Annika und ihre Dromedare

Schwarzwald, feines Futter und vier Frauen: Khaled fehlt's an nix, darum fühlt er sich auch so wohl im Renchtal, wo wir euch jetzt mal mit hinnehmen

Text: Pascal Cames · Fotos: Michael Bode

Khaled ist zwar nicht der Größte, aber er arbeitet dran. Hat etwas sein Interesse entdeckt, dann streckt er seinen Kopf nach vorne. Und da der ungefähr einen Meter lang ist, kommt er auch fast überall hin. Sein Blick spricht Bände. Was ist los in meinem Reich? Hat wer einen Apfel dabei? Also stolziert er los, den Kopf stolz nach vorne gestreckt.

Wo das Gras grüner ist

Hübsch ist er ja, aber auf seine Art. Seine Beine sind etwas zu lang und haben einen Hang zum X. Einen Buckel, Entschuldigung, Höcker muss es heißen, hat er auch. Wenn er etwas sagen will, bewegt er wie eine Kuh seinen Unterkiefer hin und her. Außerdem klingt sein Brummen mehr nach einem Bären als nach Wiederkäuer. Aber was für schöne Wimpern er hat! „Um die beneiden ihn alle Frauen“, lacht Annika Müller. Auch sein Fell ist schön flauschig. Vor allem ist es echt. Jeder, der eine dieser modischen Teddy-Jacken trägt, wird vor Neid erblassen!

Statt weiter angeglotzt zu werden, zieht der fünf Jahre junge Dromedarhengst Khaled an uns vorbei. Ist weiter unten das Gras grüner? Ja, es schaut so aus. Gemeinsam mit zwei Stuten „rennt“ er Höcker an Höcker den Buckel hinunter. Zuerst sind die drei Dromedare nebeneinander, dann laufen sie hintereinander, wie man es aus Filmen kennt, die in der Sahara oder der arabischen Wüste spielen. Das wirbelt eine Menge Staub auf und schaut lustig aus, weil sich alles bewegt und die Höcker hin und her wackeln. Aber Achtung! Sie sind nicht zu stoppen!

Schauplatz dieser wilden Szene ist aber nicht eine große Fläche in der Arabischen Wüste, sondern Benny’s Ranch in Lautenbach im grünen Schwarzwald. Die Ranch liegt direkt am Wanderweg Teufelsteig, die Kamele stehen etwas abseits von der Straße und vom Wanderweg.

Tierwohl und Liebhaberei

Die Ranch gehört Bernd Müller und seiner Tochter Annika. Der Papa ist ein bekannter Metzgermeister in Oberkirch, die Tochter Tierärztin, die gerade an ihrer Doktorarbeit über „Die Abwehrmechanismen des Dromedareuters“ arbeitet. Wie geht das zusammen? „Jeder, der Fleisch isst, muss wissen, dass Tiere geschlachtet werden und sollte auch wissen, woher das Fleisch kommt“, sagt Annika. Auch dem Vater liegt das Tierwohl am Herzen. Der Vater züchtet auf der Ranch Limousinrinder und hat sogar ein kleines Schlachthaus in Oberkirch. Von Massentierhaltung und langen Transportwegen kann nicht die Rede sein. Das erspart den Tieren eine Menge Stress.

Die Dromedare leben in Lautenbach nicht wegen ihres Fleisches, sondern aus Liebhaberei. Seit 2016 hat Annika Dromedare, die zur Familie der Kamele gehören und im Gegensatz zum Trampeltier (dem umgangssprachlichen Kamel) nur einen Höcker haben. Auf der Ranch leben aber auch Hasen, Micro Pigs, Alpaka, Pferde und sieben wohlgenährte Katzen. Wie bestellt, kräht der Hahn, kaum dass wir von ihm reden.

Annikas fünf Prachtexemplare stammen aus Holland und aus einer anderen Zucht im Schwarzwald. Dromedare aus Arabien oder Afrika zu importieren, ist so gut wie unmöglich, da sie als Zoo- oder Zirkustiere deklariert werden und wegen der Maul- und Klauenseuche lange in Quarantäne müssen. Ein kalter Winter wie im Schwarzwald stört die Tiere dagegen nicht. Auch in der Arabischen Wüste kann es nachts frostig werden. Trockene Kälte macht den Dromedaren gar nichts aus. Ist es aber nasskalt, machen sie es wie die Menschen oder Pferde: Sie gehen ins Warme.

Die neue Heimat von Khaled, Faisah, Amani, Sheila und der jungen Samira grenzt an den Wald, hat sogar ein Bächle und eine große Sandfläche wie daheim. Anfangs war alles verbuscht, erinnert sich Annika, aber von Sträuchern und Hecken ist jetzt keine Spur mehr. „Die Tiere lieben Brombeeren, die würden dafür morden!“ Gräser, Hecken, Baumrinden, alles wurde von der Bande abgefressen. Jetzt ist das Grün so raspelkurz wie auf einem Golfrasen. Würde man aber Khaled und Co. mit Gräsern füttern, würden sie schnell fett werden, da sie gute Verwerter sind. Darum ist das Futter so mager wie in ihrem ursprünglichen Lebensraum.

Lange Durststrecken aushalten

Durch ihren traditionellen Lebensraum sind sie gezwungen mit ganz wenig auszukommen und lange Durststrecken – bis zu 15 Tage –auszuhalten. Vor Wind und Sand schützen sie sich durch ihre langen Wimpern und mit verschließbaren Nasenlöchern. Da sie nach allen Seiten austreten können – Achtung, sogar nach vorne! – haben sie auch keine natürlichen Feinde. Und wenn sie Tempo machen, dann rennen sie wie ein Fußballspieler alter Schule alles über den Haufen. Darum wurden auch die Alpaka (entfernte Verwandte der Kamele aus Südamerika) auf eine andere Weide ausquartiert. Sicher ist sicher bei so Trampeltieren wie den Dromedaren …

Khaled muss ran

Was will Annika mit der kleinen Herde machen? Sie hofft, dass es bald eine größere Herde gibt, sobald Khaled seinen Pflichten nachkommen kann. Er ist immer noch nicht ausgewachsen und muss erst noch sein Chefverhalten einüben. Was er schon prima kann, wie Annika erzählt. Khaled geht zu seinen Stuten, rempelt sie ein bisschen an, beißt sie leicht, damit sie in die Knie gehen. Die Stuten müssen liegen, wenn sie begattet werden sollen oder wollen. Groß sein ist eben auch nicht immer so einfach …

Annika würde gerne etwas mit der Kamelmilch machen. Die wäre ideal, dank wenig Fett und viel Vitamin C. Zudem ist sie für alle gut, die eine Laktoseintoleranz haben. Der Markt wäre dafür da, glaubt sie. Aber das wird eine andere Geschichte.

Der Höllwaldteufel aus dem Höllwald stand Pate für die 11 km lange Rundwanderung über die Ruine Neuenstein in Lautenbach. Picknickplätze hat es am Otschenfeld, am Teufelsschuppen mit Schnapsbrunnen und an der Rehaghütte mit Grillplatz. Der besonders krasse Abstieg lässt sich umgehen, einfach nach dem Teufelsschuppen der Straße zu Benny’s Ranch folgen. Die Wanderung startet in Lautenbach Ortsmitte. Dort hat’s auch Parkplätze, Bahnhof und Gasthäuser.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 31 (2/2022)

Die #heimat. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2022. Dies sind die Abenteuer von Schwarzwälder Stars und Sternchen, im Großen wie im Kleinen, von unbekannten kulinarischen Galaxien, in denen wir dieses Mal den Flammkuchen huldigen, von Affineuren und Stressbewältigern. Dazu stellen wir Euch Kemi Cee vor – eine Sängerin wie vom anderen Stern …

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