Schwarzwälder Handwerkskunst: Woodcarving

Vom Schwarzwald schreiben, aber Angst vor der Säge? Geht gar nicht. Deshalb hat es Pascal jetzt von einem gelernt, der auf Weltniveau sägt

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Die Nadelbäume im Rücken, die große Wiese vor Augen. Unten im Tal liegt Triberg; Hornberg und St. Georgen sind nicht weit weg. Ein Anwohner sagt über diesen Freiplatz, dass hier „die Vögel singen.“ Ja, das stimmt, nirgendwo in der Welt singen sie schöner als hier und es gibt wohl kaum einen Ort in den schwarzen Wäldern, wo die Wolken sich so schön türmen und die Berge sich so wunderbar im Sonnenlicht zu blauen Linien gruppieren. Einfach ein idyllisches Plätzchen …

Dann aber: der Bär. Okay, echte Bären gibt es hier (noch) nicht, aber dieser Mann hat zumindest mal die Statur von einem. Er ist etwas über 1,80 Meter groß, enorm breit, seine Bewegungen sind extrem sparsam, seine Finger kurz, dafür kräftig. So hoch wie breit – so sagt man im Badischen über solche Mannsbilder.

Werner Brohammer (54) heißt dieser Bär von Mann und er stammt aus Hornberg. Unter dem Label Werners Holzfäller-Show kennt man ihn in der Welt. Er war schon Holzhacken in Neuseeland, Axtwerfen in Kanada und hat im Schuttertal und sonstwo Eulen, Adler und Bären gesägt. Als Deutscher Meister und Weltmeister. „Schnelligkeit und Präzision – auf das kommt’s an.“ Was er macht, läuft unter Carving, also Figuren sägen. In Langenschiltach liegt sein Trainingsgelände. Haben Sie die Freifläche weggesägt? Werner schüttelt lächelnd den Kopf. „Das war ich nicht, das war schon so.“ Aber man könnte es ihm zutrauen. 

Was er kann, hat er sich langsam aufgebaut. Peu à peu! Die richtige Säge sei dabei wichtig. Mit einer Elektrosäge würde es nicht gehen – die sei zu schwach. Fürs Carving nimmt er eine Säge mit Verbrenner, bei der die Kette etwas locker hängt. Die Säge darf nicht aggressiv ins Holz. Denn wenn er arbeitet, will er sich nicht auf die Säge konzentrieren, sondern auf das, was er macht. Ein Lieblingsthema oder -tier hat er nicht, Werner sägt, was gewünscht wird. In letzter Zeit hat er Lust auf Künstlerisches, zum Beispiel ein Herz aus Holz.

Malen, nur mit Rrrrmmmmmm!

Werner wurde nicht die Axt, aber die Liebe zur Axt in die Wiege gelegt. Sein Opa hatte es schon drauf. Sein Vater entdeckte als Rentner dagegen die Malerei. Von beiden hat er etwas geerbt: das Handwerk und die Vorstellungskraft. 

Werner wird die kommenden zwei Stunden mein Motorsägemeister. Sägen wir einen Bären? „Nein, eine Eule!“ Besser so, denke ich, lieber klein anfangen und dann langsam steigern. In zehn Jahren vielleicht. Werners größter Bär misst immerhin mehr als drei Meter!

Werner befestigt die Baumstämme. Die Halterung wird „Stand“ genannt. Dafür werden drei eiserne Haken in den Baumstamm gekurbelt, so hebt’s, wie man auf gut Badisch sagt. Werner drückt mir eine sehr große Axt in die Hand und meint, ich solle den Baum entrinden. Von einer Axt war nie die Rede ... Zum letzten Mal ein Beil in den Händen gehalten habe ich mit 15. Damals im Zeltlager, als ich noch kräftiger und furchtloser war. 

Ein Baumstamm ist nicht aus Zucker, aber ich vielleicht schon. Also probiere ich mal vorsichtig, hacke ein bisschen auf der Rinde rum – was definitiv nichts bringt. Also probiere ich es mit etwas mehr Kraft und schon steckt die Axt im Stamm. Dabei sollte ich doch die Rinde entfernen. Learning by doing eben. Tatsächlich fallen auch mal größere Placken ab, der Baumstamm wird langsam nackig und zum Schluss liegt die Rinde auf dem Boden (und kommt später auf einen großen Berg). Werner kommt leise heran, schaut auf meinen Stamm und nimmt mir wortlos die Axt aus der Hand. In circa 90 Sekunden hat er an seinem Stück Holz die Rinde abgehackt. Einhändig! Schon dafür würde ich eine Goldmedaille geben. 

Anschnallen und Motor starten

Die Eule. Er macht’s vor, ich soll es nachmachen. Er ist der Lehrer, ich sein Schüler. Wie kriegt man die Motorsäge an? Es gibt einen Plastikknopf, Primer genannt, den muss ich drücken. So wird Benzin in den Vergaser gepumpt. Dann muss ich den Seilzugstarter ziehen. Fest, einmal, zweimal, dann nochmal und mit etwas Verzögerung brummt die Maschine. Aber das Sägeblatt macht nichts. Erst, als ich mit der rechten Hand am Griff drücke, kommt Leben in die Bude. Wie die vibriert! Ich traue mich gar nicht durchzudrücken und schaue Werner zu, wie er den Stamm bearbeitet. Im oberen Drittel nimmt er links und rechts was ab. Ich tippe, dass das der Schnabel sein wird. Ich probier’s auch, aber fast nehme ich zu viel ab. Nein, es ist zu viel. „Was weg isch, isch weg“, fällt mir ein. Werner sagt’s dann genauso und rät mir zur Vorsicht. Die Kunst sei: nicht zu leicht und nicht zu stark, nicht zu viel und nicht zu wenig und rappeln und rupfen darf es auch nicht. Werner rettet den Schnabel, bessert hier was aus und dort. Eine Eule ohne Schnabel? Geht ja gar nicht. Den Kopf soll ich in Form bringen, säge zwei schiefe Ebenen in die Schädeldecke der Eule. So langsam dämmert es mir, das sind ja dann die Ohren! Dabei kommt die Holzmaserung sehr hübsch heraus. Wow!

Formen ohne Kraft

Das Holz lässt sich sehr leicht bearbeiten. Tanne? Nein, es ist Douglasie, aber auch Pappel würde gehen. „Die wird unterschätzt“, sagt er. Auch Zeder und Eiche sind dafür geeignet. Wir sägen weiter und immer wieder, stelle ich fest, dass ich null Ahnung habe, wie ich die Säge halten soll. Gehe ich mit dem linken Arm nach oben oder mit dem rechten? Oder greife ich gar um? Nein, auf keinen Fall! Werner zeigt es mir, mal muss ich von oben sägen, dann wieder von unten. Oft bleibt mein Schwert (auch Schiene genannt) stecken. Woran liegt’s? Ich gebe zu wenig Gas. Vollgas? Werner nickt und siehe da, mit Vollgas geht es tatsächlich viel leichter. Dabei fliegen mir die Späne um die Ohren. „Wie in Butter“, stelle ich fest. Fürs Sägen brauche man keine Kraft, erklärt mir Werner. Was ist, wenn ich stolpere, wenn ich ausrutsche?

Wird das letzte Kapitel dieser Geschichte mit Blut geschrieben statt mit Tinte? Nein, so weit kommt es nicht. Ich trage eine Spezialhose, in die Metallfäden verwoben sind. In ihrem Netz würde das rotierende Sägeblatt steckenbleiben, nichts weiter würde passieren. Falls man sich doch mal schneidet, wäre das aber sehr schlecht. Der Notarzt müsste zuerst die Hautfetzen begradigen, sprich abschneiden und dann die Haut heranzurren. Erst dann könnte er flicken. Aber ich bin ohne Sorgen. Also fast. Denn sobald ich mal wieder nicht weiter weiß, steht Werner neben mir und hilft. In welche Richtung wird die Eule schauen? Mit einem dicken Stift zeichnet er mir die Augen auf und ich säge sie aus. Diese Eule wird ein Unikat! Dann gibt die Säge den Geist auf. Hab’ ich sie geschrottet? Nein, das Benzin ist nur alle. Ich genieße die zwei Minuten, in denen ich die Motorsäge nicht halten muss. Nach einer Stunde Sägerei fühlen sich die vier oder fünf Kilo wie zehn an. So viel zum Thema: Fürs Sägen braucht man keine Kraft.

Wie mit dem Finger durch Milchschaum

Jetzt muss das Federkleid gesägt werden. Werner nimmt seine italienische Motorsäge und sägt mit leichtem Schwung einen Bogen ins Holz. Nichts splittert ab, die Linie ist perfekt. Bei Werner schaut es so aus, wie wenn man mit einem Finger durch Milchschaum zieht. So wunderbar leicht. Bei mir splittert es und der Bogen hat Ecken. Wie macht er das? Warum mache ich das so? „Das geht nicht aus dem Stand heraus. Üben! Üben! Üben!“

Um Konturen reinzubringen und auch die Krallen auszuformen, muss ich von oben nach unten sägen und manchmal auch nur mit der Schwertspitze leicht draufhalten. Dann wird die Säge zur Feile und im Kontakt mit dem Holz gibt sie Töne von sich wie ein hungriges Vögelchen. Es klappt. Dann muss ich noch die Federn einsägen, da mal kurz senkrecht ins Holz rein und dort kurz ins Holz rein, hier einen kleinen Bogen und dort den nächsten. Der Vogel darf auch keine Ecken haben, denn welcher Vogel ist schon eckig? Also muss ich von der Oberfläche die Kanten abnehmen. Mache ich so weiter, dann habe ich zum Schluss keine Eule, sondern einen Kranich, befürchte ich. Aber Werner nickt. Ende gut, alles gut. Der Vogel ist dann doch rund, er hat einen Schnabel, Augen, zwar etwas traurig und nicht dort, wo sie sein sollten, aber immerhin alle zwei. Ich bin glücklich – und verschwitzt. Bei Werner glänzt keine Schweißperle auf der Stirn. Die rote Gesichtsfarbe hatte er vorher schon. „Die Kondition kommt von alleine“, sagt er. Wir schweigen beim Bier. Endlich Stille. Nur die Vögel singen. 

Carving-Champ

Der gelernte Forstwirt Werner Brohammer (54) stammt aus Hornberg, wo er heute noch lebt. Seit er 19 Jahre alt ist, nimmt er an Carving-Wettbewerben teil. Sein bisher größter Erfolg ist der Guinness-Weltrekord im Holzfäller-Triathlon. 2019 machte er in Kanada Platz 1 im Figurensägen. Ist das ein gefährliches Hobby? „Ich habe keine Angst, aber Respekt“, sagt er.

Für Anfänger gibt es Einführungskurse in die Motorsäge fürs Bäumefällen und Brennholzsägen: www.werner-brohammer.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 28 (5/2021)

#heimat, Ausgabe 28 (5/2021)

Menschenskinder, ist das schön bei uns! Wir sind in dieser Ausgabe dann mal weg. Campen in den herrlichsten Ecken des Schwarzwald. Und Kochen in der freien Natur – mit Chefkoch Vincent! Zudem geht’s ins Murgtal, zu den Craft-Cider-Machern nach Unterkirnach und zum Kettensägen-Weltmeister nach Hornberg.

Lecker Essen und Trinken haben wir natürlich auch wieder: Zum Beispiel die ersten Rezepte aus unserem neuen #heimat Backbuch Schwarzwald Reloaded 3. Oder köstliche Drinks mit Obstbränden aus dem Schöllmanns in Offenburg. Ihr wollt noch mehr? Haben wir!

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