviel Spaß, dass er bei Wettkämpfen startete und Pokale einheimste. Schließlich bekam Rypa Gesellschaft: die kleine Galaxy. Auch ein sibirischer Husky, denn von deren Charme und Sportlichkeit war er sehr schnell angetan. „Und dann wurden es mehr und mehr Hunde, die Skier wurden gegen Rennschlitten getauscht und heute haben wir Champions“, lässt Roland die vergangenen zehn Jahre Revue passieren.
Hunde lesen können
Mittlerweile hat er sich in der Rennszene einen Namen gemacht, hat an zig Rennen in Frankreich, Italien, der Schweiz, Österreich und Deutschland teilgenommen und ist fast nie ohne Pokal nach Hause gekommen. Wenn er was anfängt, dann macht er es gründlich. Das war schon im Motorsport so. Und bei seinen Hunden ist das nicht anders. Damit hat er sich auch den Ruf erarbeitet, ein Husky-Flüsterer zu sein. Er kann die Hunde lesen. „Ja, das klingt komisch“, gibt er zu. „Aber ich beobachte sie genau. Nicht nur beim Training oder beim Rennen. Auch und gerade zuhause. Jede Veränderung, ob von der Psyche her oder körperlich, kriege ich mit und gehe ihr auf den Grund.“ Bei den anderen Schlittenhundefahrern ist er ein gefragter Experte. „Ich habe auch schon für Musher-Kollegen Hunde ausgebildet. Die haben dann mehrfach gewonnen“, freut er sich. Dass er sich damit selbst eine ernstzunehmende Konkurrenz geschaffen hat, stört ihn weniger. Er hat halt Sportsgeist.