Kommt ein Kraut ins Elsass …

Alles wissen: Das Elsass ist das Land, wo das Sauerkraut noch in Ehren steht. Einer der's drauf hat, ist Helmut alias Holger. Er blieb der Liebe wegen an der Elsässer Weinstraße – und hat dort die Liebe zum Sürkrüt entdeckt. 

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Zwar heißt es über die Deutschen, dass sie die Krauts sind, aber das stimmt nicht ganz. Die Vorliebe für Sauerkraut hat ä bissl arg nachgelassen. Wer macht heute noch selber Kraut? Die Dorfmetzgereien mit frischem Sauerkraut machen sich auch rar. Dafür gibt es noch einen noch einen Volksstamm, wo die Liebe zum Sauerkraut so hartnäckig ist wie Efeu im Garten. Unsere Nachbarn: die Elsässer. In der nur von knapp zwei Millionen Menschen bewohnten Region werden drei Viertel des französischen Weißkohls produziert. Das meiste wächst südlich von Straßburg rund um Krautergersheim. (Der Name kommt wohl nicht von ungefähr.) Kraut ist in Krautgersheim jedenfalls der Stoff, aus dem Sürkrüt gemacht wird. Da im 19. Jahrhundert viele Elsässer nach Innerfrankreich und Paris auswanderten, gibt es dort in den Brasserien (Bofinger, Floderer, Lipp u. v. m.) auch Sauerkraut mit Fleisch und Wurst – oder mit Fisch. Und das sehr edel sogar.

Im Elsass ist das Sürkrüt eine Sache von Restaurants, Brasserien, Bier- wie Weinstuben – und Familien. „Alle haben sie ein Familienrezept“, sagt Holger „Helmut“ Groschischka, 51, der in Rorschwihr an der Elsässer Weinstraße die robuste Dorfkneipe Chez Helmut betreibt. Der gebürtige Dresdner ist gerade dabei, sich einen Ruf wie Donnerhall zu erarbeiten. Zum einen ist er der größte Sprücheklopfer weit und breit, was auch manchmal nach hinten losgeht. Nicht jeder findet das auch lustig … Zum anderen kann er kochen. Hier sind die Meinungen nicht geteilt. Helmut lacht. „Ich bin der Dirigent“. Er meint das so: Als gelernter Konditor kauft er manche Produkte lieber bei Bäckern und Metzgern seines Vertrauens ein und zaubert daraus seine Gerichte, die in der kleinen Wirtschaft an der großen Tafel stehen: Entrecôte, Schnecken, Tourte au Riesling. Flammkuchen gibt’s in einem Dutzend Varianten. Was willsch mehr?

Helmut zieht den Hauptgewinn

Dass er im Elsass gelandet ist, war ein bisschen Zufall („Weibergeschichten“) und ein bisschen Absicht. Er lebte lange in Mecklenburg-Vorpommern, dann bald woanders und zum Schluss 15 Jahre in Karlsruhe, wo er im Eiscafé Cortina arbeitete. Wahrscheinlich wird er dort bis heute vermisst. „In Karlsruhe habe ich mich in den badischen Dialekt reingehört, ist ja wie Elsässisch“, sagt er. Vis-à-vis der Hoh-Königsburg in Rorschwihr macht er eine Kneipe auf. Er fühlt sich wie in Amerika, weil auch das Elsass ein Einwandererland ist und jeder sein Glück machen kann.

Die Dörfler freuen sich über den Reingeschmeckten. Endlich gibt es wieder Tagesessen, Stammtisch, Kaffee-Schnaps (nachmittags für Touristen, Wanderer und Malocher), Biergarten, Boule und immer eine Kleinigkeit zu schnabulieren sowie Bier für den Musikverein, der nach der Musikprobe bei Helmut die Kehlen anfeuchtet. Als ihm vorüber zehn Jahren eine charmante Musikerin Tombola-Lose verkaufte, zog er den Hauptgewinn. Die Musikern, sie heißt Marie, wurde seine Frau und vom Schwiegervater gab es Oma Simones Sauerkrautrezept. Seitdem gehört Helmut ins Dorf.

In Sachen Choucroute ist Holger genauso gaga wie alle anderen Elsässer. Er liebt Sauerkraut. Ohne Sürkrüt würde der Laden auch nicht laufen. Er glaubt, dass mindestens die Hälfte der Gäste deswegen da ist, die andere Hälfte wegen der Haxe (frz. jambonneau), die auch phänomenal ist. Da er nicht monothematisch sein kann, das widerspricht seinem wilden Naturell, gibt es Sürkrüt mit den üblichen Sauereien, die da heißen Knack (eine Art Wienerle), Bauchspeck, Montbéliard (roh, geräuchert), Leber- wie Blutwürst und Leberknödel – aber auch mit Fisch.

Warum Fisch? In Deutschland ist diese Variante immer noch unbekannt, aber nicht im Elsass. Das liegt am Feuchtgebiet Grande Ried zwischen Straßburg und Schlettstadt. Hier fließen Ill, Bäche und Kanäle. In alter Zeit kam hier mehr Fisch als Fleisch auf den Teller. Als Beilagen gab es neben Kartoffeln natürlich Gemüse. In diesem Fall Sauerkraut. Diese schmackhafte Kombi entdeckte ein Koch namens Guy-Pierre Baumann wieder (Maison Kammerzell, Straßburg) und voilà, das Elsass hatte eine neue Spezialität.

Silvaner oder Riesling?

Helmut hat noch ein anderes Ass im Ärmel: rotes Sauerkraut. Auch die Süre Riewe (Saure Rüben) kocht er gerne,  sind sie doch ein weiterer guter Grund, um ein Pfund Fleisch mit Würsten zu verdrücken.

Dank des Sauerkrauts bleibt die Fresserei geschmeidig. Wer’s vegetarisch mag, kann das Kraut auch einfach so mit Kartoffeln und vielleicht einer Scheibe dunklem Brot essen. Da die Elsässer ä bissl anders gestrickt sind als die Franzosen von der anderen Seite der Vogesen gibt es tatsächlich dunkles Brot, wenn sich la famille zu Sauerkraut oder Boeuf bei Helmut trifft.

Beim Wein sind sie aber alle gleich, egal, auf welcher Seite der Vogesen gekocht wird. Ohne Wein keine Choucroute! Als Helmuts Schwiegervater von Silvaner als wichtige Zutat erzählt, zuckt Helmuts Schwiegermutter zusammen. Hat sie richtig gehört? Silvaner? Wurde sie arglistig getäuscht? Wer hat denn dann in all den Jahren den guten Riesling getrunken, der also nicht ins Sürkrüt kam?

Das sind Elsässer Rätsel, die dann à table oder später geklärt werden. Ein weiteres großes Rätsel, das jeden Tag neu erzählt ist, ist der Name des Wirts. Wie heißt der Kerl in echt? In der Kneipe ist er der Helmut, weil „die Franzosen Ho-Ho-Holger nicht richtig aussprechen können“, erzählt der Patron. Daheim wird Holger/Helmut meistens Schatzi genannt, außer er hat mal wieder einen Spruch zu viel rausgehauen. Dann ist er wieder der Holger …

WINSTUB – Chez Helmut

2 Place de l’Eglise, Rorschwihr (Elsass)

Geöffnet: Mi–So (Sonntagabend geschlossen)

Tel. + 00 33-3 89/22 12 69, Reservierung empfohlen.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 48 (1/2025)

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Wir haben den Entertainer Cossu aus dem Kinzigtal getroffen und über Mundart, deutsche Eigenheiten und sein neues Buch geplaudert.

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