„Ich würde gerne eine Serie im Murgtal drehen“

Wer braucht Hollywood, wenn es den Schwarzwald gibt? Filmproduzent Christoph Holthof von Kurhaus Production im Interview

Wirklich bekannt ist der Schwarzwald als Drehort für die große Leinwand noch nicht – auch wenn 2023 sogar ein Oscar an „Nawalny“ ging, eine Dokumentation des Kanadiers Daniel Roher, die den kürzlich gestorbenen Kremlkritiker nach seiner Nowitschok-Vergiftung und während seines Aufenthalts in Ibach begleitete. Badische Filmschaffende wie Christoph Holthof und seine Firma Kurhaus Production arbeiten daran, den Schwarzwald als Drehort öfter im Kino und im TV  zu zeigen. Im Interview berichtet der Produzent aus Baden-Baden, was die Region zur perfekten Kulisse macht – und wie die Suche nach Locations abläuft.

Christoph Holthof, mit eurer Firma Kurhaus Production entwickelt und realisiert ihr Serien, Dokumentar- und Spielfilme. Ihr sagt, dass ihr mit ihnen den Blick für große Geschichten an kleinen Orten öffnen wollt. Oft sind diese Orte im Schwarzwald angesiedelt. Was nimmt Dich für diese Region ein? 

Mein Co-Partner Daniel Reich und ich sind beide im Murgtal aufgewachsen und tief in dieser Gegend verwurzelt. Es ist ein eigentümliches Tal, nicht malerisch, idyllisch-lieblich wie etwa Baden-Baden, sondern rau, mit seinen Felsen und der alten Industrie. Die Kontraste und die Vielfalt der Region sind faszinierend; da sind die zerklüfteten Täler, die Berge mit 1000 Metern Höhe, dunkle Wälder und Bäche, bis hinunter zur Rheinebene, wo schon fast ein mediterranes Klima herrscht – das finde ich unglaublich stark. Wir haben hier schon viele Filme verwirklicht und haben große Lust, noch mehr in dieser Ecke zu drehen. Wir würden gerne eine Mystery-Serie im Murgtal drehen: Der Schwarzwald als Kulisse ist dafür perfekt.

Ihr habt Eure in Baden-Baden ansässige Firma nach einem der Wahrzeichen der Stadt genannt: dem Kurhaus. Auf Eurer Homepage schreibt ihr, dass im Hinterhof eures Büros Rosen wachsen und der Blick aus den Fenstern vom Hausberg, dem Merkur, gebändigt wird. Wie wichtig ist Euch Eure badische Heimat? 

Wir haben Kurhaus Production 2007 gegründet und diese Zeilen stammen noch von damals. Sie gelten bis heute, wir freuen uns tatsächlich jedes Jahr, wenn im Sommer die Rosen blühen und wir die Gleitschirme den Merkur runterschweben sehen (lacht). Wir sind sehr verbunden mit der Region. Aber dafür mussten wir wohl erst mal weg. Nach dem Abi sind sowohl Daniel als auch ich weggezogen, unter anderem nach Basel, Paris und Berlin – mit dem Ziel, nie wiederzukommen. Wie das halt so ist, wenn man es überall spannender findet als zu Hause. Es kam anders: Wir sind beide zurückgekommen und haben die Firma komplett von hier aus aufgebaut. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind in Baden-Baden; mittlerweile wohnt Daniel in Berlin, ist aber oft monatelang für Dreharbeiten hier. Ich lebe und arbeite unheimlich gerne in Baden-Baden. Es ist eine kleine Stadt – in der aber viele Leute etwas bewegen und entwickeln. Man darf nicht mit dem Anspruch herkommen, Großstadtleben vorzufinden, denn das ist es nun mal nicht. Aber wenn man gerne nah an der Natur lebt, ist es toll. 

Die Natur spielt auch im Film „Nachtwald“ eine Hauptrolle. Der Regisseur André Hörmann hat die Geschichte um zwei Jungs, die einen Sommer lang ein Abenteuer in der Wildnis erleben, auf der Schwäbischen Alb angesiedelt, wo er aufgewachsen ist – gedreht habt ihr aber im Schwarzwald. Wie kam es dazu? 

Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, war ich auf der Suche nach geeigneten Drehorten. Es kommt zum Beispiel ein Rathaus darin vor, und ich hatte in Erinnerung, dass es in Gernsbach-Reichental ein schönes, altes gibt. Ich bin dann an einem warmen Frühsommertag dort hingekommen und dachte mir: Genauso habe ich mir das Dorf, das im Skript beschrieben wird, vorgestellt! Als ich mit André hinfuhr, war er begeistert. 

Wer geht bei euch auf Locationsuche? 

Das machen oft wir; für „Nachtwald“ bin ich tatsächlich im Frühling 2020 ganz viel mit dem Fahrrad hier in der Gegend herumgefahren und habe dann nach und nach die Drehorte entdeckt, etwa auch im Rebland bei Baden-Baden oder in Geroldsau an der Schwarzwaldhochstraße. 

Für eine Szene in „Nachtwald“ müssen die Jungs eine rund zehn Meter hohe Felswand hinaufklettern. Wo seid ihr da fündig geworden? 

An den Triberger Wasserfällen. Wir waren zwei Drehtage mit einem 60-köpfigen Team vor Ort. Die Aufnahmen direkt an dem tosenden Wasserfall waren zum einen körperlich für die Darsteller und Crew ziemlich anstrengend und zum anderen technisch aufwendig, es wurde etwa ein Podest aufgebaut, von dem aus eine der beiden Kameras an einem Kran über den Abhang gesteuert werden konnte. Die Jungs wurden natürlich von einem Stuntteam und der Bergwacht mit einem Klettergurt gesichert, den wir später wegretuschiert haben, und die DLRG war bei den Wasserszenen dabei. 

Worauf müsst Ihr beim Thema Naturschutz achten, wenn ihr draußen dreht? 

Wir passen total auf, dass wir alles so hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben. Die Drehgenehmigung regelt ganz genau, was man betreten darf, dass man alles, was man verändert hat, wieder wegmachen muss. Wenn man in Naturschutzgebieten dreht, gibt es sehr hohe Auflagen, man darf etwa nachts kein Licht machen, muss Vogelschutzgebiete beachten, den Lärmpegel sehr niedrig halten. 

Wie ist das, wenn Euch jemand eine Idee für einen Film anbietet, wonach entscheidet Ihr, ob Ihr ihn miteinander verwirklicht?  

Wir gehen da ziemlich nach unserem Bauchgefühl; Stoffe, die uns packen, die uns nachgehen. Und die Chemie zu den Leuten muss stimmen, mit denen man arbeiten wird, denn man geht ja eine Partnerschaft für zwei, drei Jahre ein. 

Welche Eigenschaften muss man als Produzent haben? 

Ich sehe meinen Job auch als eine Art Schnittstelle, an der vieles zusammenläuft: Regisseure und Regisseurinnen, die künstlerisch kämpfen, das Budget, das stimmen muss, die Auftraggeber, die bestimmte Vorstellungen haben – man muss viel vermitteln. Es ist unsere Stärke, dass wir dieses Spannungsfeld aushalten. Es ist auch eine pädagogisch-psychologische Arbeit. Und ich mag es einfach auch, zusammen mit anderen Menschen einen Stoff zu entwickeln. Wir sind wirklich von Anfang bis Ende dabei, von der ersten Idee bis zu den Filmfestivals. Es ist ein Gesamtpaket. Und das Schöne ist auch: Jeder Film ist eine neue Welt, in die man sich hineindenkt. 

Wie ist das Gefühl, wenn Du den fertigen Film siehst? 

Toll! Vor allem, ihn zusammen mit dem ersten Publikum auf einem Festival zu sehen – kommt er an? – das ist sehr spannend. Und ich bin immer noch nervös. 

Ein Motiv, das in fast allen eurer Filmen auftaucht, ist der Waldenecksee, ein kleiner, wilder See auf der Bruchsohle eines ehemaligen Steinbruches in der Nähe von Baden-Baden. 

Ja, der Waldenecksee war schon beim allerersten Kurzfilm dabei und seither haben wir ihn immer wieder eingebaut. Ich finde den total schön mit der riesigen Felswand, von der er zur einen Seite eingerahmt wird. Wenn die Abendsonne den See glutrot erleuchtet: Das ist ganz großes Kino.

Ganz großes Kino

Die freie Filmproduktion Kurhaus Production wurde im Frühjahr 2007 von Christoph Holthof und Daniel Reich gegründet und entwickelt Filme wie Serien fürs Kino und Fernsehen. Der Firmensitz befindet sich in Baden-Baden. Man kooperiert mit Fernsehsendern wie Arte, SWR, ZDF und ARD. 

#heimat Schwarzwald Ausgabe 43 (2/2024)

Wir in der #heimat-Redaktion können den Frühling kaum erwarten! Deswegen findet Ihr in dieser Ausgabe jede Menge Inspiration, wie Ihr Euch die wärmer werdenden Tage im Schwarzwald schön machen könnt – zum Beispiel inmitten von farbenprächtigen Blütenmeeren, in gemütlichen Cafés oder zu Hause mit leckeren Rezepten. Wer es eine Spur wilder mag: Wir nehmen Euch mit in den Nationalpark Schwarzwald, der seinen 10. Geburtstag feiert, treffen den Einrad-Mountainbiker Thomas Trück aus Baiersbronn und lernen den Schramberger Hobby-Neandertaler Markus Klek kennen. Aus aktuellem Anlass haben wir außerdem mit einer jungen Bäuerin aus Furtwangen darüber gesprochen, warum sie trotz aller Schwierigkeiten für ihren Beruf brennt – und was es braucht, damit die Landwirtschaft, die unseren Schwarzwald so sehr prägt, überleben kann.

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Christian Hodeige

Ferme Auberge Uff Rain: So schmeckts!

Das Lokal Ferme Auberge Uff Rain zählt zu den besonderen Perlen im Elsass. Unser Food-Kolumnist Christian Hodeige war vor Ort.
Café, mal anders

Die schönsten Cafes im Schwarzwald

Schwarzwälder Cafés können nur Kirschtorte, Kaffeesahne und Spitzendeckchen? Mitnichten! Wir haben gleich 12 besondere Lokalitäten gefunden. 
heimat+ Besuch bei Markus Klek

Steinzeit im Schwarzwald

Die Heimat wie ein Höhlenmensch durchqueren? Genau das hat Markus Klek gemacht! Wir haben den Steinzeit-Fan in Schramberg besucht 
heimat+ Einrad-Mountainbike

Ein Mann, ein Rad!

Mountainbiken war gestern: Extremsportler Thomas Trück aus Baiersbronn hat das Einradfahren im Gelände perfektioniert. Wir haben versucht, mitzuhalten...
... Menschen „Ich würde gerne eine Serie im Murgtal drehen“