Offenburger Springerle

Springerle gehörten früher zu jedem Fest. Um hinter das Geheimnis der Anisplätzchen zu gelangen, haben wir Marion Jentzsch über die Schulter geschaut

Text: Nora Smets · Fotos: Michael Bode

Das Artforum in der Okenstrasse 57 ist weit entfernt von jenem Land, in dem das älteste Backmodel (mit einem offenen o statt einem kurzen geschlossenen wie beim internationalen Model) erfunden wurde. Fast 7000 Kilometer Luftlinie sind es von Offenburg bis Indien, wo die Menschen der alten Hochkulturen ihr Gebäck mit Bildmotiven verzierten.

Mit Bildgebäck kennt man sich allerdings auch hier gut aus. Über einen alten Industrieaufzug gelangt man in den obersten Stock der ehemaligen Zigarrenfabrik an der Okenstraße. Hinter einer unscheinbaren Metalltüre öffnet sich die Welt von Marion Jentzsch, die hier die Geschichte der Bildbackkunst fortschreibt und die besten Springerle der Stadt produziert.

Springerle sind traditionelle Anisplätzchen aus Eierschaumteig mit reliefartigen Verzierungen, die Kunsthistorikerin Marion Jentzsch zu allen denkbaren Festen reicht. Geburten, Hochzeiten, Jubiläen und christliche Feiertage versüßt sie mit den bildschönen Festtagskeksen. Entsprechend vielfältig sind die Muster der Model, mit denen Marion den Gebäckstücken ihre Gesichter aufdrückt. Es gibt Herzen als Versprechen für Liebe und Treue, Tiere und Obst als Symbolträger zur Geburt, Oster- und Weihnachtsmotive, Firmenlogos und historische Bauwerke. Die Anzahl der Model scheint endlos und kaum ein Profibäcker dürfte besser ausgestattet sein.

Die Kunstliebhaberin bevorzugt Formen aus Birnbaum, die ein Modelstecher aus Norddeutschland mit traditionellem Schnitzhandwerk für sie anfertigt. „Birnbaumholz ist schön hart, splittert kaum und die feinen Fasern richten sich nicht auf, wenn es beim Reinigen nass wird“, erklärt Marion und freut sich, dass beim ursprünglichen Material selbst die filigransten Linienführungen auf dem Teig sichtbar werden.

Während sich das Wort Model vom lateinischen Begriff modulus ableitet und mit Maß oder Form übersetzt wird, erschließt sich uns der Name der Anisplätzchen erst, als wir der Meisterin des Springerle-Backens über die Schultern schauen.

Nachdem die Eimasse nach 20 Minuten Rührzeit richtig schön schaumig ist, löst sie eine Messerspitze Hirschhornsalz in Kirschwasser auf und arbeitet es gründlich unter den Eischaum. „Hirschhornholz ist das beste Triebmittel, das ich kenne“, sagt Marion Jentzsch und weiht uns gleich in ihr zweites Geheimnis ein: „Damit die Springerle beim Backen Fü.le bekommen, also etwa auf die doppelte Höhe anwachsen, stippe ich jede Unterseite vorsichtig auf ein feuchtes Tuch. Erst dann schiebe ich sie in den Ofen.“ Und tatsächlich: Beim Backen wölbt sich der Teig vom Blech und springt geradezu aus dem Ofen heraus.

Bis heute werden Springerle nicht industriell hergestellt, da keine Maschine das notwendige Fingerspitzengefühl mitbringt, um das Model mit gleichmäßig viel Druck in die Teiglinge zu drücken. Entsprechend rar ist das Angebot.

In der Vorweihnachtszeit findet man Marions Springerle auf Weihnachtsmärkten der Region. Aber man kann sich natürlich auch ans Werk machen. Denn Springerle bringen nicht nur die ätherischen Anisaromen ordentlich zum Schwingen, sondern erfüllen auch alle Anforderungen an ein ideales Weihnachtsgeschenk: persönlich, selbst gemacht und wunderschön.

Back ma's

Marion Jentzsch ist eine Meisterin der Backkunst. 2005 gewann die Offenburgerin mit ihrem Zwetschgenkuchen den Backwettbewerb der Badischen Zeitung. 2009 schrieb die studierte Kunsthistorikerin ihr erstes Buch über Badische Kaffeehäuser und Kuchenrezepte, 2012 folgte ein Kinderbackbuch.

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