Der Ostweg – Von Pforzheim bis Schaffhausen

Auf dem Ostweg von Pforzheim nach Schaffhausen: 250 km Schwarzwald pur mit Natur, Kultur & Genuss.

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Start in Pforzheim – auf in den Nordschwarzwald

Eines Tages kam bei mir eine Postkarte ins Haus geflattert, darauf zu sehen: ein Haus am See und folgender Spruch: „Begib dich einmal im Jahr an einen Ort, an dem du noch nie gewesen bist.“ Gut gesagt. Wo also wandern? Auf Island? Von Berlin nach Moskau? Oder wie sagte schon Goethe – warum in die Ferne schweifen …? War ich schon mal im Nordschwarzwald? Kenne ich den Ostweg? Definitiv nicht. Also los!

Vom Park in den Wald

Besagter Weg beginnt in der Goldstadt Pforzheim und führt durch die Ferienregion Nördlicher Schwarzwald. Der Fernwanderweg endet in Schaffhausen am Rheinfall. Einige Städte wie Calw,
Alpirsbach oder Villingen liegen auf dem Weg. Gutes Bier, Kaffee und Kuchen, also Kirschtorte sind garantiert. Statt Schnitzel ist Rostbraten angesagt. 

Wo anfangen? Von Pforzheim kommend entscheide ich mich für die Kur- und Bäderstadt Bad Liebenzell mit ihrem großen Kurgarten. Hier gibt es einen guten Metzger, eine Bäckerei mit Café, dann einen großen Kurgarten mit Trinkhalle, Musikpavillon, einen Teich mit Enten und schwarzen Schwänen. Gleich kommt die Königin von Württemberg! Aber so war’s nicht immer. Bis 1604 wehte hier die badische Flagge auf der Burg. Die Höhe der Anlage (450 Meter) ist wie ein Wink mit dem Zaunpfahl: Auch der Ostweg kann steil sein. 

Das erste Abenteuer erwartet uns in der Wolfsschlucht. Das gelbe Schild mit dem Hinweis (eigentlich eine Warnung), dass es sich um eine alpine Strecke handelt, macht uns neugierig. Die Felsen sind groß, aber die Wege dazwischen schmal. Hier durchzwängen, dort einen großen Schritt wagen. Geschafft! An einer Stelle hat der Bach die Schlucht enorm ausgespült. Aber wo ist der Bach? Man hat ihn trockengelegt. Aus gutem Grund: Das Gelände ist so steil, dass hier und anderswo Überschwemmungen programmiert sind. Wichtig: Die Wolfsschlucht wegen Rutschgefahr besser nicht bei Regen gehen. Auch nicht die Schlucht abwärts gehen, das ist noch gefährlicher als bergauf. Und wer Wanderstöcke hat, sollte diese auch benutzen!   

Kloster Hirsau und die Fachwerkstadt Calw

Hirsau ist eigentlich nur ein kleiner Vorort von Calw. Aber ein besonders schöner! Das Kloster St. Aurelius wurde als Benediktinerkloster Peter und Paul im 11. Jh. zum größten Kloster Deutschlands. 1692 war's vorbei, denn die kriegerischen Franzosen fackelten nicht lange. Nur zwei Türme sind übrig, eine Kirche, Kreuzgang, viele Mauerreste, dazu noch ein Jagdschloss ohne Dach. Die leeren Fassaden halten nur dank Stahlträgern.

Das letzte Stück bis Calw ist schnell gemacht. Wirtschaften, die Anker und Schiff heißen, erinnern daran, dass früher mit Holz und Flößerei Geld gemacht wurde. Auf der Nikolausbrücke über der Nagold steht als Statue ein gut gelaunter Hermann Hesse (1877–1962). Der berühmte Schriftsteller („Steppenwolf“) war ein gebürtiger Calwer. Die nächste Pause findet im Biergarten des Wanderheims Zavelstein statt, aber geschlafen wird in Neubulach-Oberhaugstett. Das waren jetzt knapp 21 Kilometer, für die man – ohne Pause – sechs Stunden planen sollte.

 

10 Tipps für die zweite und dritte Etappe
  • das Café im Kloster Hirsau in der ältesten Turnhalle Württembergs
  • die sehenswerte Kirche Ernstmühl am Wolfspfad
  • das Caféhäusle mit belgischen Waffeln in Calw
  • der Panoramasteg in Calw
  • der Biergarten im Wanderheim Zavelstein
  • die Brezel von der Bäckerei Roller in Neubulach
  • Biergarten mit eigenem Bier im Rössle in Neubulach
  • das Café im alten Rathaus, Neubulach
  • Maultaschen im Rössle in Berneck
  • Flammkuchen und Vesper beim Bäck Schwarz in Altensteig

 

Das brauchst Du fürs Wandern!

Wanderstöcke, Blasenpflaster, Taschenmesser, Tempo, Handy, Landkarte, 1,5 Liter Wasser pro Kopf  mindestens, Energieriegel oder Landjäger, Kleingeld für Schnapsbrunnen und Bargeld für Kneipen ohne EC-Gerät, Sonnencreme, Hut und ein kleines Handtuch sowie Ersatz-Schnürsenkel, Zeckenzange …

Umwege, die sich lohnen

Oberhaugstett ist klein, charmant, unbekannt. Im Wappen sind zwei Hämmer, was auf die ruhmreiche Vergangenheit im Bergbau hinweist, die man im Bergbaumuseum bestaunen kann. Vor dem Calwer Tor steht an einer Tür „Bauernhof Eis“. Wo klingeln? Wer sperrt auf? Niemand! Einfach die Holztür aufmachen und links die Kühltruhe bestaunen. Ein kleines Eis kostet 2,50 Euro, ein großes (also echt groß!) 6 Euro. Es gibt auch noch Kartoffeln und, wie man riecht, Heu für to go. (Ideal für Pferdewanderer.) Hinter Stadtgraben und Calwer Tor liegen Bäcker und Biergarten (Rössle mit Hausbrauerei), Gärten und Vorgärten. Es ist verwinkelt und dank des Kopfsteinpflasters gefühlt wie vor 100 oder 200 Jahren. Aber alles frisch! Erst recht beim Bäcker Roller mit „Brezel zum Wegschmeißen“, wie ein Einheimischer weiß. Wenn man an einem Freitag durchwandert, brummt der Wochenmarkt. Dann ist fürs Vesper gesorgt. Für einen Städtleblick gibt’s den Turm. Den Schlüssel dazu hat der Rössle-Wirt. Beim Schild „Hockede“ werden wir stutzig. Was ist damit gemeint? Ein Hockede ist wie ein badischer Hock, also ein kleines Fest.  Vielleicht wird grad das Rettich- oder Schnitzelfest gefeiert? Das wäre einen Umweg wert!

„Für viele Leute ist der Ostweg noch ein Geheimtipp. Das finden wir gut. Es ist wirklich ruhig hier im Wald.“ Claudia Dirr, Rössle-Wirtin

Durch Berneck und Altensteig

Gebuckelt wird auf dem 13 Kilometer langen Weg nach Berneck. Er geht über Wiesen und an Feldern vorbei und streift Wart, einen Stadtteil von Altensteig. Vom Wanderweg sieht man schon die Berneck („ah, die Burg!“), aber der Weg geht nicht auf die Burg Berneck. Von hier könnte ich schnurstracks in die Wirtschaft, aber letztlich führt kein Weg vorbei und ich ächze die Steige hoch. Schöne Aussicht. Ah, der See! Hinter dem Schloss türmt sich eine knapp 40 Meter hohe „Kampfmauer“ empor. Ein Nachbar („nein, ich bin nicht der Schlossherr“) weiß mehr dazu. „Weil die Burg von oben (der Nachbar zeigt auf einen Buckel) beschossen werden konnte, haben sie zum Schutz die Mauer gebaut.“ Die ehemals zweitkleinste Stadt Württembergs hat aber noch einen weiteren Schatz: das Rössle.

Die Wirtschaft gehört zu den „Schmeck den Süden“- und „Naturpark“-Gasthäusern und ist auch beim „Wanderbaren Deutschland“ dabei. „Wir füllen Trinkflaschen auf, haben Blasenpflaster und Zeckenzange und Sie können bei uns sogar ihre Stiefel putzen“, sagt die charmante Wirtin Claudia Dürr. Was jetzt aber gebraucht wird, ist was Gscheites auf dem Teller. Als Versucherle steht hier die Maultasche auf der Karte, natürlich hausgemacht. Der Teig ist fester als gewöhnlich, die Füllung herzhafter. Da steigt der Speck in die Nase! Dazu braune Sauce und Kartoffelsalat. „Die Bauernbratwürste können Sie kalt essen, warm machen oder anbraten“, meint Koch Sebastian Kalliske. „Anbraten finde ich am besten, dann schmecken sie intensiv.“ Da hat er recht. So gut habe ich sie noch nie gegessen! Zum Abschluss kommt hausgemachtes Eis. Anstatt gleich weiterzuwandern, bleibe ich am See sitzen und schaue auf die Burg. Ah, die Burg!

Vorbei an Streuobst geht es dann bergauf in die Tannen. Nicht nur im Westen wachsen sie in den Himmel, auch im Osten werden sie groß und stark. Aber kaum hat man sich ans Steile gewöhnt, tritt man aus dem Forst und hat weiten Himmel und Landschaft vor sich. Ein süßlicher Duft von frisch gesägtem Holz liegt in der Luft.

Die Gassen von Altensteig

Jetzt habe ich sie endlich vor mir: die zwei Türme, bekannt als Himmel und Hölle. Ich bin endlich in Altensteig, der Stadt, die von fern wie das großartige Modell einer Märklin Eisenbahn ausschaut. Steht man aber mittendrin, sieht man nix außer Gassen und Treppen, Fachwerk und Dachgiebel. Auf einem Fachwerkhaus prangt eine goldglänzende Uhr, die mir sagt, dass es noch zu früh ist für die Wirtschaft Bäck Schwarz, die sich in einem 500 Jahre alten Haus befindet. Wie sagt man neuerdings im Ländle? Nett hier!

Würde ich weiterwandern, dann wäre ich bald in
der Kaffee-und-Kuchen-Stadt Freudenstadt, dann auf ein Bier in Alpirsbach, würde tags drauf eine römische Straßenstation entdecken, in der Ruine Waldau von der Ritterzeit träumen, fürstlich in Bad Dürrheim speisen, in Blumberg eine Tour mit der Sauschwänzlebahn machen und, und, und. Ich würde fluchen. Diese Steigungen! Aber ganz sicher, würde ich mich am Ziel, am Rheinfall in Schaffhausen, am Ende des Ostwegs, über die kalte, frische Luft freuen. Das mach ich dann aber ganz sicher im nächsten Jahr. Schließlich muss ich dann ja wieder an einen Ort, an dem ich noch nie gewesen bin. Und am Ostweg gibt es da ganz sicher noch einige Schätze zu entdecken …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 50 (3/2025)

2025 ist #heimat 10 Jahre alt geworden – und jetzt folgt die 50. Ausgabe! 
Es gibt noch mehr Gründe, den Schwarzwald zu feiern: Wir leben in einem Wanderparadies, um das uns die Welt beneidet. Ausgetretene Pfade? Gibt’s nicht. Unser Autor Pascal hat im Nördlichen Schwarzwald ordentlich Strecke gemacht und den Ostweg für Euch erkundet. Ein Geheimtipp für Fernwanderer. Zu sportlich? Dann lasst Euch von Wander-Influencer Hegefire für Microabenteuer in der #heimat begeistern, die im Herbst einfach Lust auf Draußen machen.

Energie dafür liefern leckere Kartoffelgerichte, Brot und Kuchen aus dem Backhäuschen und Cocktails aus selbst gesammelten Zutaten. Ihr liebt es, die Rezepte aus unserem Magazin nachzukochen, bräuchtet aber ein paar Tipps für noch mehr Spaß in der Küche? Wir zeigen Euch, wo Ihr im Schwarzwald richtig tolle Kochkurse machen könnt.

Außerdem waren wir bei der Verleihung des Kuckuck-Awards dabei. Danke an alle, die für ihre Genusshelden abgestimmt haben! Wir freuen uns darauf, Gastgebern, Köchen und anderen Genusshandwerkern noch viele Ausgaben weiter eine Bühne zu bieten. Seid dabei!

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