Die Erdbeer-Armee

Erdbeeren, die nicht nur den Menschen, sondern auch der Umwelt schmecken? Das geht – dank Armeen kleinster Helfer

Fotos: Dimitri Dell

Er erinnert sich noch gut an seine ersten Einsätze mit den EM – den Effektiven Mikroorganismen: „Die Reaktionen der Kollegen reichten von spöttischem Lächeln bis hin zu verständnislosem Achselzucken“, sagt Landwirt Georg Wolf. Ernstgenommen habe ihn damals, vor rund 15 Jahren, eigentlich keiner. Bei EM dachten die meisten an Fußball, aber nicht an Erdbeeren. Aber die Geschichte der Familie Wolf hat uns aufhorchen lassen. Gesunde, leckere Erdbeeren durch Mikroorganismen – wie geht denn das? Und umgekehrt gefragt: Welche Behandlungen erfahren unsere geliebten Erdbeeren denn sonst?

Das Ganze im Blick

Während in diesen Tagen die leuchtend-roten Früchtekuchen oder Eisbecher verzieren, ist bei den Anbaubetrieben Hauptsaison. Für viele Landwirte heißt das: Schwerstarbeit. Und dann sind die Pflänzchen zudem noch so sensibel und krankheitsanfällig! Als Georg Wolf damit begann, diesen Tücken auf seine ganz eigene Weise zu begegnen, rückten die allermeisten Kollegen Fraßfeinden und Fäulniserregern noch konventionell zu Leibe. Mit Fungiziden, Herbiziden, Insektiziden – das volle Programm. „Das war halt so“, konstatiert Georg. Und ist es teilweise immer noch. Der Umgang mit den Spritzmitteln war dem Oberkircher Landwirt allerdings schon immer suspekt. „Für mich ist der Boden das Maß aller Dinge“, erklärt er. Er brauche Hingabe, Verständnis und Respekt.

Der Boden ist entscheidend

Wenn der Boden gesund ist, dann sind es auch die Pflanzen, so das Credo des Oberkircher Landwirts. Spritzmittel hielten zwar alles Mögliche fern, aber der Untergrund leide langfristig. Georg geht es darum, die Pflanzen zu stärken, damit sie von sich aus widerstandsfähig sind und sich prächtig entwickeln. Und das tun sie. Das müssen auch die, die den Landwirt anfangs belächelt haben, inzwischen neidlos anerkennen. „Natürlich müssen die Früchte saftig und lecker sein, aber eben nicht um jeden Preis“, meint indes Georg. Der Erdbeerbauer sorgt auch dafür, dass der Boden sich erholen kann. Durch den Anbau von Zwischenfrüchten wie Sommerwicke oder Zaunerbse zum Beispiel. Denn: Einfach nur die EM auf die Felder kippen und der Laden läuft, so funktioniert das auch wieder nicht. „Ich beobachte genau, was mit dem Boden und den Pflanzen passiert, habe ein Auge auf die gesamte Umwelt“, erklärt der Landwirt. Welche Insekten zum Beispiel da sind und wie viele. Und tatsächlich: Auf seinen Feldern tummeln sich erstaunlich viele Bienen- und Wespenarten, diverse Tagfalter, reichlich Hummeln und jede Menge Marienkäfer. Hat er irgendwo ein Insektenhotel versteckt? „Nein“, lacht er. „Die wissen halt, wo’s gut ist.“

Milliarden Helferlein

Nur in Ausnahmefällen kommen bei den Wolfs dann doch mal Schutzmittel zum Einsatz. Aber immer nur, wenn es gar nicht anders geht. Und dann auch nur so viel wie nötig. „Es gibt schon Situationen, da könnte ich sonst die ganze Ernte abschreiben“, sagt Georg. Aber ansonsten verlasse er sich eben lieber auf die hier, spricht’s und hält einen Kanister mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit hoch. Milliarden Effektiver Mikroorganismen sollen darin herumschwimmen – eine Art Premium-Sauerkrautsaft, wie Georg schmunzelnd bemerkt.

Die Guten gegen die Schlechten

Der Landwirt schraubt dann mal den Deckel auf. Jetzt sind wir doch ziemlich neugierig und halten fürs Erste unseren Rüssel rein. Interessanter Geruch! Irgendwas zwischen Melasse, Malzbier und Apfelessig. „Wir trinken das sogar“, sagt Georgs Frau Julia. Zum Vesper? „Nein, natürlich nicht dauernd“, sagt sie und grinst. Aber um den Darm nach einer Antibiotika-Behandlung auf Vordermann zu bringen, sei das super. Das leuchtet ein. „Und hier“, Julia zeigt eine Schramme, die sie sich beim Hantieren mit den Erdbeersteigen zugezogen hat. „Da habe ich vorhin ein bisschen EM draufgetupft und morgen ist das wieder gut. Das ist wie ein Natur-Pflaster.“

Das Geheimnis liegt in der Kombination. „Das sind Milchsäurebakterien, Hefepilze und Bakterien, die bei der Fotosynthese entstehen und dazu noch ein paar begleitende Arten. Freunde und Verwandte gewissermaßen“, erklärt Georg. Sie alle gehen eine Symbiose ein. Kurz gesprochen: Sie sind die Guten, die den Schlechten das Leben extrem schwer machen und sie verdrängen. Das ist übrigens dasselbe Prinzip wie bei der Fermentation. Auch hier sind Mikroorganismen im Spiel – und machen aus Wei kohl Sauerkraut oder aus Milch Kefir.

Eine Idee aus Japan

Ein bisschen komplizierter ist es dann doch: „Die EM, die wir hier benutzen, ergänzen und verstärken sich in der Wirkung. Sie verhindern Fäulnis, übermäßige Oxidation und sorgen für eine positive Mikrobiologie“, sagt Julia. Sie muss es wissen, schließlich war sie auch diejenige, die ihren Mann von den EM überzeugt hat. Es war bei einem Landfrauentreffen, da wurde das Prinzip EM vorgestellt. Entwickelt und als Bodenhilfsstoff erfolgreich eingesetzt hatte es der japanische Professor Teruo Higa. „Ich kannte das nicht, aber die Berichte darüber waren richtig spannend“, sagt die Landwirtin.

Versprechungen und Lobpreisungen bezüglich diverser Mittelchen gab und gibt es in der Landwirtschaft ja genug – also: Lieber erst mal genau hinschauen. Dazu kam, dass die Wirkung der Mikroorganismen noch nicht wissenschaftlich erforscht war. „Wen wundert’s?“, meinen die zwei. Daran verdiene die Agrar-Industrie ja nicht. „Man hat einfach nur gemerkt, dass es funktioniert. Wie – das war zweitrangig“, ergänzt Georg. Frei nach dem Motto, „wer heilt, hat Recht“, bestellte er die kleinen Helferlein. Fünf Jahre dauerte es schließlich, bis die Böden mit den Mikroorganismen gesättigt waren und die Pflanzen sich entsprechend entwickeln konnten. Heute gibt ihm der Erfolg Recht. An seinem Stand in Oberkirch geben sich Kunden nicht die Klinke, aber die Erdbeerschalen in die Hand.

Eine Erdbeere für Allergiker

Derweil sitzt Julia ihrem Georg im Nacken: Er muss immer wieder Nachschub besorgen. Die Schlange am Stand wächst fast ebenso rasant wie seine Erdbeeren. „Für mich ist das hier so was wie die Rettung“, sagt eine junge Frau. „Ich liebe Erdbeeren, aber ich bin eigentlich allergisch. Das war furchtbar!“ Eine Freundin habe sie auf die Erdbeeren der Familie Wolf aufmerksam gemacht. „Ich habe dann vorsichtig probiert. Es passierte nichts. Keine Reaktion.“ Eine andere Kundin ergänzt: „Meinem Mann und mir ging es genauso. Wahrscheinlich lag es daran, dass wir nicht auf die Erdbeeren, sondern auf die Spritzmittel allergisch waren.“

Das können und wollen Georg und Julia nicht bestätigen. Das wäre auch ein ziemlich dünnes Eis, auf das sie sich begäben. Aber diese Aussagen hören sie immer wieder. Ob was dran ist? „Keine Ahnung, wir sind ja keine Ärzte“, meint Georg und lächelt.

Ihr wollt auch welche?

In der Saison ist der Stand der Familie Wolf (am Kreisel in Oberkirch Richtung Renchen) montags bis samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Neben den Erdbeeren gibts auch Tipps in Sachen EM!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 15 (2/2019)

Wir gehen mal ganz wild wandern, fangen Fische im Fliegen und bewundern die schönste Harley des Schwarzwalds. Für den Hunger sammeln wir Wildkräuter, legen feinstes Fleisch auf den Grill und servieren den Sommer …

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In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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