Zum Abheben schön!

Einmal Himmel und zurück: Wir steigen in den Segelflieger und lassen uns lautlos durch die Luft tragen…

Fotos: Dimitri Dell

Echt jetzt! Irgendwann habe ich die Fragerei dicke! Willst du das wirklich tun? Hast du keine Angst? Weißt du eigentlich, was da alles passieren kann? Mein Umfeld, beruflich und privat, bewegt sich zwischen wohlmeinender Besorgtheit und sü.em Grusel. Dabei will ich mir doch bloß einen Traum erfüllen: Segelfliegen überm Schwarzwald. Nur von der Luft getragen meine Heimat aus der Vogelperspektive erleben. Und jetzt stehe ich am Flugplatz Winzeln-Schramberg in Aichhalden und habe klatschnasse Hände. Vor gerade zwei Minuten hat mir irgend so ein ganz cleverer Autofahrer die Vorfahrt genommen, das war eine ziemlich enge Kiste …

Freudiges Kribbeln

„Das Gefährlichste am Segelfliegen hast du überstanden“, sagt Nico Trick dann gleich zur Begrüßung: „Die Fahrt zum Flugplatz.“ Er muss es wissen. Nico ist nicht nur erfolgreicher Segelflieger und Kunstflugpilot, sondern obendrein Präsident des Luftsportvereins Schwarzwald. „Auf eine Million Flugbewegungen kommen 14 tödliche Unfälle, Autofahren ist riskanter“, sagt er. Eine vernachlässigbare Größe, finde ich. Außerdem wird mein Pilot sicherlich kein Interesse daran haben, die Unfallstatistik seiner Zunft zu versauen.

Mein Pilot, das ist an diesem Tag Matthias Sturm, leidenschaftlicher Segelflieger und obendrein Weltmeister im Langstreckenfliegen. Gerade erledigt er die letzten Check-ups. „Perfektes Flugwetter“, meint er und strahlt mich an. „Und? Aufgeregt?“ Kein bisschen, es ist eher ein freudiges Kribbeln. Geduldig erklärt Matthias mir den Arcus T: „Ein Doppelsitzer. Wiegt ungefähr 500 Kilogramm, ist etwa acht Meter lang und hat 20 Meter Spannweite.“ Majestätisch liegt der Flieger auf dem Rasen vor uns – wie eine riesige, weiße Libelle.

Der Fall der Fälle?

Matthias reicht mir einen schweren, flachen Rucksack: „Das ist der Fallschirm, für den Fall der Fälle.“ Welcher Fall bitte? „Sollte es Probleme geben, entferne ich das Dach und wir springen ab“, erklärt er und zeigt mir, wie ich mich im freien Fall bewegen muss: „Erst die Arme zur Seite strecken, um dich zu stabilisieren, und dann mit der rechten Hand kräftig an dem Griff im linken Schultergurt ziehen, so geht der Schirm auf.“ Ah ja. Ob ich das im „Fall der Fälle“ noch abrufen kann? Egal – festgezurrt das Ding und rein in den Flieger. Während ich mich anschnalle, verstaut Matthias’ Lebensgefährtin Heike noch schnell ein paar Papiertaschentücher und zwei große Tiefkühlbeutel im Seitenfach neben mir: „Falls dir schlecht wird …“ Mir? Schlecht? Woher denn!

Matthias schließt die Plexiglashaube. Wir werden in die Startposition auf das Rollfeld geschoben und an die Schleppleine gehängt. „Bereit?“, krächzt es über Funk aus der Schleppmaschine vor uns. „Bereit.“ Die Leine spannt sich, wir beginnen zu rollen, ich starre auf den Tacho: 60, 80, 120, 160 Stundenkilometer. So fühlt sich Spaß an! Und schon sind wir in der Luft. Noch nicht hoch, aber immerhin. Die Maschine zieht uns Richtung Westen. Höher und höher, immer Richtung Thermik. Dann – ein leises Pfupp – klinkt sie sich aus und schwenkt elegant nach links. Wir sind auf gut 1800 Metern Flughöhe, unter uns ist in der Ferne Schiltach zu sehen, weiter links Schramberg. „Ein bisschen was geht noch“, meint Matthias und steuert auf eine – für mich unsichtbare – Luftsäule zu. Das Prinzip Fliegen ohne Motor ist einfach: Im warmen Aufwind schraubt sich der Flieger nach oben, um dann sachte abwärtszugleiten. Bis wir den nächsten Luftstrom erreichen, der uns wieder ein bisschen höher bringt. „An guten Tagen kannst du gut sieben oder acht Stunden in der Luft bleiben“, erzählt Matthias und neigt den Flieger nach links. Die Tragfläche sieht aus, als würde sie gleich ein Rendezvous mit den Baumwipfeln auf dem Fohrenbühl haben. Wir drehen ein paar enge Runden, immer weiter nach oben. Unwillkürlich muss ich an die Tüten denken …