Fürs Lernen brennen: Ein Besuch in der Brennerschule

Hochprozentig hirnen! Mathe, Gesetze und Obstbau – was man halt so macht in der Brennerschule des Ortenaukreises… 

Text: Pascal Cames Fotos: Jigal Fichtner, Michael Bode

Als Schüler war ich kein Überflieger. Von Mathe blieb der Dreisatz hängen, von Physik und Chemie nur die Erkenntnis, dass ein Liter Wasser ein Kilogramm wiegt und alles andere mehr oder weniger. Aber sonst? Null. Um Brenner zu werden, brauche ich all das. Ich habe aber keine Brennanlage, keine Erfahrungen und kaum Vorwissen. Darum sitze ich auch nur als Gast im Klassenzimmer der Winterschule.

„Landwirte haben nur im Winter Zeit“, erklärt mir die Klassenlehrerin Maria Gille den Namen. Die Fachschule für Landwirtschaft Offenburg (Träger ist der Ortenaukreis) vermittelt alles Wichtige rund um die Brennkunst, nur nicht das Brennen. „Das sollte man schon können“, sagt Maria Gille. „Um das zu lernen, haben wir hier nicht die Zeit.“ So gut wie alle Schüler haben es schon seit der Jugend drauf, weil sie von einem Betrieb mit altem Brennrecht kommen. „Die wollen ihr Handwerk verbessern, aber auch Netzwerke knüpfen“, weiß die Klassenlehrerin. Und ich merke: Alle hier sind so motiviert, die brennen regelrecht!

Von guten und schlechten Gerüchen

Die Brennerschule wurde vor 20 Jahren installiert, weil das Branntweinmonopol fiel. Zu Zeiten des Monopols konnte jeder mit Brennrecht sein Ethanol an den Staat verkaufen. Heute muss man mit seiner Ware auf den freien Markt. Also sollten Kirschwasser und Williams nicht nur sehr gut schmecken, sondern sich auch sehr gut verkaufen. Dafür braucht’s Marketing. Das exzellente Aroma kommt aber nicht von allein. Da gibt es viel zu beachten. Nicht jeder Brennvorgang läuft rund, das Obst könnte auch fehlerhaft sein, Stängel und Kerne hinterlassen auch ihre Spuren. „Genuss ist das keiner“, meint Dozent Albert Braun über die Elixiere, die wir erschnüffeln müssen. Denn auf dem Tisch ist das Gruselkabinett der Brennkunst versammelt: von muffig bis zu eingeschlafene Füß’. Diese Gerüche muss man kennen, um sie zu vermeiden. Und dann gibt es ja noch die reintönigen Lebenswasser, die nach Zwetschge, Mirabelle und Quitte schmecken. Aber der Geruch ist auch nicht alles. Es muss auch auf der Zunge schmecken und das geht nicht, wenn der Alkohol noch seine 80 Prozent hat. Mit dieser Stärke rinnt er aus der Destillieranlage. Was also tun?

Wer noch nicht im Marketing geschult ist, sagt verdünnen, alle anderen bringen den Brand auf Trinkstärke. Das macht man, indem die hochprozentigen Elixiere mit Wasser verdünnt werden. Aber wie viel? Hier kommen jetzt meine Angstgegner Mathe und Physik ins Spiel. Dozent Albert Braun drückt mir die Alkoholspindel in die Hand, mit der ich den Alkoholgehalt bestimmen kann. Zahlen lügen nicht. Aber sie stimmen trotzdem nicht. Warum? Weil die Raumtemperatur die Messung beeinflusst. Ich stelle mich schon auf einen längeren Rechenweg ein, den ich ungern ohne Taschenrechner und Formelsammlung abwandern will. Es geht aber auch einfacher mit der Alkoholtafel. Hier muss man einfach nachschauen, fertig.

Textaufgaben rechnen

Mit dem Dreisatz (da kenn’ ich mich aus!) lässt sich das locker für fünf, 50 oder auch 500 Liter berechnen. Manche Kunden wollen 45 Prozent, andere 42 oder 40, erklärt mir Albert Braun. Maria Gille nickt. Dieser Stoff kommt dann in Textaufgaben in der Prüfung. Denn geschenkt wird einem hier nichts.

Apropos Stoff. Wer brennt, muss landwirtschaftliche Flächen haben. Naheliegend. Wer eigenes Obst verschnapst, hat eine größere Gewinnspanne. Also muss man sich auch mit Bäumen gut auskennen – auf zur Exkursion nach Mösbach!