Femme phänomenal

Kemi Cee ist im Südwesten ein Star. Doch was macht eine Musikerin, wenn man ihr die Bühne und den Applaus nimmt? Im besten Fall wird ein Album draus

Text: Ulf Tietge · Fotos: Dimitri Dell
Folge 1 - Kemi Cee
Der #heimat Podcast

Folge 1 - Kemi Cee

Kemi Cee singt zum Niederknien schön – und erfindet sich gerade komplett neu. 2004 sang sie sich ins Finale von Deutschland sucht den Superstar und begeistert ihre Fans seither vor allem mit großartigen Coversongs. Jetzt aber bringt sie ihr erstes eigenes Album heraus. Für Anders gleich hat sie ihre tiefsten Gefühle, ihre Zweifel und Träume in Songs gepackt und mehr von sich offenbart als jemals zuvor. Ulf Tietge hat Kemi bei...
Kemi Cee singt zum Niederknien schön – und erfindet sich gerade komplett neu. 2004 sang sie sich ins Finale von...

Folge 1 - Kemi Cee

Kemi Cee singt zum Niederknien schön – und erfindet sich gerade komplett neu. 2004 sang sie sich ins Finale von Deutschland sucht den Superstar und be...
Heimat Schwarzwald
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Heimat Schwarzwald

Musiker trifft man abends, oder? Irgendwo backstage. Zwischen Whiskey und Wein, bei ’ner Kippe oder was Kräutrigem. Zack, zack! Zehn Fragen, ein Foto und dann wieder weg! Bei Kemi Cee dagegen ist es ganz anders. In Kunstfell-Hausschuhen und bester Laune führt sie uns am Kinderzimmer der Zwillinge vorbei durch die Küche zu einem formidablen Frühstück mit Croissant und Café au Lait, mit Baguette und einer schönen Käseauswahl auf der Etagere. Künstler sind halt auch nur Menschen …

Eigentlich kennen wir Kemi anders. Aber Rampenlicht ist ja selten in diesen Tagen. Keine Chance fürs kleine Schwarze und eine Jam Session Deluxe, für High Heels und Party. Stattdessen treffen wir eine Musikerin im Homeoffice. Eine, die sich gerade neu erfindet. Nicht mehr nur Coversongs von Whitney Houston oder Rihanna. Sondern was Eigenes machen. Persönliche Gefühle in Songs packen, sich öffnen und mehr von sich offenbaren als zuvor. Denn die neue Kemi schreibt von sich, ihrem Leben, ihren Zweifeln, ihren Träumen und ihrer Freude. Da spielen die Ängste von früher eine Rolle, das Anderssein auf dem Schulhof. Oder wie es als Mutter, Model und Musikerin ist, wenn sich statt der Setcard ein Malbuch in die Handtasche verirrt hat …

Kemi, man hat das Gefühl, Du erfindest Dich gerade komplett neu. Einfache Frage: Warum?

Ich wollte immer schon eigene Sachen machen. Vor sechs Jahren habe ich meinen ersten Song geschrieben. Stark heißt der und er liegt mir bis heute extrem am Herzen. Denn er ist in einer Zeit entstanden, als ich wenig an mich geglaubt habe. Mein Mann hat gesagt: „Hey, setz dich irgendwo hin und schreib das nieder, dass du dich nicht so gut fühlst.“ Das habe ich gemacht und daraus Kraft gezogen. Wenn du was Eigenes machst, sprichst du von deinem Leben, erzählst, wer du bist. Das machst du mit Coversongs natürlich nicht.

Ich habe irgendwo gelesen, dass du sagst, Anders gleich ist zum ersten Mal 100 Prozent Kemi. Aber was oder wer ist denn Kemi wirklich? Und: Gibt es verschiedene Kemis?

Nein. Ich bin sehr authentisch und sehr ehrlich in allem, was ich mache. Ich glaube, es gibt gar nicht so viele andere Kemis, denn es gibt nur mich. Aber ich bin halt ein Chamäleon! Man sieht mich immer mit unterschiedlichen Haaren, ich bin sehr gerne wandelbar auf der Bühne, verändere meinen Look, aber das hat eher Fashiongründe. Denn ich liebe auch Fashion. Mode und Musik, das ist für mich eine Einheit. Deswegen habe ich auch gerade bei Shopping Queen teilgenommen – und gewonnen!

Herzlichen Glückwunsch! Und Respekt vor deinem Mut, am Ende einfach ohne Perücke auf den Catwalk zu gehen und dich oben ohne zu zeigen. Was aber ist der Grund für die abrasierten Haare?

Ich variiere auf der Bühne einfach gerne. Man will ja immer was anderes, als man hat, gerade auf der Bühne. Ich mag es, wenn ich bei einem Black-Tie-Event ein langes Abendkleid trage. Dazu möchte ich vielleicht keine Locken, sondern glatte Haare. Und dann ist es einfach zu sagen: „Hey, jetzt nehme ich mal diese Langhaarperücke in glatt und hab gleich einen anderen Look.“ Für einen anderen Gig wähle ich vielleicht eher einen spannenden sexy Look, wo ich dann sage: „Jetzt könnte man den Rücken ein bisschen betonen und zeigen“, also trag ich dann eine Kurzhaarperücke. Ich spiele einfach gerne mit der Mode, mit den Looks. Aber um noch mal auf die Glatze zurückzukommen: Doch, das ist für mich eine Überwindung, das zu zeigen. Denn so was kann ja auch falsch rüberkommen, dass man vielleicht denkt: „Oh, ist sie krank?“

Hast Du die Haare immer schon so kurz wie Sinead O’Connor getragen?

Nein. Aber als ich Mutter wurde, hat es das für mich einfach viel leichter gemacht. Ich war jedes Mal drei Stunden mit Haarekämmen beschäftigt. Und du weißt: Ich bin ja Zwillingsmama und irgendwann hatte ich einfach die Zeit nicht mehr. Dann kam Shopping Queen und ich hatte gar keine Wahl mehr, weil wir in Antalya gedreht haben. Was sollte ich da machen? Es gab keine Afroshops, ich saß beim Friseur und dachte: „Was mach ich jetzt?“ Ich kann ja nicht mit derselben Frisur rauskommen wie vorher. Und dann habe ich mich entschieden, tatsächlich die Perücke abzulegen und die Haare abrasieren zu lassen.

Zurück ins Showbusiness: Um dort erfolgreich zu sein, muss man extrovertiert sein. Sexy Abendkleid, freier Rücken und so weiter. Man muss seine Haut zu Markte tragen. Gerade bei Facebook und Instagram gibt es dafür nicht nur nettes Feedback. Wie gehst Du damit um?

Ich versuche, das nicht so nah an mich ranzulassen. Ich glaube, wenn man sich in diesem ganzen Social-Media-Bereich bewegt und sich da präsentiert, muss man damit rechnen, dass auch Gegenwind kommt. Man muss darauf vorbereitet sein, dass nicht jeder positiv auf dich reagiert, das ist heutzutage normal. Früher habe ich das tatsächlich an mich rangelassen. Da gab es ja diese Foren, und ganz ehrlich, das hat mich fertiggemacht, ich hab’ da richtig Probleme mit gehabt. Heute kann ich damit umgehen. Ich versuche auch, manche Sachen nicht zu lesen und eher die positiven Dinge aufzusaugen. Es gibt ja auch genug positives Feedback!

Wie weit würdest Du für Aufmerksamkeit gehen? Shopping Queen haben wir besprochen, klar, das ist easy. Aber dann gibt es noch das Trash-TV mit Dschungelcamp und Big Brother oder Magazine wie den Playboy – wie weit würdest Du gehen?

Ich glaube: Ich würde in dem Moment entscheiden, in dem eine Anfrage kommt. Ich finde, Shopping Queen war eine schöne Geschichte. Ich fand auch DSDS toll. Ich hab das nie bereut und bin sogar stolz drauf.

Rückblende: DSDS 2004. Die zweite Staffel von Deutschland sucht den Superstar. Casting-Shows sind schwer angesagt und erreichen in der Zeit vor Youtube und Netflix noch ein Millionenpublikum. In der Jury thront Dieter Bohlen und vor ihm singt sich eine junge Frau ins Finale: Oluwakemi Christin Awosogba. Entdeckt wurde Kemi aber vorher schon. Mit 14 gewinnt sie die Bravo-Girl-Wahl, arbeitet als Model und beginnt ihre Karriere daheim im Kinderzimmer.

Whitney Houston ist ihr Idol und Kemi ist so gut – und dank Bravo medial so präsent –, dass sie mit 14 den ersten Plattenvertrag in der Tasche hat. BMG Ariola. Großer Name damals. An ihrer Seite: Frank Ramond, später der Produzent von Roger Cicero und Annett Louisan. Kemi macht Musik, dreht Videos, aber sie hat Pech bei Viva. Gleich fünfmal wird ihre Musik vorgestellt – aber jedes Mal bringt an genau dem Tag ein Weltstar was Neues raus. Gegen Mariah Carey hat die junge Kemi keine Chancen und so schafft es ihre Musik damals eben nur in die Indie-Läden … Erfolgreich wird Kemi dennoch. Als Berufsmusikerin ist sie bei den Hit Giganten und der Ultimativen Chart Show im TV, sie singt für Galas wie den Deutschen Filmball, den Leipziger Opernball oder Ein Herz für Kinder.

Aber Kemi will mehr. Nämlich Erfolg auch als Songwriterin. Nur werden eben weltweit jeden Tag 80 000 Songs veröffentlicht. Nur eine Handvoll davon werden zu Hits. Kemi weiß, dass ihr Debütalbum im Radio nicht oft laufen wird. Dafür ist es zu eigen, setzt nicht wie so viele andere auf mega angesagte Mainstream-Beats wie von Dua Lipa. Aber genau diese Einstellung sichert ihr Respekt und Anerkennung in der Branche …

Unter uns, liebe Kemi: Ich versteh das Musik-Business nicht. Einerseits läuft im Radio jeden Tag der gleiche Mist – außer der SWR sendet seine Hitparade – und gleichzeitig entsteht jeden Tag so viel neue Musik. Warum gibt es diese unfassbare Selektion?

Es ist alles einfacher, wenn du schon ein Star bist oder schon was Erfolgreiches herausgebracht hast. Für Newcomer dagegen ist es megaschwer heutzutage. Es gibt einfach so einen Überfluss an Musik! Denk nur an die vielen Youtuber, die auch Musik machen. Unterm Strich aber ist es mir selbst manchmal ein Rätsel, dass man Newcomern, die wirklich Gas geben, keine Chance mehr gibt. Du kriegst keine Plattform mehr.

Du hattest mit 14 Deinen ersten Plattenvertrag. Warum bist Du nicht so erfolgreich geworden wie eine Helene Fischer, Sarah Connor oder Annett Louisan?

Manchmal muss man einfach auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und auch das Glück gehört dazu. Ich sag einfach mal ganz selbstbewusst, dass ich nicht glaube, dass es am Talent gehapert hat. Ich glaube auch, dass es sehr viele Menschen – damals wie heute – gab und gibt, die an mich glauben. Ich merke es auch gerade jetzt, wo ich meine eigenen Songs rausbringe, wie viele Leute mir helfen und mich unterstützen. Das ist so viel wert!

Man kann ein Album so machen, dass es im Radio mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit gespielt wird. Oder man kann es so machen, wie man es fühlt. Diesen Weg bist Du gegangen …

Ja, für mein Debütalbum wollte ich wirklich mich zeigen. Ich wollte erzählen, wer ich bin. Inspiriert haben mich die 1970er und 80er Jahre, musikalisch einfach megageil. Denk nur an Michael Jackson! Das war richtig tolle handgemachte, echte Musik! Und genau das wollte ich auch. Was Echtes! Kein Remake, kein Cover, etwas Eigenes. Deshalb hab ich mich auch entschieden, deutsch zu singen. Das ist meine Sprache, damit bin ich aufgewachsen und damit konnte ich Geschichten erzählen. Ich spreche auch gut Englisch, aber trotzdem: Das Album kam von innen und ist deswegen deutsch. 

Während wir reden, tickt die Uhr. Noch 87 Tage bis zum Release von Kemis erstem Album im Mai. Die ersten Singles sind schon draußen. Femme Phänomenal zum Beispiel. Eine Hommage an starke Frauen. Erinnert ein bisschen an Männer von Grönemeyer, auch wenn Kemi als Soul-Stimme natürlich ganz anders klingt. Ähnlich positiv und heiter wie Femme Phänomenal sind auch Bucket List, Boss Mom und Das Leben ist schön. Gleichzeitig aber schlägt Kemi auch nachdenkliche Töne an und offenbart ihre Zweifel. Wie das mit der dunklen Hautfarbe und den Giraffen-Beinen damals auf dem Schulhof war oder wie sie immer wieder gegen das Zweifeln ankämpfte. Daher auch der Name des Albums: Anders gleich. Wie sehr sie das beschäftigt, hat sie unten aufs Cover drucken lassen, wo sie sich bei all jenen bedankt, die an sie geglaubt haben – und bei denen, die genau das nicht getan haben: „Ihr habt mir die nötige Motivation gegeben, an meinem Traum festzuhalten und noch härter zu arbeiten.“

Kemi, man kann mit einem Künstler kein Interview führen, ohne kurz auf die vergangenen zwei Jahre einzugehen. Also bringen wir das gleich hinter uns: Corona-Lockdown, wie war die Zeit für Dich?

Schwierig, sehr, sehr schwierig sogar. Auf einmal stand mein Leben so ein bisschen still, obwohl ich Mama bin und mein Leben natürlich immer irgendwie actionreich ist. Trotzdem, wenn du mir die Musik nimmst, nimmst du mir schon sehr, sehr viel.

Hast Du Dich sehr verändert in der Zeit und wenn ja, wie?

Ich hab mich sicherlich verändert, das würde mein Mann sicherlich auch sagen, dem bin ich richtig auf den Sack gegangen, glaube ich …

Aber ihr seid noch zusammen?

Ja, klar! Gott sei Dank! Corona war ja bei den Scheidungsgründen plötzlich ganz vorne. Es war auch bei uns sicherlich nicht einfach, im Gegenteil, weil wir einfach die ganze Zeit beieinander waren. Wir sind beide sonst recht viel unterwegs, sind beide selbstständig, und ich bin es gewohnt gewesen, zu reisen, meine Auftritte zu machen und einfach zu sagen: „Ich bin weg und komme wieder und immer, wenn ich wiederkomme, habe ich Energie getankt, weil ich das gemacht habe, was ich am liebsten mache.“

Auf der Bühne stehen?

Genau. Was mir auch genommen wurde, war meine heißgeliebte Jam Session Deluxe. Meine Veranstaltungen, die ich hier in der Region präsentiere. Ich war leider nicht mehr so oft in Baden-Baden, aber ich hoffe auch, dass wir Baden-Baden bald wieder machen können. Diese Show ist für mich so etwas Besonderes, weil ich da ganz viel Liebe bekomme. Denn die Leute, die zu uns kommen, kommen wirklich für uns. Dann die glücklichen Gesichter zu sehen und natürlich auch den Applaus zu genießen, der so wichtig ist für einen Künstler. Das gibt dir so viel und das fehlt einfach!

Zur Person

Kemi Cee wurde 1982 als Oluwakemi Awosogba in Gronau geboren, der Heimatstadt von Udo Lindenberg. Kemis Papa stammt aus Nigeria, die Mutter aus Curacao. Ihre musikalische Karriere startete Kemi im Kinderzimmer. Klassisch mit Mucke von der Kassette und Drahtbürste als Mikro. Kemi entdeckte ihre Liebe zur großen Whitney Houston, die Bravo entdeckte sie als Model und zack hatte Kemi den ersten Plattenvertrag in der Tasche. Bei Dieter Bohlen war sie 2004 im Finale von DSDS. 2010 kam sie in die Ortenau und ließ europaweit solo als Musikerin, als Veranstalterin für Events und Konzerte sowie mit ihrer Band viel von sich hören: nicht nur mit der Jam Session Deluxe, sondern auch bei Events wie den Champions League Finals in Athen oder Berlin und bei diversen TV-Shows. Heute lebt Kemi mit ihrer Familie im elsässischen Drusenheim auf der anderen Seite vom Rhein.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 31 (2/2022)

Die #heimat. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2022. Dies sind die Abenteuer von Schwarzwälder Stars und Sternchen, im Großen wie im Kleinen, von unbekannten kulinarischen Galaxien, in denen wir dieses Mal den Flammkuchen huldigen, von Affineuren und Stressbewältigern. Dazu stellen wir Euch Kemi Cee vor – eine Sängerin wie vom anderen Stern …

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