Tauchen zur Entspannung
Wenn der 50-Jährige vom Tauchen erzählt, klingt es, als spräche er von Spaziergängen im Wald oder Yogastunden. Unter Wasser gebe es für ihn keinen Stress, manchmal staple er zur Entspannung einfach Steine am Grund des Flusses – und beobachte Fische. Friedrich kennt den Rhein gut; an Stellen, an denen er sich verengt oder gestaut wird, ist die Strömung so schwach, dass auch Anfänger unter Anleitung dort üben können. Viele Schüler der Tauchschule Hochrhein kommen aus der Schweiz nach Hohentengen, um sich auf einen Tauchurlaub vorzubereiten. Andere reisen mit dem Wohnmobil an und buchen einen Schnupperkurs. Sieben Lehrer sind derzeit im Nebenerwerb in der Tauchschule mit eigenem Shop aktiv, die Nachfrage sei gut, sagt der Chef.
Der Rhein hat das ganze Jahr über Saison. Im Dezember steht für die Taucher der Region das traditionelle Christbaumversenken an – eine Weihnachtsfeier in bis zu zehn Metern Tiefe. Im Frühling suchen Friedrich Schäuble und seine Tauchkollegen Ostereier unter Wasser. Auch Rheinputzeten stehen auf dem Kalender. „Wir haben hier schon viele interessante Sachen gefunden“, erzählt er. Eine Legende im Ort ist bis heute ein Taucher mit Spitznamen Bombenmüller, der in den 1980er-Jahren eine Granate aus dem Wasser fischte und sie dem deutschen Zöllner auf den Tresen legte …
Auch ohne Aussicht auf so viel Action bin ich vor meinem ersten Tauchgang ausreichend aufgeregt. Zum Glück geht es vorher zum Üben ins Freibad – wo übrigens auch Friedrich einst bei einem Schnupperkurs das Tauchfieber packte. Etwas Druck kann beim ersten Mal offenbar nicht schaden: ich selbst habe in der Umkleidekabine schon Probleme, mich in den Tauchanzug zu pressen. Das Neopren klebt auf der Haut und lässt sich nur Falte für Falte bewegen. Nach viel Zerren und Hüpfen bin ich völlig fertig, ohne dass ich auch nur einen Zeh in den Pool des Freibads Hohentengen getaucht hätte.
Am Beckenrand hat Friedrich die Ausrüstung vorbereitet und erklärt alles: Tarierweste, Tauchmaske, Atemregler, Druckluftflasche. Warum die von so vielen hartnäckig als Sauerstoffflasche bezeichnet wird, kann der Tauchlehrer nicht verstehen. Sie enthält nämlich einfach nur komprimierte Umgebungsluft. Leicht ist sie deswegen nicht. Die volle Montur fühlt sich an wie ein etwas überfüllter Rucksack auf einer Fernwanderung.
Los geht’s! Wie eine Schildkröte kippe ich vom Beckenrand ins Wasser. Dass ich mit dem Inflator meine Tarierweste aufblasen und mir so Auftrieb verleihen kann, erweist sich gleich als sehr bequem. Um abzusinken, wird die Luft abgelassen.
Mein Lehrer und ich knien uns für die erste Übung auf den Grund des Pools. Vielleicht zehn Zentimeter trennen mich so von der Wasseroberfläche, trotzdem sauge ich am Mundstück des Atemreglers wie eine Ertrinkende, höre nichts als Blubbern. Ich muss nach Sekunden wieder aufstehen und durchatmen. Eine reine Kopfsache, am Druck in der Flasche liegt es nicht. „Nimm mal den, der ist besser“, sagt Friedrich und zeigt auf den Ersatz-Atemregler an meiner Weste. Tatsächlich kriege ich plötzlich besser Luft. Ein Trick? „Es gibt gar keinen Unterschied zwischen den beiden, oder?“, frage ich nach der Übung. „Nein“, sagt Friedrich milde lächelnd. Im Wasser wirkt der 50-Jährige noch unerschütterlicher als hinter seinem Tresen – er weiß mit schwierigen Gästen und hyperventilierenden Tauchschülern gleichermaßen umzugehen.