Der Vogtsbauernhof wird 60: eine bewegte Geschichte

Das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof ist das älteste im Land – und feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag

Text: Stephan Fuhrer · Fotos: Dimitri Dell

In Berlin erklärt John F. Kennedy, dass auch er Berliner sei, in Bonn wird Konrad Adenauer nach 14 Jahren Kanzlerschaft verabschiedet und irgendwo im Schwarzwald freut sich zur gleichen Zeit der Leiter der Freiburger Zimmermeisterschule, dass er das, was er schon so lange suchte, endlich findet: einen Schwarzwaldhof wie aus dem Bilderbuch. Mit strohgedecktem Dach, hölzerner Fassade und auch noch gut erreichbar im Tal gelegen. 1963 war das. Und Hermann Schilli war in diesem Moment seiner Vision eines Freilichtmuseums über die Baukultur des Schwarzwaldhauses ein gehöriges Stückchen näher gekommen …

Allerdings gab’s hier noch ein kleines Problem: Im Gutacher Vogtsbauernhof lebte eine Frau: Barbara Aberle. Und die ältere Dame war von dem Ansinnen des unbekannten Gastes dann doch erstmal etwas irritiert, um es diplomatisch auszudrücken … Trotzdem einigte man sich. Das Museum öffnete bereits 1964, finanziert vom damaligen Landkreis Wolfach (seit 1973 gehört es nach der Kreisreform zum Ortenaukreis, der die Einrichtung auch betreibt). Und Barbara Aberle lebte einfach weiter in ihrem Hof. So war der Deal. Als lebendiges Anschauungsobjekt sozusagen. Die Gäste staunten über das echte, alte Schwarzwaldleben, lauschten den Geschichten der Bauerstochter – und schauten der ehemaligen Besitzerin sogar beim Zubereiten des Mittagessens zu.

„Das hat sie aber nur ein Jahr lang mitgemacht und ist dann von sich aus ausgezogen“, erzählt uns Margit Langer, als wir mit ihr an diesem sonnigen Frühlingsmorgen über das Gelände spazieren. Schließlich kamen schon im ersten Jahr 5 000 Besucher. Zu viel für die alte Dame. Ein paar Jahre später seien es dann schon mehr als 100 000 gewesen, berichtet die Museumsleiterin, während wir bei unserem Besuch im Jubiläumsjahr am besagten ersten und namensgebenden Hof des seinerzeit ersten Freilichtmuseums im Land überhaupt vorbeikommen. Und mittlerweile ist es ja auch längst nicht mehr nur dieser Hof, der sich hier besichtigen lässt. Es sind zehn aus nahezu allen Teilen des Schwarzwalds, die im Laufe der Jahre vor Ort behutsam ab- und hier im Gutachtal wieder aufgebaut wurden – und die mittlerweile von jährlich rund 220 000 Besuchern bestaunt werden.

Erst kürzlich kam der zehnte noch dazu: das Ortenauhaus, ein Rebhof aus dem Winzerörtchen Durbach. Und genau dorthin führt uns Margit. Fast zwei Jahre hat es gedauert, das Fachwerkhaus aus der Dorfmitte des bekannten Weinorts hierherzubringen. In 14 Transportfahrten wurden 189 Tonnen Baumaterial bewegt. Und um die Verbindung zwischen dem ersten und dem neuesten Hof direkt einmal herzustellen: Auch dieses Haus gehört zuletzt einer älteren Dame. „Zita Feger hieß sie, war die gute Seele der Familie, wenn nicht sogar des ganzen Dorfs. Sie starb um Weihnachten 2018“, erzählt uns die Leiterin. Das Haus sei stark sanierungsbedürftig gewesen, es denkmalgerecht zu sanieren, konnten die Erben nicht stemmen. „So kam die Anfrage an uns“, berichtet Margit. Und am Ende gab es nur Gewinner: Die Familie bekam den Platz frei und baute das in der Durbacher Ortsmitte prägende Haus äußerlich eins zu eins wieder auf. So blieb das Ortsbild erhalten, das Museum bekam das Original und sanierte es entsprechend.

Einblicke ins Familienleben

„Das Glück bei diesem Objekt war zudem, dass es von der Einrichtung her quasi in den 1960er-Jahren stehen geblieben war“, erzählt uns Margit Langer, die mit dem wissenschaftlichen Museumsleiter Thomas Hafen und ihrem Team – insgesamt beschäftigt das Museum 40 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit, darunter auch Zimmerleute und Landwirte – die Geschichte der Familie in den urig eingerichteten Räumen liebevoll nachgezeichnet hat. Und so zeugen echte Familienbilder an den Wänden, ein zusätzlich ausgestelltes Fotoalbum auf dem Tisch, Original-Möbel aus den 1960ern oder das dauer-dudelnde alte Röhrenradio in der Küche, für das extra eine Radiosendung mit Nachrichten und Liedern aus dieser Zeit zusammengeschnitten wurde, aus längst vergangenen Tagen. Witzigerweise ja auch genau aus der Zeit, in der das Freilichtmuseum selbst entstand …

Einer geht noch

„Das ist ja auch die Idee des Vogtsbauernhofs: Wir wollen hier nicht nur Architekturgeschichte zeigen, sondern von den Bewohnern der Häuser und damit vom Leben im Schwarzwald erzählen“, sagt Margit. Und deshalb finden die Besucher neben Jahrhunderte alten Gerätschaften in den klassischen Bauernhäusern auch Jugendzimmer mit Beckenbauer-Postern aus den 1970er-Jahren wie im Effringer Schlössle, dem zweitjüngsten Neuzugang, gleich hinter dem Ortenauhaus gelegen.

Wie es nun in den nächsten 60 Jahren noch weitergeht? Margit lacht: „Na, ganz so lange werde ich selbst wohl nicht mehr dabei sein.“ Ein Haus fehle ihnen aber noch, der Platz dafür sei schon eingeplant: ein schindelverkleideter Vierseithof aus dem Freudenstädter oder Baiersbronner Raum. „Wenn wir diesen noch finden, haben wir alle Haustypen beisammen.“

#heimat Schwarzwald Ausgabe 44 (3/2024)

Endlich ist draußen alles grün und das feiern wir in der neuen Ausgabe – mit neu interpretierten Spargelgerichten, knallroten Erdbeeren und den besten Rezepten für einen echten italienischen Aperitivo auf dem Balkon. Jetzt, wo die Urlaubssaison langsam losgeht, findet ihr bei uns jede Menge Ideen für Ausflüge und Abenteuer im Schwarzwald: vom Microcamping mit dem Camper Van auf außergewöhnlichen Spots über Fußballgolf bis hin zu Freilichtmuseen. Natürlich haben wir auch wieder spannende Persönlichkeiten aus der #heimat wie Zoodirektor Matthias Reinschmidt, den Offenburger Künstler Stefan Strumbel oder Europa-Park Sommelier Vincenzo De Biase für euch getroffen und ausgefragt.

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