Mit dem Leichtflugzeug über den Schwarzwald

Schwarzwald-Pilot Michael Buck begeistert sich seit seiner Kindheit fürs Fliegen. Wir gehen mit ihm in die Luft 

Text: Daniel Oliver Bachmann Fotos: Henrik Morlock

Hier kommt ein Geständnis: Nachdem ich mich mit dem Schwarzwald-Piloten Michael Buck zum Rundflug verabredet hatte, nahm ich mir vor, den Klassiker von Reinhard Mey einfach zu ignorieren. „Über den Wolken / Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ – beschreibt das nicht ein Klischee? Dann erlebe ich gleich jede Menge Überraschungen: Als ich den Flugplatz Nagold erreiche, kann ich mit dem Auto quasi bis zur Rollbahn fahren. Hier empfängt mich kein Check-in-Generve, sondern wohltuende Stille. Die Rollbahn selbst besteht aus einer frisch gemähten Wiese. Und das Flugzeug ziehen wir locker aus dem Hangar. Das ist schon mal sehr viel Freiheit! 

Dazu strahlt Michael Buck eine Begeisterung aus, dass selbst Menschen mit Aviophobie Lust kriegen, mit ihm eine Runde zu drehen. Ich habe keine Flugangst, doch als er mich zu ein paar Flugzeugen im halbnackten Zustand führt, frage ich doch: „Sind die etwa aus Sperrholz? Dieses dünne Gerippe hält die ganze Kiste zusammen? Und nur über einen Metalldraht wird das Ruder betätigt?“ Ja, Ultraleichtflugzeuge erinnern an Maschinen, in denen Pioniere der Luftfahrt wie Elly Beinhorn oder Charles Lindbergh ihre Rekordflüge absolvierten. Michael Buck scheint ein direkter Nachfahre dieser technikbegeisterten und freiheitsliebenden Piloten der Zwanziger- und Dreißigerjahre zu sein – und er hat dasselbe Flugpionierslächeln.  

Was macht die Rakete im Rumpf? 

Ich darf ihm über die Schulter blicken, als er sorgfältig die Maschine überprüft. „Hier“, sagt er und weist in den Motor der C42 Ikarus. „Die Zündkerzen gibt es in doppelter Ausführung. Fällt eine aus, fliegen wir trotzdem weiter.“ Das hört man doch gerne. Klein und überschaubar ist der Motor, leistet aber stattliche 100 PS. „Die Ikarus ist der Volkswagen unter den Ultraleichtflugzeugen“, erfahre ich. Das mit dem Leichtgewicht ist übrigens wörtlich zu nehmen: Nur etwa 300 Kilogramm bringt das Flugzeug auf die Waage. Vollgetankt mit zwei Piloten an Bord dürfen es nicht mehr als 540 Kilogramm sein. „Auch wegen der Rakete hinten drin!“, sagt Michael Buck, und hat wieder dieses verwegene Lächeln auf dem Gesicht. Wie bitte? Wegen der was? Der Schwarzwald-Pilot öffnet eine Klappe am Rumpf der Ikarus. Dahinter verbirgt sich ein überschaubarer Kofferraum. Der ist prima geeignet für kleines Gepäck, wenn Michael Buck mit seiner Frau oder einem glücklichen Fluggast nach Sylt fliegt oder nach Frankreich oder einfach an den Bodensee zum Baden. Doch vor allem ist hier eine Rakete montiert als wichtiger Bestandteil des Fallschirm-Rettungssystems. Im Notfall zieht Michael Buck einen Hebel im Cockpit. Dann schießt die Rakete durch den Rumpf und entfaltet einen Fallschirm. Der ist mit der gesamten Maschine verbunden. Auf diese Weise schweben Pilot, Fluggast und Ultraleichtflugzeug sicher zur Erde zurück. „Das funktioniert?“, frage ich, weil diese Frage einfach gestellt werden muss. Der Schwarzwald-Pilot nickt und lächelt. „Hast du den Hebel schon mal gezogen?“ Der Schwarzwald-Pilot schüttelt den Kopf. Na denn. Hoffen wir, dass es auch heute nicht passiert. 

Das große Staunen

Stattdessen passiert der klassische Reinhard-Mey-Effekt, ich kann mich ihm einfach nicht entziehen: Wir klettern ins Flugzeug. Michael Buck betätigt einige Schalter – viele sind es nicht, das Cockpit jedes x-beliebigen Autos bietet mehr. Der Motor springt an, der Propeller dreht sich. Schon hoppeln wir über die Wiese, nehmen Fahrt auf – und dann kommt Magie ins Spiel: Die Ikarus überwindet die Erdanziehungskraft und hebt ab. Vor mir, über mir und unter mir wird die Welt plastisch, Hügel und Berge werden erkennbar. Obwohl ich den Schwarzwald wie meine Westentasche kenne, verliere ich rasch die Übersicht. Kein Wunder, schließlich habe ich ihn so noch nie gesehen. Ist das da unten Altensteig? Dort die Zuflucht bei Oppenau? Wie schnell das geht! Dann muss diese romantische Ecke hier das Wildschappachtal sein, eines meiner Lieblingstäler. Schon oft habe ich es durchwandert und dabei die stattlichen Gehöfte an den Steilhängen aus der Ferne bewundert. Jetzt kann ich sie ziemlich nah von oben bestaunen. Dass die Menschen vor Jahrhunderten ihren Lebensraum durch Brandrodung schufen, kann ich noch überall erkennen. Wie zum Beweis fliegt Michael Buck über Engelsbrand und Langenbrand; Orte, die diese Entstehung im Namen tragen. 

Überhaupt liest der Schwarzwald-Pilot viel besser als ich die Landschaft unter uns: Schon fliegen wir über Schramberg in Richtung Kalte Herberge, informiert er mich über das Funkmikrofon. Von dort geht es weiter zum Belchen. „Schau auch mal auf 10 Uhr!“, höre ich seine Stimme. Ich blicke nach links und staune. Majestätisch erheben sich die Alpen in der Ferne und locken: Kommt! Mit eurem Flugzeug sind wir gar nicht weit weg!  

Vom Wind getragen

Während ich mich nicht sattschauen kann an der Welt von oben, erzählt mir Michael Buck von seinem Werdegang als Pilot. Alles begann mit gefalteten Papierfliegern und selbstgebauten Modellflugzeugen. Er war fasziniert, wenn sich diese Fluggeräte in die Luft erhoben, um dem Diktat der Schwerkraft zu trotzen. Deshalb ist für ihn der Flug im motorisierten Flugzeug nur ein Teil der fliegerischen Wahrheit. Um noch intensiver das Fluggefühl eines Vogels zu empfinden, ist Michael Buck häufig im Segelflieger unterwegs. Ohne Motorenlärm vertraut er sich den Auf- und Abwinden an, um über Stunden hinweg enorme Strecken zurückzulegen. Ich erfahre von Hochwindsystemen und Luftwellen, die sein Segelflugzeug schon mal auf 7000 Meter Höhe tragen. Dort ist die Freiheit, von der Reinhard Mey singt, dann vollkommen – doch ehrlich gesagt, bin ich auch mit unserer Flughöhe zufrieden. 

Auf einmal liegt der Flugplatz unter uns. Ich hätte ihn nicht wiedergefunden. „Darfst du überall hinfliegen?“, spreche ich noch einmal das Thema Freiheit an. Im Prinzip ja, lautet die Antwort. Es gibt Beschränkungsgebiete wie internationale Flughäfen oder Städte. Nach Absprache mit dem zuständigen Tower darf Michael Buck sein Flugzeug auch dorthin steuern. Mehr Spaß macht allerdings der weniger überfüllte Luftraum. Als der Schwarzwald-Pilot die Maschine so sicher auf die Wiese setzt, wie ich mein Auto in die Garage fahre, kann ich seine Begeisterung für die Fliegerei gut verstehen. Wir schieben die Maschine in den Hangar und setzen uns auf einen Plausch ins Vereinsheim. Es ist tatsächlich ein Verein, der hier alles zusammenhält – inklusive blubbernder Kaffeemaschine wie im Song von Reinhard Mey: „Irgendjemand kocht Kaffee / In der Luftaufsichtsbaracke“. Hier kocht ihn der Schwarzwald-Pilot persönlich – daher gibt's zum Abschluss noch ein Geständnis: Nie schmeckte mir ein Kaffee besser als nach diesem Rundflug über unsere herrliche Schwarzwald-Heimat! 

Selbst mal abheben?

Wer selbst den Flugschein machen möchte, braucht eine fliegerärztliche Tauglichkeitsbescheinigung, dann folgen je 60 bis 80 Stunden Theorie und Praxis. Einen Überblick über die Flugvereine im Schwarzwald gibt's unter www.schwarzwald-tourismus.info/erleben/adrenalin/fliegen

#heimat Schwarzwald Ausgabe 44 (3/2024)

Endlich ist draußen alles grün und das feiern wir in der neuen Ausgabe – mit neu interpretierten Spargelgerichten, knallroten Erdbeeren und den besten Rezepten für einen echten italienischen Aperitivo auf dem Balkon. Jetzt, wo die Urlaubssaison langsam losgeht, findet ihr bei uns jede Menge Ideen für Ausflüge und Abenteuer im Schwarzwald: vom Microcamping mit dem Camper Van auf außergewöhnlichen Spots über Fußballgolf bis hin zu Freilichtmuseen. Natürlich haben wir auch wieder spannende Persönlichkeiten aus der #heimat wie Zoodirektor Matthias Reinschmidt, den Offenburger Künstler Stefan Strumbel oder Europa-Park Sommelier Vincenzo De Biase für euch getroffen und ausgefragt.

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