Zwischen Wein und Achterbahn: der Europa-Park-Sommelier

Vincenzo De Biase ist der weltweit erste Freizeitpark-Sommelier – und hat den Europa-Park in höhere Sphären katapultiert. Jetzt wurde der Weinkenner zum Sommelier des Jahres 2024 gewählt.

Text: Harald Rudolf · Fotos: Jigal Fichtner

Sommelier in einem Freizeitpark? Ob er Wein an der Achterbahn verkaufen wolle? Das bekam der Restaurantleiter während seiner Ausbildung 2006 eingeschenkt. Die trockene Ansage amüsiert ihn noch heute. Das erzählt uns Vincenzo De Biase an diesem Frühlingstag in der Lobby des Hotel Colosseo, in dem die Fahrgeräusche bis nach drinnen dringen. Wie ein Wirrwarr an glücklichen Stimmen und Jubelschreien. Denn nebenan tobt im Europa-Park das Leben – aber hier in der Lobby ist es vergleichsweise still. 

Noch. In wenigen Minuten schließt der Park. Dann rollen die Gäste in die Hotels. Frisch machen fürs Abendessen. Der Sommelier, im Anzug und mit Namensschild am Jackett, schwirrt dann durch die drei Restaurants des Hauses, die er alle leitet. „Von Pizza bis gehoben“, wie er sagt, werden hier abendlich rund 800 Essen aufgetischt. Im gesamten Park sind es 3500. Vincenzo ist für alle sechs Hotels zuständig. Die Restaurantleiterkollegen der anderen Häuser sind seine Assistenten. Das Zwei-Sterne-Restaurant Ammolite führt hingegen einen eigenen Sommelier. Eine Service-Mitarbeiterin ist derweil unterwegs zu einem Tisch im Buffetbereich. Auf dem Tablett wippen Weizenbier und Cola. Den Wein, Vincenzos Hauptmetier, haben wir derweil noch nicht entdeckt …

Ein Petrus – nicht nur zum Anschauen …

Der Chef-Sommelier nimmt uns aber gleich mit in die Weinwelt des Parks. Die geschwungene Holztreppe zum angenehm temperierten Keller mit dem imposanten Namen Enoteca di Siena macht bereits Lust auf ein Schlückchen. Die Regale sind nach Regionen beschriftet, die Flaschen luftig gestapelt. Die teuerste Flasche – ein Château Pétrus für 4800 Euro – liegt hier nicht nur zum Anschauen. „Wir haben Gäste aus der Schweiz, Frankreich und viele Prominente“, sagt der Sommelier. Die ließen sich guten Wein auch mal was kosten. Lange verweilen können wir hier unten aber nicht. Vincenzo muss weiter. 

Über die Verkehrsstraße, an der junge Leute mit Rucksäcken an der Bushaltestelle auf die Heimfahrt warten, huscht der Sommelier auf die andere Parkseite. Er ist viel im Park unterwegs. 16 000 Schritte zählt sein Handy jeden Tag. Heute gegen 18:30 Uhr sind es gerade mal 6000. „Der Arbeitstag fängt ja auch gerade erst an“, sagt er dazu schmunzelnd. Manchmal komme es auch vor, dass er zu Stammgästen gerufen wird, die nicht im Colosseo speisen. Dann eilt er an deren Tisch, wenn es gerade machbar ist. „Wir sind Gastgeber“, sagt Vincenzo. „Da gehört das einfach dazu.“

In den vergangenen Jahren hat der Sommelier mit seiner Art viele Stammgäste gewonnen. Für manchen angekündigten Gast dekantiert er dann frühzeitig auch schon mal einen Wein im vierstelligen Bereich. „Aber selbstverständlich sind wir in erster Linie ein Familienhotel“, weiß Vincenzo – und kann die Gäste in den meisten Fällen auch sehr gut einschätzen. Etwa, ob jemand den Namen der Weine richtig aussprechen kann oder nicht. „Man merkt schnell, ob jemand Kenner ist oder sich im Urlaub etwas gönnen will“, sagt er. Geld ausgeben. Wenn so jemand einen alten, sehr teuren Wein bestellen will, rät er zu einem langsameren Start im zweistelligen Bereich. „Wenn der Gast dann am anderen Abend wieder Wein bestellt, habe ich gewonnen. Wenn er tags darauf Bier trinken würde, hätte ich verloren.“ 

Großer Park, große Weinkarte

Die Weinkarte im Park umfasst 350 Positionen. Sie zu studieren dauert länger, als ein Drei-Gänge-Menü zu verputzen. Es sind Weine aus aller Welt, ab 30 Euro aufwärts, vegane und histaminarme Produkte sind gekennzeichnet. „Der richtige Wein zum richtigen Moment“ – das ist Vincenzos Philosophie. Entsprechend groß müsse die Auswahl sein. Zum Beispiel, wenn der Wein ein lockerer Gesprächsbegleiter sein soll, da dürften Säure und Frucht harmonieren, findet der Profi. Für Events, Hochzeiten und Firmenfeiern, die im Park stattfinden, stimmt er die Weinauswahl ab. Im Restaurant werden die Weine dann aber nicht nur von ihm, sondern auch von geschulten Mitarbeitern empfohlen.

Die Weinkarte für eine Saison bestücken und nach der Saison auswerten – das geht der Sommelier dann zusammen mit den Winzern an. „Als Partner“, wie er betont. „Wir wollen langfristig zusammenarbeiten.“ Das schaffe gegenseitiges Verständnis und Kontinuität für den Gast. Als er im Freizeitpark mit dem Weinverkauf begann, gab es noch viele herkömmliche Weine, die Kunden auch schon aus dem Supermarkt kannten. Diese Zeiten aber sind vorbei. Bestellt und geliefert werden die edlen Tropfen aus Deutschland im Wochenrhythmus, die ausländischen palettenweise à 600 Flaschen. Mit sechs Hotels geht halt was. Da passt es, dass sein Büro im Keller des Colosseo direkt beim Lager und dem Wareneingang liegt. Hier beginnt sein Arbeitstag um 12 Uhr. Nach drei Stunden Büro ist er im Park unterwegs und pünktlich zum Abendessen im Restaurant. 

100 000 Weinflaschen im Jahr

Von ganz unten begann vor vielen Jahren auch sein Weg in die Weinwelt. Vom italienischen Heimatdorf in den Bergen der Region Basilikata, nicht gerade berühmt für Wein, kam er über Mailand nach Berlin. Dort, im Service des Ciao Italia tätig, verliebte sich der junge Vincenzo – im weißen Hemd, mit Weste und Jackett schon immer bella figura machend – in seine spätere Frau. Sie war die Küchenchefin in dem italienischen Lokal am Kurfürstendamm, stammt aber eigentlich aus Kenzingen. 13 Jahre führten die beiden ein Restaurant in Berlin. 2002 folgte der Umzug in die Heimat seiner Frau – und der Einstieg als Service-Mitarbeiter im Europa-Park. „Ich fühle mich in Baden zu Hause“, sagt der 57-Jährige. Vielleicht ja auch, weil die Region vieles mit seiner italienischen Heimat gemein habe. „Die Menschen beschäftigen sich mit Essen und Trinken. Das mag ich.“ 

Und auch in der Branche ist der Sommelier längst angekommen, das Renommee unter Kollegen hoch. 100 000 Flaschen Wein werden im Europa-Park übrigens im Jahr ausgeschenkt, um’s noch gesagt zu haben. Nicht schlecht für einen Sommelier an der Achterbahn …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 44 (3/2024)

Endlich ist draußen alles grün und das feiern wir in der neuen Ausgabe – mit neu interpretierten Spargelgerichten, knallroten Erdbeeren und den besten Rezepten für einen echten italienischen Aperitivo auf dem Balkon. Jetzt, wo die Urlaubssaison langsam losgeht, findet ihr bei uns jede Menge Ideen für Ausflüge und Abenteuer im Schwarzwald: vom Microcamping mit dem Camper Van auf außergewöhnlichen Spots über Fußballgolf bis hin zu Freilichtmuseen. Natürlich haben wir auch wieder spannende Persönlichkeiten aus der #heimat wie Zoodirektor Matthias Reinschmidt, den Offenburger Künstler Stefan Strumbel oder Europa-Park Sommelier Vincenzo De Biase für euch getroffen und ausgefragt.

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Egal ob Zelt, Van oder Wohnwagen

5 Geheimtipps für Camping im Schwarzwald

Ob am Wasser, im Wald oder hoch oben: Es gibt im Schwarzwald noch viele interessante Campingsspots für Kurzurlaube im Van oder Zelt ...    
heimat+ Strubels Traum

Kesselhaus Offenburg: Heimat loves you!

Baden-Baden hat das Burda-Museum, Basel die Fondation Beyeler und das Tinguely – und Offenburg Strumbels Kesselhaus
Wir sehen rot!

Die besten Rezeptideen rund um die Tomate

Wusstet Ihr, dass es 14 000 verschiedene Tomatensorten gibt? Wir erzählen, was wir mit unseren Favoriten machen
Ulf Tietge

Thumps up!

Unser Autor Ulf Tietge hat sich beim Footballspielen den Daumen gebrochen. Über sein Leben einarmiger Schwarzwald-Bandit
... Menschen Sommelier des Jahres 2024