Ein Körbchen voll Glück: Pilze sammeln im Schwarzwald

Was für ein sensationelles Pilzjahr! Auf der Zielgeraden der Saison schwelgen wir noch einmal im Überfluss des Waldes 

Text: Ulf Tietge · Fotos: Pascal Oertel

Noch ein paar Tage. Dann wird Daniel Fehrenbacher das Körbchen wieder gegen die Flinte tauschen. Noch aber ist der Wald voll mit Pilzen, gerade der Schwarzwald, und so ignorieren wir an diesem herrlichem Herbstsonntag Wildwechsel wie Wildschweinsuhlen, gucken über Verbissspuren hinweg und genießen es einfach, dass der Waldboden dicht an dicht voller Pilze steht. Pfifferlinge hat es in diesem niederschlagsreichen Jahr seit Monaten ohne Ende, aber jetzt sind auch die Röhrlinge am Start, die Parasole und krausen Glucken, die Semmelstoppelpilze, die Reizker und viele, viele mehr! 

Ich liebe diese Jahreszeit! Denn Pilzesammeln – das ist für mich wirklich Heimat. Ist ja eine Frage, die man oft beantworten darf, wenn man beruflich mit Heimat Schwarzwald zu tun hat und nicht von hier stammt. Was ist für dich Heimat? Ein Gefühl? Blöde Antwort, weil das alle sagen und es nichts aussagt. Ich mein: Männer und Gefühle, das ist ja eh so ein Thema für sich. Aber wenn man am Sonntag freiwillig früh aufsteht und in Offenburg an der Bäckerei Glatz vorbeifährt, ausnahmsweise ohne Brötchen zu holen. Wenn man die Musik aus dem Autoradio auf dem Lenkrad mitspielt und die Bergstiefel wippen lässt, wenn man das Messer schon im Sack hat und die Körbe im Kofferraum: Dann ist es wieder so weit! Auf in die Pilze. Bewusster und schöner kann man Zeit im Schwarzwald gar nicht genießen!

Von Juli bis Ende Dezember gibt es bei uns so viel zu entdecken, zu finden, bestaunen und zu verarbeiten, dass ich von einem Waldauto träume und mir Jahr für Jahr vornehme: Im nächsten Herbst wird weniger gearbeitet! Verpass nicht wieder die Saison! Und dann wird’s doch wieder Winter und wenn einmal richtig Schnee gefallen ist, ist’s vorbei mit der Herrlichkeit …

Bis dahin aber sind es hoffentlich noch vier Wochen. Und Herbsttrompeten hab ich auch an einem vierten Advent schon gesammelt, und wer in den einschlägigen Pilzforen auf Facebook unterwegs ist, der lernt schnell, wie viele Spezis es gibt, die auch im Januar noch was finden. Die aus dem Supermarkt bekannten Austernseitlinge zum Beispiel oder die büschelig an Bäumen wachsenden Samtrußrüblinge, die wirklich komplett frostresistent sind …

 

Wo sind die Steinpilze?

Heute aber wollen wir noch einmal Steinpilze finden. Und die gibt’s glücklicherweise fast im ganzen Schwarzwald zu entdecken. Alter Baumbestand ist nicht schlecht und natürlich sollte es weder zu steil noch zu steinig sein. Ansonsten gilt: Nach Fliegenpilzen Ausschau halten! Wo die giftigen roten Dinger mit den weißen Punkten stehen, verstecken sich (fast immer) auch leckere Steinpilze. Bei uns ist es heute Daniel, der die besseren Augen hat und nach drei Minuten mit dem ersten Herrenpilz in der Hand wieder aus dem Unterholz auftaucht. Wie schnell der Kerl eben die Böschung hoch ist! Auf locker acht Meter hat er den braunen Pilzhut gesehen, und das ist etwas, woran man einfach merkt, wenn jemand immer wieder im Wald ist. Die Augen schießen sich auf Pilze einfach ein! Am Anfang der Saison, die ersten zwei oder drei Pilz-Safaris, ist das oft noch gar nicht so, aber jetzt im Oktober reicht es, wenn etwas bloß ockergelb oder samtig braun durchs Moos schimmert …

In meinem Umfeld gibt es auf der anderen Seite immer mehr Leute, die viel Respekt vor dem Wald haben und die nie auf die Idee kommen würden, Pilze zu sammeln. Kann man nicht schnell was verwechseln? Gibt es da nicht diese Monster-Zecken? Und was mach ich, wenn ein Wolf kommt? Die Entwicklung freut die Förster, da bin ich ziemlich sicher, und sie freut auch all jene, die ungern was abgeben. Ich dagegen find das schade. Denn der Schwarzwald ist so irre groß und so voller Pilze: Dieses Glück können wir teilen. Oder zumindest an die nächste Generation weitergeben. Ich würde jetzt auch nicht mit einer ganzen Klasse voller pubertierender Teenager in den Wald wollen – aber wenn man im Grundschulalter mit Söhnen oder Töchtern, Nichten oder Neffen, Enkeln oder einfach nur den Kindern von Freunden mal in den Wald geht, sind Handys sehr schnell vergessen! Ich liebe es, wenn ich in den Augen von Aaron und Neo das Jagdfieber blitzen sehe! Wie die beiden losrennen und dann ihren Fund stolz wie Bolle präsentieren: So war ich auch mal. Damals mit Opa Arno und Oma Ilse, die bei Steinhorst und rund um Ummern jeden Baum kannten. Jeden Herbst erinnere ich mich daran, wie das mit den beiden war, und (auch) dank dieser Erinnerung sind Oma und Opa für mich unsterblich. Heimat – das ist, wenn man in die Pilze geht. Wenn man sich Zeit nimmt. Wenn Augen und Gedanken schweifen, wenn das Büro plötzlich vergessen ist und dann irgendwo ein Hirsch röhrt oder ein Eichelhäher ruft. Kitschig? Mir egal! Ich bin überzeugt: Ein Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Berge.

Husch, Husch, ins Körbchen!

Wer nicht wie ich das Glück hatte, von Kindesbeinen an an das  Pilzesammeln herangeführt worden zu sein, für den gibt es im Schwarzwald zum Glück jede Menge Anlaufstellen. Das Pilzzentrum in Hornberg etwa, Pilzcoaches wie Nadja Frotscher-Kanka aus Badenweiler oder allerorten geführte Pilzwanderungen, bei denen man den Wald und seine Schätze unter Anleitung besser kennenlernen kann und zugleich sichergeht, dass kein Pantherpilz im Korb landet ...

Jetzt aber Schluss mit Schreiben! Da vorne steht schließlich eine ganze Gruppe von Riesenschirmlingen. Schnitzelpilz sagen manche dazu und es stimmt ja auch: Die Parasole sind paniert schon ziemlich lecker. Dass man daraus aber auch noch viel mehr machen kann, das zeigt uns Daniel Fehrenbacher aus dem Adler in Lahr-Reichenbach auf den nächsten Seiten. Denn er ist nicht nur Jäger und Sammler – sondern auch ein begnadeter Koch …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 47 (6/2024)

Wenn im Schwarzwald der Nebel über den Fichten aufsteigt und die Tage kälter und dunkler werden – dann heizen wir bei #heimat den Saunaofen an! In unserer neuen Ausgabe nehmen wir Euch mit zu den besten Wellness-Adressen im Schwarzwald und erzählen die bewegte Geschichte der historischen Bäder im Palais Thermal in Bad Wildbad – hier könnt Ihr baden wie einst Könige und Fürsten.

Dieses Jahr starten wir tiefenentspannt in die Weihnachtszeit. Kommt mit zu den schönsten Weihnachtsmärkten in der Region und ins Elsass – wo echte Rentiere durch die Vogesen streifen und Colmar sich in ein funkelndes Weihnachtsland verwandelt. 

Hungrig? Mit feinen Wildgerichten vom Grill, leckeren Pilzrezepten und Pasteten wird es mit der neuen #heimat ein Winter zum Genießen.

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