Was macht eigentlich ein Klimaschutzmanager?

Klimaschutz ist eine globale Herausforderung und eine lokale Aufgabe. So sehen das die Experten des Ortenaukreises. Aber wie gehen sie die Aufgabe an?

Fotos: Jigal Fichtner

Seit Februar 2022 ist Christopher Schüle Referent für Klimaschutz und Klimaanpassung beim Landratsamt Ortenaukreis. Hauptaufgabe des 29-Jährigen ist es, ein Klimaschutzkonzept zu entwickeln, das Ziele formuliert und wichtige Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg bringt. Wir haben ihn und den Ersten Landesbeamten des Ortenaukreises, Nikolas Stoermer, zum Interview getroffen.

Herr Schüle, was dürfen wir uns unter der Arbeit eines Klimaschutzmanagers eigentlich vorstellen?

Christopher Schüle: Als Klimaschutzmanager nehme ich eine Koordinationsrolle zwischen den verschiedenen Akteuren wie Fachämtern des Landratsamtes, Kommunen, der Bürgerschaft und den Unternehmen ein. Ich fasse den Klimaschutz als Querschnittsaufgabe auf, die es im Landratsamt zu verankern und kontinuierlich voranzutreiben gilt.

Herr Stoermer, als Erster Landesbeamter des Ortenaukreises unterstützen Sie Herrn Schüle dabei?

Nikolas Stoermer: Ja, er bringt aus seinem Studium tolle Ideen mit für unser Klimaschutzkonzept. Er wird sich auch um die Umsetzung der Maßnahmen kümmern. Die Leitung der AG Klimaschutz werde ich behalten, doch auch hier engagiert sich Herr Schüle sehr stark und unterstützt etwa unser Gebäudemanagement bei konkreten Projekten. In den vergangenen Jahren habe ich bereits ein gutes Netzwerk in Sachen Klimaschutz aufgebaut, in das ich Herrn Schüle jetzt gern integriere.

In welche laufenden Klimaprojekte stecken Sie persönlich die größten Hoffnungen?

Stoermer: Zunächst einmal in die energetische Sanierung der kreiseigenen Gebäude: Wir haben zahlreiche Verwaltungs- und Schulgebäude, die in Zukunft saniert und optimiert werden müssen. Auch bei den Klinik-Neubauten wollen wir einen guten energetischen Standard umsetzen. Daneben ist mir wichtig, dass wir beim Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter vorankommen. Insbesondere bei Photovoltaik sehe ich noch ein enormes Potenzial.

Wo liegen die Schwierigkeiten in Sachen Klimaschutz und den Klimafolgen in der Ortenau konkret?

Schüle: Es gibt zunehmend heiße Tage, im Sommer immer öfters Tropennächte und vermehrt Starkniederschlag. Auf gut Deutsch: Der Klimawandel beeinflusst immer mehr unsere lokale Forst- und Landwirtschaft – und bedroht damit auch Flora und Fauna. Darüber hinaus gibt es im Ortenaukreis als flächenmäßig größtem Landkreis Baden-Württembergs mit seinen rund 430 000 Einwohnern eine Vielzahl von Kommunen, damit ein entsprechend hohes Verkehrsaufkommen, aber auch einen großen Verwaltungsaufwand, was Klimaschutz nicht gerade einfacher macht. Wir stehen deshalb in regelmäßigem Austausch mit den Kommunen und führen Umfragen durch, um ihre Bedürfnisse in Sachen Klimaschutz zu verstehen und dafür mittel- und langfristig Perspektiven zu bieten.

Wie sieht Klimaschutz in der Ortenau heute aus? Strategisch, planerisch und auch ganz konkret …

Schüle: Der Ortenaukreis unterstützt den Klimaschutzpakt des Landes und hat sich verpfl ichtet, die Kommunalverwaltung bis 2040 klimaneutral aufzustellen. Zudem nehmen wir am European Energy Award teil, einem Zertifi zierungs- und Qualitätsmanagementsystem für kommunalen Klimaschutz. Das neue Klimaschutzkonzept wird in Zukunft als Entscheidungsgrundlage und Planungshilfe für Klimaschutzaktivitäten dienen. Ganz konkret zeigt sich der Klimaschutz bei den Photovoltaikanlagen auf 26 kreiseigenen Gebäuden und der schwimmenden Photovoltaikanlage auf dem Baggersee des Kieswerks Ossola in Renchen.

Stoermer: Unser Erfolgsrezept sind unsere Beharrlichkeit und unsere Kontinuität: Beispielhaft möchte ich hier den Ausbau des ÖPNV oder die Radwege nennen. Es muss immer einen praktischen Nutzen für die Menschen haben!

Gibt es etwas, das wir in der Ortenau vielleicht auch ganz neu denken müssen – auch als ganz normale Bürger?

Schüle: Es sollte uns bewusst werden, dass Klimaschutz eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Jeden Tag treffen wir Entscheidungen von globaler Bedeutung: Welche Verkehrsmittel nutzen wir? Wie heizen wir und was kaufen wir ein? Wenn wir die hohe Lebensqualität in unserer Region für künftige Generationen erhalten wollen, müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Ich bin mir sicher, gemeinsam können wir uns den Herausforderungen des Klimawandels stellen, getreu dem Motto „think global – act local“.

Stoermer: Klimaschutz ist eine Herkules-Aufgabe und wir sind noch lange nicht am Ende. Auch der schreckliche Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, dass wir den Energieverbrauch reduzieren und den Ausbau der Erneuerbaren Energien forcieren müssen. Wir müssen uns jedoch eingestehen, dass wir den Klimawandel nicht aufhalten, sondern allenfalls dämpfen können. Insofern ist es wichtig, dass wir Anpassungsstrategien entwickeln. Das betrifft vor allem die Land- und Forstwirtschaft, aber auch die Wasserversorgung oder die Vorsorge vor Unwetterereignissen.

Was kann ein einzelner Landkreis denn zum Klimaschutz beitragen und was wäre dagegen zu viel verlangt?

Schüle: Landkreise können viel in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Naturschutz tun. Bei uns gibt es viel Potenzial beim Ausbau Erneuerbarer Energien. Wir sind jedoch von Land und Bund abhängig, was die Bereitstellung ausreichender Mittel für Finanz- und Personalressourcen angeht. Deshalb müssen wir Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe verstehen. Nur so kommen wir voran.

Was sagen Sie zum Humusprojekt des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, das wir uns in der Ausgabe 32 genauer anschauen?

Schüle: Das Projekt bietet eine tolle Möglichkeit, Klimaschutz und Klimaanpassung aktiv und vor Ort zu gestalten. Es gefällt mir besonders, dass aus verschiedenen Bereichen ein Engagement für den Klimaschutz besteht und wir gemeinsam Klimaschutzmaßnahmen erfolgreich umsetzen. Zudem geht dieses Projekt mit einigen positiven Effekten einher: Der Boden wird fruchtbarer, kann mehr Wasser speichern und ist resilienter gegen Erosion.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 32 (3/2022)

Der Schwarzwald hilft den Menschen aus den Ukraine und wir erzählen davon. Denn wir finden: Heimat ist ein Menschenrecht. Punkt. Und: Auch klar, dass wir in dieser Ausgabe noch viel mehr Themen haben, die es zu entdecken gilt: von den Tortora-Brüdern und ihrer Pizza La Foresta Nera bis zu Badens neuem Weingärtner.

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