Wie in Sulzburg Stiefel aus heimischen Leder entstehen

Stiefel und Taschen aus Häuten von hier: Laura Mosers Werke bleiben ihren Trägern jahrzehntelang treu. Wir haben der Schuhmacherin aus Sulzburg über die Schulter geschaut  ...

Text: Dominik Bloedner Fotos: Marcia Friese

Sie hat gut eingeheizt. Der Holzofen knistert angenehm, die Kälte weicht langsam aus der kleinen Werkstatt unterm Dach des alten Gemäuers. Im Winter dauert es schon einmal zwei bis drei Stunden, bis Laura Moser hier anfangen kann zu arbeiten. Es riecht nach Leder. „Jedes Mal beschleicht mich hier ein wohliges Gefühl“, sagt die 31-jährige Schuhmacherin. An den Wänden verteilt die Maschinen, alle haben bereits mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel. Laura hat das meiste bei einer Werkstattauflösung bekommen: die Ausputzmaschine zum Bearbeiten der Leisten, die Sohlenpresse und industrielle Nähmaschinen der altehrwürdigen Marke Adler. An der einen Wand hängen ihre Werke: Damenhandtaschen aus Leder und Gürteltaschen für Werkzeuge. An der anderen Wand stapeln sich die hölzernen Leisten. In einem Regal stehen Schuhe, fertig oder auf dem Weg dorthin, und Sandalen. Alles produziert mit Handarbeit und pflanzlich gegerbtem Bio-Leder.

Wenn man vor das Haus tritt, in dem sich die Schuhmacherwerkstatt befindet, kann man noch die verblichene Inschrift Gasthaus Krone erkennen, über dem Eingang zur ehemaligen Wirtschaft steht das Jahr 1798. Laura, ihre drei Töchter, zwei, fünf und zehn Jahre alt, und ihr Partner leben hier in Sulzburg im Markgräfler Land seit gut drei Jahren mit anderen Menschen in einem selbstverwaltetem Wohnprojekt des Freiburger Mietshäusersyndikats. 13 sind es insgesamt. Getrennt wohnen, zusammen leben, in der ehemaligen Wirtsstube und in der Küche, die fast noch so aussieht wie in den 1950er-Jahren, trifft man sich. Wie sie hierherherkam? „Ich bin eigentlich immer meinem Herzen gefolgt“, sagt die Frau mit Nasenring und großen braunen Lederstiefeln. Was für den Beruf gilt wie auch fürs Private. Sie wächst auf in Schwäbisch Hall, macht Abitur und arbei

tet danach in vielen verschiedenen Jobs, die ihr alle etwas geben, in denen sie aufgeht: in einer Töpferei, einer Holzofenbäckerei, auf dem Wochenmarkt oder in einer Kaffeerösterei. „Ich habe mich von gesellschaftlichen Erwartungen losgelöst und ganz viele Sachen ausprobiert.“

Dass sie nun in Sulzburg den Spagat zwischen Familie und Selbstständigkeit meistert und Menschen für ihre Lederwaren begeistert, liegt an einem Praktikum in Karlsruhe. „Dann war klar, was ich machen will, es fühlte sich nach mir an.“ Sie bekommt eine Lehrstelle in Freiburg beim Schuhmachermeister Feri Braun, der auf handgefertigte Maßschuhe spezialisiert ist. Und sie zieht deshalb vor knapp sieben Jahren vom Schwäbischen in den Breisgau. „Ich habe alles aufgesaugt und unheimlich viel gelernt“, sagt sie.

Fast Fashion an fast allen Füßen: Schuhmacher zählen hierzulande zu den aussterbenden Handwerksberufen. Laura dagegen erschafft schöne, zeitlose und praktische Wegbegleiter. Was sie seit Anfang umgetrieben hat, ist die Herkunft des Leders. „Es gibt in der Regel keine transparente Kette. Man weiß nicht, wie die Tiere gelebt haben und wie sie geschlachtet wurden. Pflanzliche Gerbung ist auch nicht mehr häufig.“ Laura recherchiert, telefoniert, fährt hoch ins Kleine Wiesental, wo seit 2018 eine mobile Schlachteinheit zugelassen ist, „Schlachtung mit Achtung“ nennt sich die Initiative. Das Rind stirbt dort, wo es gelebt hat, der Stress auf der Fahrt zum Schlachthof entfällt. Die Schuhmacherin sammelt zu Beginn dort Häute ein, salzt sie, macht sie haltbar und fährt sie dann zu einer Gerberei in Tuttlingen, wo statt mit Chrom und Chemie mit pflanzlichen Tanninen gegerbt wird. Zeitaufwendig für eine dreifache Mutter.

Heute arbeitet die Ledermacherin mit dem Hof Uria aus Balingen im Zollernalbkreis zusammen. Dort leben die Tiere das ganze Jahr im natürlichen Herdenverband, die Kälber bleiben bei den Müttern, getötet wird auf der Weide. „Das ist das bestmögliche Leben für die Tiere“, findet Laura. Die Häute gehen nach wie vor nach Tuttlingen in die Gerberei, danach in die Sulzburger Werkstatt zur Verarbeitung. „Ich kenne also den ganzen Prozess.“

In der Werkstatt türmen sich Tierhäute, die bald wieder laufen werden. Wie ihr Lehrmeister Feri Braun macht Laura vor allem Maßanfertigungen, das sind 40 bis 60 Stunden Handarbeit pro Paar Schuhe, und die kosten dann zwischen 2000 und 3000 Euro. Wer kauft so was? „Es geht um Prioritäten. Andere Menschen kaufen sich ein Auto oder leisten sich einen teuren Urlaub. Ein maßgefertigter Schuh ist etwas sehr Langlebiges, 20 Jahre hält er auf jeden Fall. Das ist auch eine Frage der Nachhaltigkeit, und Leder altert nun mal total schön.“

200 Arbeitsschritte bis zum fertigen Schuh

Was sind die Arbeitsschritte? Erst Maß nehmen am Fuß, dann überlegen, was für ein Schuh es sein soll, und das Leder auswählen. Laura raspelt und schleift den hölzernen Rohleisten mit der Hand und an der Ausputzmaschine, bis aus ihm eine Kopie des Fußes wird. Dann baut sie einen Probeschuh. Wenn alles stimmt, geht es an den Bodenbau des Schuhs und den Schaft. Leder zuschneiden, kleben, nageln, nähen, Ösen machen, Gummisohle anbringen – nach gut 200 Arbeitsschritten ist der Schuh fertig.

Im Sommer veranstaltet Laura Sandalen-Workshops: Interessierte aus ganz Deutschland kommen, sitzen im Hof der Wirtschaft und in der Werkstatt und fertigen sich unter Anleitung ihren Schuh. „Inspirierende Begegnungen“ sind das für die Handwerkerin. In diesem Jahr will sie zudem mehr eigene Sandalen machen und einen Schnürstiefel in drei Weiten pro Größe herstellen, der vorab bestellt werden kann. Viel Arbeit. Bei den Maßschuhen hat sie ohnehin mehr Anfragen, als sie bedienen kann. Heute Vormittag hat sie noch knapp zwei Stunden Zeit, dann kommen die Mädchen aus der Kita und der Schule. Und inzwischen ist es auch warm in der Werkstatt …

Lauras Werkstatt findet ihr in der Hauptstraße 11 in Sulzburg. Und auf Instagram: @_lauraschnittstelle_

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