"Schwarzwälder nehmen kein Blatt vor den Mund"

Cossu, Comedian und Mundart-Entertainer aus dem Kinzigtal, lebt nach seiner Zeit in Stuttgart wieder in Baden. Unser Interview uff Hochditsch – über den SC Freiburg, Heimat und Dialekte.

Text: Pascal Cames Fotos: Paul Wagner

Comedian Cossu (35), der mit richtigem Namen Lukas Staier heißt, stammt aus Haslach im Kinzigtal. Ursprünglich wollte er Lehrer werden, dann Rapper. Darum ging er nach Stuttgart, einer der Hauptstädte des Deutschrap. Seit Ende 2024 lebt er wieder im Badischen. Denn als eingefleischter SC-Fan kann sein Wohnort nur Freiburg sein. Was man noch über Cossu wissen sollte: Er war acht Jahre mit Bülent Ceylan auf Tournee, sammelte Bühnenerfahrung und lernte neue Dialekte, darunter Hessisch, Berlinerisch, Kurpfälzisch. Der Comedian mag’s penibel. Darum ist sein Lieblingswort auch Dipflischisser: „Ich bin ja auch einer!“ Seit dem Durchbruch mit „In Germany we don’t say“-Videos ist er deutschlandweit bekannt. Aktuell hat er fast 350000 Follower auf Instagram. Wir trafen Cossu zum Interview im Europa-Park-Stadion in Freiburg, um über Heimkommen, Mundart und Bühnengefühle zu sprechen.

Lieber Cossu. Wir sitzen hier im SC-Stadion. Warum zum Teufel?

Weil das mein absoluter Lieblingsort hier in Freiburg ist. Seit ich sieben, acht Jahre alt bin, bin ich glühender SC-Fan und habe sehr viele schöne Momente hier erlebt. Deshalb war das für mich klar, dass wir uns hier treffen. 

Ist der SC ein Stückchen Heimat für dich?

Absolut. Heimat ist nicht immer ein Ort, es kann auch ein Gefühl sein. Das Gefühl, hier zu sein. Jeder ist freundlich – das strahlt auch der SC aus. Von allen Mannschaften in Deutschland ist es auch die freundlichste. Der SC ist wie das Leben im Schwarzwald – eine Familienangelegenheit. Deshalb fühle ich mich hier wohl.

Du kommst aus dem Kinzigtal …

Ja, ich bin dort aufgewachsen. Mit 19 bin ich nach Freiburg für meinen Zivildienst als Rettungshelfer, anschließend für mein Studium nach Heidelberg. Nach dem Studium bin ich 2017 nach Stuttgart. Dort war ich bis vor kurzem.

Wie war’s als Alemanne in Stuttgart?

Ich war dort undercover als Spion. Nein, Spaß beiseite, es war beruflich in Stuttgart etwas einfacher. Man ist näher an größeren Städten und ich wollte schon immer mal in einer größeren Stadt leben. Gleichzeitig wollte ich aber auch nicht allzu weit weg von der Heimat sein, da bot sich Stuttgart an. Ich hätte auch nach Köln oder Berlin ziehen können, aber das war mir dann doch zu weit weg von der Heimat.

Dein Ziel war eine Karriere als Rapper?

Ich bin als Rapper nicht so vorangekommen, wie ich mir das erhofft habe. Ihr müsst euch vorstellen, ich habe mit Musik acht Jahre lang versucht, mein Instagram aufzubauen. Mit Hängen und Würgen habe ich ein paar Tausend Follower gehabt, und dann waren es mit einem Dialekt-Skit („Wem g’hersch du?“) über Nacht 1000 mehr! Da dachte ich mir: Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich habe mich doch nur gefilmt und so gschwätzt, wie ich’s glärnt hab. Nach und nach kamen andere Dialekte dazu, aber alles Zufall und nie geplant.

Hat dir dein Aussehen geholfen?

Klar, ich muss zugeben, dass mein Aussehen die ganze Sache interessanter macht, da der Kontrast plötzlich viel größer ist. Das ist auch nicht immer ein gutes Zeichen, da es schnell mal in die diskriminierende Richtung gehen kann. Aber klar, wenn man mich sieht, dann vermutet man nicht, dass ich einen badischen Dialekt habe und hier so verwurzelt bin.

Eigentlich normal, wer hier aufwächst, spricht Dialekt.

Genau, das ist es. Aber ich glaube, Menschen aus anderen Regionen in Deutschland können das nicht so ganz verstehen. Auf der einen Seite ist mein Dialekt Teil des Erfolgs, andererseits finde ich es krass, dass mir Leute nicht zutrauen, „hier geboren“ zu sein. Und das im Jahre 2025! Wenn du hier geboren bist – egal mit welchem Migrationshintergrund –, dann sprichst du so, wie hier alle sprechen, also Badisch. Und nur weil ich schwarz bin, heißt das ja nicht, dass ich nicht den Dialekt lernen kann. Ein Weißer lernt nicht automatisch besser Badisch sprechen als ich wegen seiner Hautfarbe. Das ist völliger Quatsch.

Gab es Momente, wo dich dein Dialekt gestört hat?

Beim Studium in Heidelberg habe ich schon gemerkt, dass sie in großen Städten weniger Dialekt sprechen. Die Studenten waren von überall aus Deutschland. Natürlich versucht man da, Hochdeutsch zu sprechen, um sich anzupassen. Wobei es sich bei Badnern in den meisten Fällen furchtbar anhört. Wiir Baadneeer ziiiiehen  diiiie Voookaaale näämlich immeeer soo lang. Daran erkennt man uns sofort. Mittlerweile würde ich mich auch nicht mehr anpassen.

Echt jetzt?

Ich finde es viel authentischer, wenn sich jemand hinstellt und genauso spricht, wie man es immer tut. Man muss nicht immer versuchen, etwas zu sein, das man nicht ist.

Wäre die Welt ohne Dialekte ärmer?

Auf jeden Fall. Der Dialekt hat mir geholfen – besonders in jungen Jahren –, ein Gefühl von Zugehörigkeit zu bekommen. Integrieren wäre das falsche Wort, denn ich bin ja integriert. Die Leute haben mich aber definitiv anders wahrgenommen, bevor sie mich sprechen gehört haben. So konnte ich Dämme brechen und Vorurteile aus dem Weg räumen. Gleichzeitig finde ich, dass man ein noch stärkeres Gefühl und Bezug zu seiner Region aufbauen kann. Aus mir und dir wird ein Wir, denn wir sprechen gleich.

Man kennt die Leute. Sprich: Es wird überschaubarer.

Genau. Und es ist ja nicht nur die Sprache, sondern auch die Mentalität, die mitschwingt. Bei uns im Schwarzwald ist es definitiv das „Was der Bauer ned kennt, das frisst er ned“–Motto, aber auch einfach sympathisch sein. Jeder Dialekt spiegelt auch die Mentalität wider.

Zum Thema Comedy: Wann hast du gemerkt, dass du ein Spaßvogel bist?

Das war mir schon sehr früh klar. Meine Hautfarbe spielt auch eine große Rolle. Ich habe versucht, immer im Mittelpunkt zu stehen, um das Ganze ein bisschen auszugleichen. Ich hatte immer das Gefühl, ich muss jetzt mehr liefern als andere, um zu zeigen „Hey, ich kann auch was!“ In der Schule fiel das eher negativ auf. Ich glaube, das deutsche Schulsystem ist aber auch nicht darauf ausgelegt, Kreativität zu fördern. Da ist es eher so, dass bloß keiner aus der Reihe tanzen soll – und das halte ich für Blödsinn.

Dann war alles Weitere naheliegend?

Für Freunde und Familie war es keine große Überraschung, dass ich den Comedy-Weg eingeschlagen habe. Dass es aber irgendwann auch in Richtung Schauspiel gehen würde – das hat sogar mich überrascht.

Du giltst als großer Diether-Krebs-Fan. Der war speziell, oder?

Klar. Sein Humor war auch angepasst an die damalige Zeit. Aber so gesehen mache ich auch etwas Ähnliches wie er damals. Die verschiedenen Rollen, die Dialekte – aber gleichzeitig auch auf der Bühne als Musiker. Er hat einen Entertainer-Charakter, mit ganz vielen Facetten.

Du limitierst dich ja auch nicht. Du rappst auch, schreibst ein Buch …

Das war früher immer eine Schwäche von mir. Als ich noch aktiv Rapper werden wollte, hörte ich oft: „Hey, du bist super. Du rappst gut, schreibst gute Texte.  Auch die Refrains stimmen … Aber irgendwie geht es in keine Richtung. Du machst einfach alles. Wer bist du eigentlich?“ Das hat mir damals weh getan.

Und jetzt?

Jetzt merke ich, dass das auch gut sein kann. Ich bin nun mal facettenreich und mache nicht nur das eine. Es kommt mir als Comedian und Schauspieler zugute, nicht immer nur das Gleiche zu machen. Das würde mich langweilen.

Was findest du zurzeit komisch?

Ich finde immer das Gleiche komisch. Aber was aktuell besser ankommt, sind Videos, die echt wirken, wie zum Beispiel im Supermarkt oder auf der Straße. Videos mit zu viel Schnitt, Perspektivwechsel oder vielen Charakteren kommen aktuell weniger gut an. Die Leute mögen es, wenn es echt und natürlich wirkt.

Und die Leute sich wiedererkennen? 

Genau.

Gibt es  Wörter, die dich inspirieren? 

Da muss das Wort schon sehr stark sein, damit es inhaltlich für ein ganzes Video reicht (zum Beispiel das badische Wort „als“). Kommt aber natürlich auch vor. Meistens sind es aber mehr Situationen, die ich gerne als Inspiration für Videos nehme.

Bist du manchmal unfreiwillig komisch?

Je älter ich werde, desto öfter fällt es mir auf. Beim Autofahren zum Beispiel. Oder wenn die Nachbarn um halb 11 noch Lärm machen. Da denke ich mir manchmal: „Herrgottsack nomol!“ Und dann fällt mir auf, ich bin doch schon etwas spießig geworden. Man wird ja älter …

Du erfindest auch Personen, wie den Moser Franz …

Ja. Es gibt natürlich klassische „Typen“ aus Regionen wie dem Schwarzwald. Wir kennen sie alle, und wir haben sie alle vor Augen. Und wenn sich jemand angesprochen fühlt, zum Beispiel der Vollmer Klaus, ist das für mich auch ein kleiner Erfolg.

Du warst jetzt auf Lesereise. Gab es Momente, wo ein Witz mal nicht so zündet?

Auf jeden Fall. Ich stehe noch ganz am Anfang. Man kennt die Abläufe nicht und da heißt es dann: Learning by Doing. Und ich habe noch sehr viel zu lernen.

Was macht du dann?

Wenn etwas nicht so läuft, wie man es plant, dann sollte man sich nicht daran aufhängen, sondern einfach weitermachen. Manchmal funktioniert’s halt nicht. Aber auch das hat mit Erfahrung zu tun und dem richtigen Handwerk.

Was gefällt dir am Schwarzwälder? Und was nicht?

Was ich sehr schätze, ist die Ehrlichkeit. Schwarzwälder nehmen kein Blatt vor den Mund – das ist Teil unserer Mentalität. Andere fühlen sich vielleicht etwas vor den Kopf gestoßen, aber ich schätze das wirklich sehr. Vielleicht wirken wir etwas eigenbrötlerisch? Was ich auch mag, ist das Familiäre. Wir haben im Schwarzwald richtige Familienclans. Die Leute halten immer zusammen – egal, was kommt.

Was ist mit „Was der Bauer nicht kennt...“?

Da muss ich überlegen, ob ich das gut finde oder nicht. Ich finde, beides trifft zu. Was Neues und Innovation angeht, kann es manchmal schlecht sein. Da schauen wir bei vielem zurück und bleiben stecken. Was aber altbewährte Dinge angeht, so haben wir auch viel Vertrauen in unsere Vorfahren und alte Praktiken. Denn was neu ist, ist nicht immer gleich gut. Und auch hier muss man anmerken, dass wir und die Schwaben uns in der Hinsicht sehr ähneln.

Die Schwaben und Badner sind ja fast wie Brüder …

Klar, ich glaube, die Leute nehmen die ganze Sache etwas zu ernst. Es hat natürlich historische Hintergründe, aber wir sind doch ziemlich gleich. Die Badner haben aber besseres Essen …

Darum nach Freiburg?

Innerer Ruf nach Heimat. Mich hält nichts mehr in Stuttgart, aber ich wollte weiter in einer größeren Stadt leben. Nicht allzu weit von der Heimat im Kinzigtal, versteht sich. In Freiburg  fühle ich mich auch sehr wohl.

NOCH MEHR VOM COSSU

Wer nix von Cossu verpassen will, folgt ihm am besten auf Instagram: @cossurap

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Wir haben den Entertainer Cossu aus dem Kinzigtal getroffen und über Mundart, deutsche Eigenheiten und sein neues Buch geplaudert.

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