Ich habe irgendwo gelesen, dass du sagst, Anders gleich ist zum ersten Mal 100 Prozent Kemi. Aber was oder wer ist denn Kemi wirklich? Und: Gibt es verschiedene Kemis?
Nein. Ich bin sehr authentisch und sehr ehrlich in allem, was ich mache. Ich glaube, es gibt gar nicht so viele andere Kemis, denn es gibt nur mich. Aber ich bin halt ein Chamäleon! Man sieht mich immer mit unterschiedlichen Haaren, ich bin sehr gerne wandelbar auf der Bühne, verändere meinen Look, aber das hat eher Fashiongründe. Denn ich liebe auch Fashion. Mode und Musik, das ist für mich eine Einheit. Deswegen habe ich auch gerade bei Shopping Queen teilgenommen – und gewonnen!
Herzlichen Glückwunsch! Und Respekt vor deinem Mut, am Ende einfach ohne Perücke auf den Catwalk zu gehen und dich oben ohne zu zeigen. Was aber ist der Grund für die abrasierten Haare?
Ich variiere auf der Bühne einfach gerne. Man will ja immer was anderes, als man hat, gerade auf der Bühne. Ich mag es, wenn ich bei einem Black-Tie-Event ein langes Abendkleid trage. Dazu möchte ich vielleicht keine Locken, sondern glatte Haare. Und dann ist es einfach zu sagen: „Hey, jetzt nehme ich mal diese Langhaarperücke in glatt und hab gleich einen anderen Look.“ Für einen anderen Gig wähle ich vielleicht eher einen spannenden sexy Look, wo ich dann sage: „Jetzt könnte man den Rücken ein bisschen betonen und zeigen“, also trag ich dann eine Kurzhaarperücke. Ich spiele einfach gerne mit der Mode, mit den Looks. Aber um noch mal auf die Glatze zurückzukommen: Doch, das ist für mich eine Überwindung, das zu zeigen. Denn so was kann ja auch falsch rüberkommen, dass man vielleicht denkt: „Oh, ist sie krank?“
Hast Du die Haare immer schon so kurz wie Sinead O’Connor getragen?
Nein. Aber als ich Mutter wurde, hat es das für mich einfach viel leichter gemacht. Ich war jedes Mal drei Stunden mit Haarekämmen beschäftigt. Und du weißt: Ich bin ja Zwillingsmama und irgendwann hatte ich einfach die Zeit nicht mehr. Dann kam Shopping Queen und ich hatte gar keine Wahl mehr, weil wir in Antalya gedreht haben. Was sollte ich da machen? Es gab keine Afroshops, ich saß beim Friseur und dachte: „Was mach ich jetzt?“ Ich kann ja nicht mit derselben Frisur rauskommen wie vorher. Und dann habe ich mich entschieden, tatsächlich die Perücke abzulegen und die Haare abrasieren zu lassen.
Zurück ins Showbusiness: Um dort erfolgreich zu sein, muss man extrovertiert sein. Sexy Abendkleid, freier Rücken und so weiter. Man muss seine Haut zu Markte tragen. Gerade bei Facebook und Instagram gibt es dafür nicht nur nettes Feedback. Wie gehst Du damit um?
Ich versuche, das nicht so nah an mich ranzulassen. Ich glaube, wenn man sich in diesem ganzen Social-Media-Bereich bewegt und sich da präsentiert, muss man damit rechnen, dass auch Gegenwind kommt. Man muss darauf vorbereitet sein, dass nicht jeder positiv auf dich reagiert, das ist heutzutage normal. Früher habe ich das tatsächlich an mich rangelassen. Da gab es ja diese Foren, und ganz ehrlich, das hat mich fertiggemacht, ich hab’ da richtig Probleme mit gehabt. Heute kann ich damit umgehen. Ich versuche auch, manche Sachen nicht zu lesen und eher die positiven Dinge aufzusaugen. Es gibt ja auch genug positives Feedback!
Wie weit würdest Du für Aufmerksamkeit gehen? Shopping Queen haben wir besprochen, klar, das ist easy. Aber dann gibt es noch das Trash-TV mit Dschungelcamp und Big Brother oder Magazine wie den Playboy – wie weit würdest Du gehen?
Ich glaube: Ich würde in dem Moment entscheiden, in dem eine Anfrage kommt. Ich finde, Shopping Queen war eine schöne Geschichte. Ich fand auch DSDS toll. Ich hab das nie bereut und bin sogar stolz drauf.
Rückblende: DSDS 2004. Die zweite Staffel von Deutschland sucht den Superstar. Casting-Shows sind schwer angesagt und erreichen in der Zeit vor Youtube und Netflix noch ein Millionenpublikum. In der Jury thront Dieter Bohlen und vor ihm singt sich eine junge Frau ins Finale: Oluwakemi Christin Awosogba. Entdeckt wurde Kemi aber vorher schon. Mit 14 gewinnt sie die Bravo-Girl-Wahl, arbeitet als Model und beginnt ihre Karriere daheim im Kinderzimmer.
Whitney Houston ist ihr Idol und Kemi ist so gut – und dank Bravo medial so präsent –, dass sie mit 14 den ersten Plattenvertrag in der Tasche hat. BMG Ariola. Großer Name damals. An ihrer Seite: Frank Ramond, später der Produzent von Roger Cicero und Annett Louisan. Kemi macht Musik, dreht Videos, aber sie hat Pech bei Viva. Gleich fünfmal wird ihre Musik vorgestellt – aber jedes Mal bringt an genau dem Tag ein Weltstar was Neues raus. Gegen Mariah Carey hat die junge Kemi keine Chancen und so schafft es ihre Musik damals eben nur in die Indie-Läden … Erfolgreich wird Kemi dennoch. Als Berufsmusikerin ist sie bei den Hit Giganten und der Ultimativen Chart Show im TV, sie singt für Galas wie den Deutschen Filmball, den Leipziger Opernball oder Ein Herz für Kinder.
Aber Kemi will mehr. Nämlich Erfolg auch als Songwriterin. Nur werden eben weltweit jeden Tag 80 000 Songs veröffentlicht. Nur eine Handvoll davon werden zu Hits. Kemi weiß, dass ihr Debütalbum im Radio nicht oft laufen wird. Dafür ist es zu eigen, setzt nicht wie so viele andere auf mega angesagte Mainstream-Beats wie von Dua Lipa. Aber genau diese Einstellung sichert ihr Respekt und Anerkennung in der Branche …
Unter uns, liebe Kemi: Ich versteh das Musik-Business nicht. Einerseits läuft im Radio jeden Tag der gleiche Mist – außer der SWR sendet seine Hitparade – und gleichzeitig entsteht jeden Tag so viel neue Musik. Warum gibt es diese unfassbare Selektion?
Es ist alles einfacher, wenn du schon ein Star bist oder schon was Erfolgreiches herausgebracht hast. Für Newcomer dagegen ist es megaschwer heutzutage. Es gibt einfach so einen Überfluss an Musik! Denk nur an die vielen Youtuber, die auch Musik machen. Unterm Strich aber ist es mir selbst manchmal ein Rätsel, dass man Newcomern, die wirklich Gas geben, keine Chance mehr gibt. Du kriegst keine Plattform mehr.