Die Eisbadgemeinde Windgfällweiher
Ich denke noch ein wenig darüber nach, was Calvin alles erzählt hat. Er und Roman kennen die Videos von Merlin Blumenschein, einem regionalen Eisbader mit professionellen Youtube-Videos von hier am Windgfällweiher. „Ich bin gespannt, ob wir ihm und seinem Kumpel hier auch mal begegnen“, hat Calvin gesagt. Die Eisbade-Szene am Windgfällweiher ist noch klein, aber die Insider suchen Gleichgesinnte. Franny und ich stoßen da erst mal probeweise dazu. Zu abrupt sollte ohnehin niemand den Sprung ins Eisloch wagen, da sind sich alle Quellen einig. Weil ich aber gesund bin und regelmäßig kalt dusche, traue ich meinem Körper dieses Experiment zu. Und Kollegin Franny? Qualifiziert sich durch ihre mehrmalige Teilnahme am Neujahrsschwimmen. „Halb so wild“, meint sie …
13. Februar 2021, minus 18 Grad
Wir treffen uns beim Hotel Köhlerei am See. Eine letzte Chance, sich aufzuwärmen? Das Thermometer zeigt jetzt fast minus 20 Grad! Liegt der Schwarzwald neuerdings in Sibirien? Und was machen wir dann noch hier draußen? Das Hotel scheint geschlossen. Wir haben nur unseren Tee. Und Calvins VW-Bus. Das muss er sein. Jetzt sehen wir unsere zwei Eisbademeister zum ersten Mal: Ein junger Mann mit schulterlangen Haaren schließt den Kofferraum am Bus, einenKopf größer und etwa doppelt so breit steht der andere daneben – ziemlich sicher Roman. Wir geben uns die Faust, Calvin begrüßt uns und es sprudelt nur so aus ihm heraus: Sie seien gestern schon hier gewesen, heute hätten wir beste Bedingungen, die Eisschicht sei jetzt ganz sicher dick genug … Roman lächelt nur und nickt, er freut sich aufs Eis. Und er muss schmunzeln, als Calvin immer weiterspricht. „Bei ihm hier hättet ihr auch gleich noch einen Extremkurs im Skifahren dazubuchen können“, meint Roman.
Alle fünf gehen wir jetzt erst einmal in dicker Winterjacke, mit Handschuhen und Kappen Richtung See. Die Oberfläche glitzert uns entgegen, noch bevor wir über die Straße kommen, die dicht am See entlangführt. „Bestes Badewetter“, murmle ich noch und schon stehen wir auf dem Windgfällweiher. Die Oberfläche des Sees voller weißer Kristalle. Wo sie weggekratzt sind, strahlt das Eis spiegelglatt. „Hier vorne ist noch unser Loch“, sagt Calvin. Diese Stelle scheint erst wieder halb zugefroren zu sein. Hier sei er mit seiner Schwester die Tage zuvor mal gewesen. Als er näher rangeht, knarrt es ein wenig, aber: „Das Eis hält!“, sagt Calvin. Er nimmt sein Beil und haut auf neu vereiste Kanten des Rechtecks. Er schlägt kleine Löcher hinein, bis das Wasser spritzt, aber die Decke ist immer noch so fest, dass er sich nur Stück für Stück vorarbeiten kann. Plötzlich hört er auf. „Wir machen sowieso ein neues, größeres Loch.“ Er erklärt: „Aber wieder so nah am Ufer, dass wir noch stehen können.“ Klingt gut. Also schlägt er aufs Neue zu, holt immer wieder aus, bis das Wasser spritzt, und weiter, bis genug Platz ist für unsere Poolparty zu viert.
Franny spaziert währenddessen auf dem Eis auf und ab und hält das Gesicht noch ein wenig in die Sonne, während sie den Vorbereitungen unserer beiden Guides zuschaut. Dimitri checkt die besten Kamerapositionen. Was wir dann hören, ist ein paar Schnappschüsse wert: Calvin knallt einen Eisbrocken auf den Boden, den er vom Rand unseres neuen Eislochs abgeklopft hat. Gut zehn Zentimeter misst der. „Und weiter weg vom Rand wird es noch dicker.“ Das Loch ist geschlagen.