Genusstour am Karlsruher Grat

Genießerpfade sind Wanderwege mit dem besonderen Etwas. Am Karlsruher Grat im Nordschwarzwald genießen wir das Abenteuer!

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Seit langem kennt der badische Schwarzwald schon die Vorzüge von Wanderwegen. 1840 wurden die Allerheiligen-Wasserfälle erschlossen, 1894 eine der ersten Wanderkarten gezeichnet. Zwar ist der Schwarzwald schon lange kein „Neuland“ mehr, aber der Wanderer träumt ja stets von weiteren Erlebnissen. Sein Ziel waren nicht mehr nur Pfade und Wege, sondern Wirtshaus, Wellness und Waldbaden. Heißt es aber nicht, der Weg ist das Ziel? Und wo ist eigentlich das Abenteuer geblieben?

Die Postkarte und die Schlucht

Gehen wir also dahin zurück, wo das Wandern begann. Das pure Abenteuer. Statt Goretex in bunt tragen wir karierten Leinenstoff, statt Wanderstöcke aus Carbon zackig in den Boden zu rammen, schwingen wir elegant den Wanderstock. Sonnenschutz? Ein Hut tut auch gut. Los geht’s! Unsere Wanderer heißen Lara Brunow und Anna Riehle und stammen aus der Ortenau. Edelfrauengrab? Karlsruher Grat? Die beiden schütteln den Kopf und staunen über den schönen Schwarzwald auf den ersten zwei lässigen Kilometern vom Ottenhöfener Bahnhof zum Bergwerk. Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern und die Wolken bleiben hinterm Berg. Das Wetter ist blendend, die Laune auch. Wir wandern wie auf einer Postkarte. Dann wird es dunkel – und kälter.

Nach dem Steinbruch und der letzten Hütte heißt es: von jetzt an wild. „Der größte Theil der dazu gehörigen Thäler ist rauh und wild“, schrieb 1827 „Die Neueste Kunde von Baden“ über diese Region. Warum sollte man durch diese enge Stelle gehen, wenn dahinter Urwald, Schlangen und Gesetzlose lauern? In einen Wald ging damals nur, wer musste. Zum Holz schlagen. Oder wenn eine Kuh ausgebüxt ist. Was gab es hier? War hier nicht ein sagenhaftes Rauschen in der Luft? Der Wasserfall zog die Leute an, man erzählte sich die Sage vom Edelfrauengrab. Und zack: Die Neugierde war geweckt!

Zwischen 1856 und 1858 kam die Zivilisation mit Fußweg, Geländer und Sitzbänken in den badischen Bergdschungel. Weil jetzt viele hinwollten, wurden 1862 1000 Gulden investiert. Nun konnten die Leute von Achern bis nach Ottenhöfen „mit breiten Wagen“ fahren. So geht Tourismus …

Die Wasserfälle

An einem Bach entlang wandern Anna und Lara bergauf, stellenweise drückt der blanke Fels hart auf den Weg. Am engen Pfad verrotten Bäume und Wurzeln, die mehr nach Krokodil oder Echse ausschauen als nach Holz. An einem Felsen wachsen die Baumwurzeln aufwärts, Bäume liegen wie Mikado am Hang. Unter den Schuhen knirscht es, während es im Gebüsch raschelt. Und wenn irgendwo die Sonne scheint, dann sicher nicht bis in dieses Loch.

Die Stimmung ist gut. Lara wandert gern, aber nicht oft. Anna ebenfalls, fährt aber auch Rad, joggt oder geht mal spontan auf die Geroldseck, eine Burg oberhalb des Kinzigtals. „Ich liebe die Luft“, sagt Anna. Luft reimt sich auf Lust. Die Lust, im Wald, am Wasser, auf dem Berg zu sein.

Hier fließt unter einem alten Baumstamm der Bach durch. Dort sammelt sich das Wasser in einer Mulde unterhalb eines kleinen Wasserfalls. Jeder Stein im Wasser schaut aus, als wäre er poliert. Der Berg ist nicht das Ziel, sondern … „Der Weg!“, ergänzt Anna, balanciert spielend auf dem Holz und schaut sich den Wasserfall aus der Nähe an. Gutes Schuhwerk braucht man, sagt man, und trittsicher soll man auch sein.

Hier am Wasser mit den ordentlichen Treppenstufen und dem Stahlgeländer ist alles gut. Die beiden sind schnell, diese Stufen hoch, über diese Brücke gehen und dort den Blick nach unten werfen. So schön! Nach einer halben Stunde liegt das Geheimnis des Edelfrauengrabs hinter ihnen und der luftige Bergwald beginnt. Die Jahreszeit springt von jetzt auf gleich auf Sommer um und schwitzend gehen die beiden unter der Sonne bergauf. Nächster Halt: Schnapsbrunnen. Der Blutwurz ist aus, aber Kirschwasser gibt es noch – es hätte aber auch Radler, Schorle und Sprudel …

Der Fels

Jetzt geht es weiter aufwärts, eine Kehre, noch eine Kehre, eine Aussicht, noch eine Aussicht und dann ist er da. Der Grat. Der Fels. Seit 290 Millionen Jahren wehrt er sich gegen die Zeit und den Wald. Das Vulkangestein ist immer noch kantig genug, um sich eine blutige Nase zu holen. Und Bäume? Die sind rar und krumm.

Nein, da muss man nicht drüber. Der Stein ist rau, Stufen gibt’s auch keine und der Abhang ist ohne Schutz (hier sind schon Studenten aus Karlsruhe tödlich verunglückt, daher der Name Karlsruher Grat).

Auf dem Dach Badens

Niemand muss hier herüber, nebenan verläuft sogar ein Pfad durch die Kräuter. Warum machen wir es? Weil wir es können! Das geübte Auge findet die Stellen, wo der Fels hält, die kleinen Flächen, wo zumindest ein bisschen Wanderschuh Platz hat, dann ausgetretene Pfade, einen Platz zum Ausruhen, zum Schluss einen kleinen Fleck fürs Picknick und dann diese sagenhaft schöne Stelle, um sich ein bisschen wie auf dem Dach der badischen Welt zu fühlen. Das Sonnenlicht verliert seine Härte und das Geräusch vom Wind in den Bäumen erinnert an eine Meeresbucht. Heißt es die blaue oder die goldene Stunde? Die beiden sind sich einig: Es kann nur die goldene Stunde sein. Könnte diese Landschaft auch woanders sein? Lara: „Das ist der Schwarzwald!“ Anna: „Wenn ich das sehe, fühle ich mich zu Hause!“ Und alles andere ist unbeschreiblich schön.

Unsere Wanderung in Zahlen

Die Rundwanderung zum Karlsruher Grat ist 13,7 km lang und dauert etwa fünf Stunden. Der höchste Punkt liegt auf 822 Metern, insgesamt müssen 712 Höhenmeter gewandert werden. Schwierigkeitsgrad: schwer. Der Fels lässt sich auf einem Wanderpfad umgehen. Ottenhöfen ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die Wanderung beginnt am Bahnhof Ottenhöfen.

Mehr Infos: www.geniesserpfade-schwarzwald.info 

#heimat Schwarzwald Ausgabe 15 (2/2019)

Wir gehen mal ganz wild wandern, fangen Fische im Fliegen und bewundern die schönste Harley des Schwarzwalds. Für den Hunger sammeln wir Wildkräuter, legen feinstes Fleisch auf den Grill und servieren den Sommer …

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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