Roland Schöttle im Interview

Den Naturpark Südschwarzwald gibt es seit 25 Jahren. Aber was passiert eigentlich im Haus der Natur auf dem Feldberg? Das weiß Geschäftsführer Roland Schöttle

Text: Jana Zahner · Fotos: Pascal Oertel

Von Emmendingen bis nach Lörrach, von Villingen-Schwenningen bis nach Stühlingen: Der Naturpark Südschwarzwald, mit 394 000 Hektar der zweitgrößte Naturpark in Deutschland, feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Wir haben Geschäftsführer Roland Schöttle im Haus der Natur auf dem Feldberg getroffen, das neben der Naturpark-Geschäftsstelle auch das Naturschutzzentrum Südschwarzwald samt Ausstellung beherbergt. Warum seine Mitarbeiter immer wieder am Telefon Insekten bestimmen müssen und was es mit dem Naturpark-Eseltaxi auf sich hat, verrät uns der 60-jährige Förster im Interview …

Herr Schöttle, bei Ihnen soll es immer wieder kuriose Anrufe geben, weil Leute den Namen „Haus der Natur“ großzügig interpretieren …

Ja tatsächlich, heute erst hat ein Wanderer angerufen: Er habe eine Ameise in seinem Trinkbecher gefunden, wie er damit umgehen soll? Er hat nicht nur einen, sondern gleich drei unserer Mitarbeiter angerufen und jeweils eine halbe Stunde ausgefragt. Das ist manchmal etwas anstrengend, andererseits freuen wir uns natürlich, wenn die Menschen sich mit ihren Fragen an uns wenden.

Das Haus der Natur ist also ...

... eine große Bildungseinrichtung auf 1280 Metern Höhe, in die jährlich zwischen 70 000 und 90 000 Menschen kommen, die unsere Ausstellung besuchen, im Naturschutzgebiet Feldberg an Führungen teilnehmen oder einfach nur auf die Toilette müssen (lacht). Wir kümmern uns hier auf dem Feldberg quasi um alle Bedürfnisse.

Wie unterscheidet sich der Naturpark von einem Nationalpark?

Beide sind Großschutzgebiete nach dem Bundesnaturschutzgesetz, aber mit unterschiedlichen Zielen: Beim Nationalpark geht es darum, Natur Wildnis werden zu lassen, ohne menschliche Eingriffe. Im Naturpark dagegen geht es um den Erhalt der Kulturlandschaft, das Miteinander von Natur und Mensch. Im Südschwarzwald haben vor gut 1000 Jahren Siedlungen rund um Klöster wie St. Blasien oder St. Trudpert den Wald zurückgedrängt. Seitdem bestreiten Menschen hier im Mittelgebirge ihren Lebensunterhalt unter eher harten Bedingungen, mit kargen Böden und langen Wintern. Ihre traditionelle Art der Bewirtschaftung, ohne Spritzmittel und Kunstdünger, hat eine Landschaft von hohem naturschutzfachlichem Wert geschaffen.

Aber sind Natur-und Kulturlandschaft nicht Gegensätze?

Nicht unbedingt. Wenn wir uns den gesamten Schwarzwald ansehen, dann haben wir zu 99 Prozent eine vom Menschen beeinflusste Natur – die durch manche Maßnahmen, wie etwa die Beweidung durch Hinterwälder Rinder, stellenweise sogar eine höhere Artenvielfalt aufweist als beispielsweise ein Buchenwald am Kandel. Entscheidend ist, wie das Land genutzt wird – angepasst und mit wenig Input. Wenn unsere Naturschützer auf Gemeinschaftsweiden im Hochschwarzwald unterwegs sind, leuchten ihre Augen, denn dort finden sie Pflanzen, die man sonst nur in höheren Alpenlagen findet. Deswegen ist es uns so wichtig, die Landschaft im Südschwarzwald offenzuhalten. Wenn man hier bei einem der insgesamt
55 Naturpark-Wirte, zum Beispiel dem Hotel-Restaurant Sennhütte im Kleinen Wiesental, ein Hinterwälder-Steak isst, betreibt man Landschaftspflege mit Messer und Gabel ...

Stichwort Landschaft. Ihr persönlicher Lieblingsort?

Der Belchen. Wenn man da so hoch oben auf dem Berg steht und Richtung Basel schaut, das spricht die Seele schon sehr an. Unser Job ist, den Berg als Naturschutzgebiet zu erhalten und die touristische Faszination in die richtigen Bahnen zu lenken – damit auch noch unsere Kinder und Kindeskinder diesen Berg gut erleben können.

Wie wird die Arbeit, die Sie als Naturpark leisten, für den Touristen oder den Einheimischen erlebbar?

Zum Beispiel, wenn er auf den Wanderwegen unterwegs ist oder Mountainbiketouren fährt, die alle vom Naturpark mitentwickelt wurden. Man kann auch als Voluntourist bei uns in der Biotoppflege mitarbeiten, invasive Pflanzenarten in der Wutachschlucht entfernen und vieles mehr ...

Wie kam es eigentlich vor 25 Jahren zur Naturpark-Gründung?

Unser Zentrum ist auf dem Feldberg, aber der Anstoß kam aus dem Landkreis Waldshut. Angesichts von Herausforderungen wie dem Höfesterben, dem Verlust an Naturschutzflächen und dem Rückgang an Touristen und Einwohnern im Südschwarzwald wollten die Kommunen diese Probleme gemeinsam mit Interessengruppen wie Landwirten, Naturschützern und Sportverbänden angehen.

Landwirte und Naturschützer sind sich ja nicht immer ganz grün. Wie gelingt bei Ihnen das Miteinander?

Grundsätzlich haben die Landwirte hier im Mittelgebirge eine Wirtschaftsweise etabliert, die der Naturschutz in weiten Teilen für gut hält. Hier kann man nicht viel Dünger in die Fläche bringen – der Boden kann das nicht umsetzen. Natürlich gibt es auch Konfliktthemen wie den Wolf. Als Naturpark verstehen wir uns als unparteiischer Impulsgeber, versuchen, wo es geht, zu vermitteln: zum Beispiel mit einem Herdenschutzprojekt zusammen mit dem Bauernverband und der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind, auf das wir sehr stolz sind. Ein Herdenschutzberater begleitet 15 Modellbetriebe und probiert aus, wie Herden effektiv vor dem Wolf geschützt werden können. Unsere neutrale Rolle ist nach 25 Jahren in der Region sehr akzeptiert. Wir merken das daran, dass wir immer wieder angefragt werden, bei unterschiedlichen Themen zu moderieren, etwa bei Sommernutzungskonzepten am Feldberg.

Die Städter wollen sich auf dem Land erholen, die Dörfler vom Land leben. Auch nicht immer einfach ...

Die Lebensrealitäten in den Dörfern und in einer Großstadt wie Freiburg sind schon sehr unterschiedlich. Auch da können wir vermitteln und sensibilisieren, zum Beispiel mit Exkursionen zum Thema Wolf. Wir holen auch das Dorf in die Stadt, etwa mit unseren Naturparkmärkten, wo seit 20 Jahren regionale Produkte angeboten werden. In unseren Naturpark-Schulen lernen Kinder, wie ihre Nahrungsmittel produziert werden, und in unserer Naturpark-Kochschule, wie man nachhaltige Gerichte zubereitet.

Sie sind viel im Naturpark unterwegs. Gibt es eine Anekdote, an die Sie auch nach 20 Jahren als Geschäftsführer gerne zurückdenken?

Heute war eine Dame hier, mit der ich vor fast 20 Jahren ein lustiges Erlebnis hatte. Sie wollte mit ihrem Esel zum Naturpark-Markt in Villingen, aber ihr Transport ist ausgefallen. Weil ich der Einzige mit Anhängerkupplung war, habe ich sie spontan hingefahren. Jetzt hat sie mir erzählt, dass der Esel danach nie wieder in einen Anhänger steigen wollte – ich hoffe, das lag nicht an mir ...

Der Naturpark in Zahlen

115 Gemeinden, 5 Landkreise, 16 Vereine und Verbände sowie der Stadtkreis Freiburg bilden den Naturpark Südschwarzwald – eine Region mit 717 283 Einwohnern. Zum Team gehören neben den derzeit 21 Naturpark-Mitarbeitern auch hunderte ehrenamtliche Helfer.

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