Auf Zieselsafari im Schwarzwald

Mit einem raupenangetriebenen E-Fahrzeug offroad durch den Wald düsen? Für uns genau das Richtige...

Text: Uli Kammerer · Fotos: Dimitri Dell

Auf nach Loßburg-Schömberg! Denn heute sind wir mit Eric Bayer verabredet, der sich eine neue Attraktion für den Winter im Schwarzwald ausgedacht hat. Zieselsafari nennt sich der Spaß. Ohne Waffen, dafür aber mit viel frischer Luft und guter Laune. Uns erwartet eine geführte Offroad-Tour auf einer mit E-Motor und Ketten ausgerüsteten Mischung aus Schneemobil, Rollstuhl und Raupe. Viel mehr wissen wir nicht. Weil das Ganze aber nach einer ziemlich spaßigen Angelegenheit aussieht und Eric schon am Telefon so voller Tatendrang war, haben wir beschlossen, uns einfach mal überraschen zu lassen.

In Schömberg angekommen, treffen wir zum ersten Mal aufeinander. Mit sportlichem Elan federt Eric vom Fahrersitz seines Wagens: „Servus. Folgt mir! Jetzt geht’s auf Zieselsafari.“ Nach kurzer Fahrt erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Tour: den Walterhof, einen der größten Waldbauernhöfe im Landkreis Freudenstadt. Er steht seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf einer rund drei Kilometer außerhalb von Schömberg entfernten und knapp 800 Meter hoch gelegenen Ebene am Rand des Nationalparks Schwarzwald Mitte/Nord. Bewirtschaftet wird er von Helga und Wilhelm Walter. Ein perfektes Idyll, nur knapp zehn Kilometer von Freudenstadt entfernt.

Und hinein ins Vergnügen!

Der Wettergott meint es unerwartet gut mit uns. Im Tal Regen, auf der Höh’ unberührter Neuschnee. Bombastisch! Da stört uns auch das bisschen Nebel nicht. Ganz im Gegenteil: Das schneebedeckte Hochplateau wirkt unter dem weißen Schleier wie eine verwunschene Märchenlandschaft. Gänsehautatmosphäre! Nachdem wir den Vier-Punkt-Gurt festgezurrt haben, drehen wir erst mal ein paar Testrunden durch den Neuschnee. Die Ziesel starten mit Wumms: Zzzzschhhh! 500 Newtonmeter Drehmoment – das soll irgendwo zwischen Golf und S-Klasse liegen – bringen den Elektroantrieb bis auf 30 Sachen. Und das nahezu lautlos. Gesteuert wird nur mit Joystick. Das ist kinderleicht und macht das Gefährt extrem agil.

Daher hat die Kiste auch ihren Namen: Der Ziesel ist bekanntlich eine besonders flinke Erdhörnchenart. Der gut gepolsterte Schalensitz ist überraschend bequem, fühlt sich ein wenig an wie zu Hause auf dem Sofa, und der Überrollschutz sorgt für Sicherheit. Nur: Gibt es keinen Rückspiegel? „Ne“, erwidert Eric und lacht. „Wir fahren ja nur vorwärts.“ Für die nächsten zwei Stunden tauchen wir tief ein in den zu Schnee und Eis erstarrten Hinterrötenberger Wald. Das Gebiet, in dem wir unterwegs sind, kultivieren die Walters als Plenterwald, was der Natur eine urwaldähnliche Atmosphäre verleiht. Denn der Wald regeneriert sich hier weitestgehend selbst. Liegengebliebene Baumstämme, schmale Wege durchs dichte Unterholz und majestätische Baumkronen  machen unseren Trip so zu einer kleinen Expedition in eine märchenhafte Waldwelt.

Ein Ort erfindet sich neu

„Anfangs waren die Leute skeptisch“, sagt Eric. „Sie hatten Angst, dass wir der Natur schaden. In Wirklichkeit aber ist es so, dass die Ziesel den Waldboden sogar lockern. Wir pflegen die Wege also. Kaputt machen wir hier nichts“, sagt Eric. „Das mussten wir aber erst mal alles ganz genau erklären.“ Dass inzwischen sogar die Loßburger Touristeninformation mit im Boot sitzt und sich Bürgermeister Christoph Enderle zum Pressetermin auf einen Ziesel schwang, hat einen Grund: Der Tourismus ist wichtig für den Ort.

Deutlich wird das allein schon an der beträchtlichen Zahl an Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten in Schömberg – zumindest in Relation zur Einwohnerzahl. Im Ort wohnen nicht einmal 500 Menschen. Sie haben neue Strukturen geschaffen. Der aus vorreformatorischer Zeit stammende Hofbauernhof zum Beispiel, einst größter Gutshof im Ort, wird von einer Hofgemeinschaft biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Sie haben dem Großstadtleben bewusst den Rücken gekehrt – und Schömberg neue Impulse gegeben. Während sich Baden- Württemberg zum Wirtschaftswunderland aufschwang, hat sich der Ort so zu einer Art Refugium für Neo-Hippies und Romantiker entwickelt – ein atmosphärischer Sehnsuchtsort, der von seiner Lage zehrt.Ungestört durch den geheimnisvollen Plenterwald zu cruisen und die Stille des Waldes wirken zu lassen, fühlt sich einmalig an. Puderzucker auf den Bäumen. Das Zwitschern der Vögel, ab und an ein Knacksen im Geäst und nur eine einsame Reiterin, die uns auf dem Weg begegnet. Es wirkt ein bisschen surreal – fast wie im Traum.

Viel zu erleben, viel zu erzählen

Unsere Route ist klar abgesteckt. Wir dürfen auch mal Vollgas geben und über Stock und Stein rumpeln. Dann wieder legt Eric einen Stopp ein. „Der Spaß steht bei uns im Vordergrund, ich möchte aber auch etwas transportieren“, sagt er. Erster Halt ist daher eine rekonstruierte Schwarzwälder Köhler-Hütte aus dem 19. Jahrhundert, Hauptspielplatz der Neuverfilmung von Wilhelm Hauffs Schwarzwaldmärchen „Das kalte Herz“. Weitere Highlights folgen: ein fantastischer Aussichtspunkt mit Blick ins Kinzigtal und der Helmut-Kohl- Weg, der so heißt, weil der Bundeskanzler hier in den 1980er-Jahren entlangging, um sich ein Bild vom Waldsterben zu machen. Oder der Walter Dome, eine seltene Ansammlung großer Mammutbäume.

Der einzige Wermutstropfen: Es ist schweinekalt! Finger, Zehen, Nase, Wangen und Lippen: tiefgekühlt. Warum Wilhelm Walter schon bei unserer Ankunft wissen wollte, wer am Ende einen Glühwein trinkt? Spätestens nach einer guten Stunde wird uns das klar. Wieder am Walterhof angekommen sitzen wir in der Brennstub’ beim zünftigen Bauernvesper zusammen und wärmen uns am heiß ersehnten Glühwein. „Die Tour gemeinsam ausklingen zu lassen, gehört dazu“, sagt Eric. „Oft wird es dann erst so richtig lustig.“ Dazu trägt auch Wilhelm Walter bei. Neben allerhand Kruscht, Geweihen und Wolpertinger hängen gemeinsame Bilder mit Bundespräsident Johannes Rau und Helmut Kohl an der Wand. Und zu denen gibt es einiges zu erzählen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte …

OpenAir!

Unter seinem in Baiersbronn beheimateten Label Schwarzwaldidylle vermarktet Eric Bayer zusammen mit Kompagnon Thorsten Grom allerhand verrückte Outdoor-Events. Jedes Jahr kommt eine neue Attraktion hinzu: Disc-Golf zum Beispiel, Zorbing, Cross-Boccia oder eben die Zieselsafari. Dahinter steht ein größerer Gedanke: „Mein Ziel ist es, das altbackene Schwarzwald-Image abzustreifen“, sagt Eric.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 14 (1/2019)

Wir stellen fest: Es gibt tatsächlich Schamanen im Schwarzwald. Außerdem sind wir auf Trüffeljagd und ein Wochenende in Straßburg. Natürlich wird auch wieder geschlemmt: Wir präsentieren Euch Badens beste Knödel und leckere Ideen für die Mittagspause. 

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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