Leben ohne Plastik!

Die Welt ertrinkt im Plastikmüll. Höchste Zeit also, umzudenken und Plastik aus unserem Leben zu verbannen. Ein Selbstversuch

Text: Barbara Garms · Fotos: Dimitri Dell

Natürlich war uns klar, dass ein hundertprozentiger Verzicht auf Plastik schwierig wird. Aber massiv reduzieren, sollte doch möglich sein. Und wir – also mein Mann Tom, mein Sohn Mats und ich – legen jetzt einfach mal los. Wir kramen Gläser und Behälter aus den Schränken, die uns ab sofort beim Einkäufen begleiten. Aus Baumwolle nähe ich Säckchen für Obst und Gemüse. Große Einkaufstaschen benutze ich schon immer. 

Der erste Einkauf

Ab in den Supermarkt. Erster Halt: Obst und Gemüse. Gurke, Zucchini, ein Bund Möhren, Zwiebeln und Äpfel lege ich lose in den Korb. Pfifferlinge kommen in einen der Beutel. Null Verpackung, außer den kleinen Aufklebern. Läuft! Euphorisch geht es zu den Milchprodukten: Glasflaschen mit Milch, Sahne und Joghurt verschwinden im Einkaufswagen. Jetzt noch Quark und Buttermilch … aber die gibt es nicht ohne Plastik. Der erste Dämpfer. Ich entscheide, für dieses Mal darauf zu verzichten. 

An der Fleischtheke werde ich unsicher. „Entschuldigung“, frage ich schüchtern, „Ist es vielleicht möglich, dass Sie Fleisch in diese Box …?“ „Natürlich, gar kein Problem!“ ist die freundliche Antwort. Super! Mein Behältnis darf aus Hygienegründen nur auf dem Tresen stehen, auf keinen Fall dahinter. Das Fleisch wird abgewogen und kommt, wie ich will, ohne alles in die Glasschale. Allerdings wird zum Wiegen ein Papier untergelegt. Wenn es nicht bei mir landet, dann eben hier im Müll, also nehme ich es mit – Rückschlag zwei. Bei der Wurst bin ich schlauer: Ich bestelle von hart nach weich. Erst Schnittwurst und Schinken, zum Schluss Leberwust – bitte im Naturdarm. Die wird dann in das eine Papier eingewickelt – immerhin drei Papiere und die Plastiktüte gespart. An der Käsetheke das gleiche Spiel.  

Müsli kaufe ich nicht fertig, denn ebenso wie die Lieblingsflocken von Mats ist es in Pappe UND Plastik verpackt. Stattdessen nehme ich Haferflocken, Rosinen und Nüsse in Papierverpackung und mache es später selber. Aber Mist! Sogar hier ist ein Sichtfenster aus Plastik angebracht. 

Am Ende stehe ich zufrieden an der Kasse. Ich komme hier zwar nicht ganz ohne Plastik raus, aber es ist zumindest wirklich wenig. 

Es sind die kleinen Dinge

In der Kita hole ich meinen Fünfjährigen ab. Mama, kann ich ein Eis? Klaro! Erst beim Aufreißen der Packung fällt mir auf, dass das nicht zum Plan passt. Es sind diese kleinen unbedachten Momente, bei denen sich der Plastikmüll in unser Leben schleicht. Zu Hause krame ich die Eiszubereitungsförmchen raus. Biofruchtsaft mit Wasser 50:50 mischen, einfüllen und ab in die Gefriertruhe. Im Sommer kam dieses Fruchteis mindestens so gut an wie die kleinen in Plastik verpackten Monster. 

In den nächsten Wochen stelle ich fest: Beim Einkauf kann man Abfall schnell reduzieren, wenn man die Augen offenhält. Ganz ohne geht leider nicht – auch nicht im Bioladen und sogar auf dem Markt ist es schwierig. Ich fange an nachzufragen, warum Salat in einzelne Plastiktüten verpackt wird, ob es keine Himbeeren in Pappschalen gibt, warum (BIO!-) Gurken noch mal in Folie eingeschweißt werden oder wann man Nudeln lose kaufen kann. Oft stoße ich auf positive Resonanz. Offensichtlich hat der Einzelhandel offene Ohren. Wenn die Kunden nur mitmachen, wird sich hier schnell viel tun! Kleine Geschäfte sind noch flexibler. 

An einem Mittag setze ich mich ans Telefon und frage Metzger von Karlsruhe bis Freiburg, ob ich mit meinen Schalen und Boxen bei ihnen einkaufen könnte. Beinahe überall höre ich ein „ja!“. Wer es nicht macht, hat Angst vor Ärger. Mein Tipp an alle: Fragt einfach in Euren Läden, was möglich ist. Die meisten sind schon dabei.  

Mit gut 37 Kilo Plastikmüll pro Kopf und Jahr ist Deutschland im europäischen Vergleich eine Umweltsau. Nur Iren, Estländer und Luxemburger sind noch schlechter. Denn während bei Verpackungen aus Glas und Papier die Recyclingquote bei 90 Prozent liegt, beträgt sie bei Plastikmüll nur 40 Prozent. Das liegt auch daran, dass wir Plastikmüll oft nicht gut trennen. Daher: Alu-Deckel und Joghurtbecher komplett voneinander trennen, keine Windeln, Kaffeekapseln oder volle Plastikbehältnisse in den Gelben Sack werfen. Und: Müll vermeiden, wo es geht! 

Ganz ohne Verpackung

In Karlsruhe und Freiburg gibt es Läden, die sich darauf spezialisiert haben, alles unverpackt zu verkaufen. Man bringt Gläser, Dosen, Kisten mit, wiegt sie ab und füllt aus großen Behältnissen ab, was man möchte. In der Glaskiste in Freiburg kaufe ich Bambuszahnbürsten, ein loses Stück Haarseife, Gewürze im Reagenzglas und fülle mir Nudeln und Reis in mitgebrachte Gläser. „Beleg?“, werde ich beim Zahlen gefragt. „Nein, danke!“ Wieder Müll gespart. Schade, dass es diese Möglichkeit nicht öfter gibt. 

Auf dem Boden der Tatsachen

Rückschläge gibt es einige. Eine Bestellung im Internet zum Beispiel: Als ich den Karton öffne, um eine Glasschüssel auszupacken, fällt mir ein Haufen Styropor entgegen. Der gelbe Sack, der bis dahin noch schön schlapp im Eimer hing, füllt sich. Ein anderes Mal kaufe ich in der Stadt Obst. Ich denke nicht mit und, zack, halte ich vier Aprikosen, ein halbes Bauernbrot und eine Pappschachtel Blaubeeren in DREI Plastiktüten in der Hand. „Ich habe eine Tasche dabei.“ Die Frau schaut verständnislos, lädt meine Einkäufe in meine Tasche um und wirft die drei angebrochenen Tütchen in den Müll. 

Und, wie läuft’s?

Nach vier Wochen ziehen wir Bilanz: Das Bauchgefühl sagt, wir haben nicht viel geschafft, doch der Gelbe Sack, den wir aus der Tonne ziehen, ist leerer als gedacht. Obwohl ich schon vorher locker darauf geachtet habe, nicht so viel Müll zu machen, ist es uns gelungen, unsere zwei (schlapp) gefüllten Säcke im Monat auf nicht mal einen zu reduzieren. Toller Nebeneffekt: Auch unsere Restmülltonne wird nicht mehr voll. Fängt man erst mal an, auf Müll und seine Umwelt zu achten, fallen einem automatisch 1000 Dinge ein, die man sehr einfach noch machen kann: Präzise Einkaufszettel schreiben, kurze Strecken mit dem Fahrrad. Und: Nicht schwach werden und auf den Coffee to Go im Einwegbecher konsequent verzichten. Das fühlt sich alles gut an. 

Es ist schon so: Schnell ein Eis essen, sich einen Döner holen oder einen Convenience-Salat aus dem Kühlregal schnappen, geht nicht mehr ohne schlechtes Gewissen. Mehr Zeit muss man für manche Dinge mitbringen. Aber der selbstgemachte Salat schmeckt viel besser, ist billiger und das Schnippeln entspannt wie Yoga. Wie man Buttermilch und im gleichen Zug auch Butter selber macht, weiß ich mittlerweile auch. Meine Lieblingsentdeckung aber sind die selbst gemachten Bienenwachstücher, die Brotdose, Plastik- und Alufolie ersetzen.

Wie geht es weiter?

Meine Freunde dürfen sich meine frisch ausprobierten Tipps zur Müllvermeidung anhören. Und: Manche bekommen auch Lust. Wenn doch einer sagt: „Gerade hast Du Deinem Sohn aber eine Plastikbadekappe gekauft“, dann gebe ich zu: „Ja, ich bin noch lange nicht perfekt, aber lass uns gemeinsam versuchen, die Welt jeden Tag ein bisschen weniger dreckig zu machen!“ Ich finde: Wenn jeder von uns einen Sack Müll im Monat spart, hätten wir einen großen ersten Schritt gemacht! Auch Lust?

Bienenwachstuch selber machen

Bienenwachs ist antiseptisch und ein toller Ersatz für Alu- und Plastikfolie. Aber: Nicht für rohes Fleisch geeignet!

Im Bastelladen hab ich die Bienenwachsplatten nur in Plastikverpackung bekommen, aber man bekommt sie auch bei Imkern in Pappe. Ein bis zwei Platten zerbröckeln und im Wasserbad auflösen. Dann schneidet ihr euch Tücher aus dünner, gewaschener Baumwolle zu, legt sie auf ein Backpapier und bestreicht sie gleichmäßig mit dem Wachs (ein größerer Pinsel funktioniert besser). Legt ein zweites Backpapier darüber und bügelt das Tuch auf der höchsten Stufe. So verteilt sich das Wachs gleichmäßig. Kurz abkühlen lassen. Mit den Händen könnt ihr das Wachs erwärmen und das Tuch über Tassen oder Schüsseln formen. Auch als Verpackung für Pausenbrote geeignet. Hinterher einfach mit einem feuchten Lappen reinigen.

15 Einsteigertipps

1 Nehmt zu Euren Einkäufen Stofftaschen mit.

2 An Fleisch-, Wurst- und Käsetheke könnt Ihr Euch Eure Einkäufe in mitgebrachte Dosen einfüllen lassen.

3 Obst und Gemüse lässt sich oft auch lose gut transportieren. Ansonsten näht Euch kleine Stoffbeutel.

4 Kauft Milch, Sahne, Joghurt und Konserven in Gläsern.

5 Vergleicht mal: Es gibt viele Lebensmittel auch in Papier- oder Pappverpackungen.

6 Wenn schon Plastik – dann prüft, ob Ihr auch in Großverpackungen kaufen könnt.

7 Tauscht Flüssigseife gegen das gute alte Stück Handseife.

8 Für Restmüll könnt Ihr Bio-Müllbeutel verwenden, die sind 100 % recyclebar.

9 Tauscht Mikrofaser-Putztücher gegen Baumwolle.

10 Es gibt beinahe alle Kosmetika unverpackt in Seifenform. Wenn Ihr das gar nicht mögt, prüft zumindest Eure Duschgels, Haarwaschmittel etc. ob sie Mikroplastik enthalten.

11 Essensreste lassen sich hygienisch und praktisch mit Bienenwachstüchern verschließen.

12 Coffee to go? Ok, aber bringt doch einen wiederverwendbaren Becher mit.

13 Picknick? Wenn Ihr das Geschirr hingetragen habt, könnt Ihr es auch locker zurücktragen. Wickelt es einfach in ein großes Geschirrhandtuch, damit die Tasche nicht dreckig wird.

14 Benutzt Holzkochlöffel, Bambuszahnbürsten und Röhrchen aus Stroh, Glas oder Metall.

15 Seid aufmerksam wie ein Luchs und lasst Euch keine Plastiktüten andrehen!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 12 (3/2018)

Eine Felswand ist ein guter Ort, um mit seiner Höhenangst klarzukommen. Bequemer geht's aber im Mini-Flitzer durch den Schwarzwald.

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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