Es isch no lang nit alles gschwätzt!

Keese statt Käse, Pipi statt rolle: Die Tochter unseres Kolumnisten will trotz seines breitesten Alemannisch einfach kein Badisch sprechen. Seine Frau findet's witzig, er hingegen ist tief in seiner Schwarzwälder Ehre getroffen – bis sein zweijähriger Sohn ihm eine wichtige Frage stellt… 

Text: Stephan Fuhrer

Man muss akzeptieren können, wenn man verloren hat. Der Gegner war schließlich kein geringerer als die Muttersprache. „Das heißt doch ,Keese‘, Paps, und nicht ,Käs’“, sagt meine Große am Küchentisch, während ihre Mutter, eine Niedersächsin mit ach so reinem Hochdeutsch, beim Tischabräumen still vor sich hin kichert. Sie weiß, wie mich das schmerzt. Ihr Grinsen ist ein Triumph, der mich und meine Schwarzwälder Ehre besonders trifft. Aber: Ich geb jetzt auf! Eine stolz getragene Niederlage ist ja auch irgendwie ein Sieg – hab ich zumindest schon mal irgendwo gelesen …

Seit nunmehr viereinhalb Jahren hatte ich’s mit meinem breitesten Alemannisch bei dem Kind versucht. Diese Muttersprache muss man doch irgendwie unterdrückt bekommen, so mein Glaube. Also hab ich meinem Schätzle am Wochenende „Weckle gholt“ und „Nudle kocht“, hab sie ins „Bettle brocht“ und ihr morgens wieder „d’Husschlappe anzoge“. Immer wieder habe ich das Mädle angetrieben, jetzt doch endlich mal „uffm Abort s’Rolle zu mache“. Und jetzt sagt die Kleine nach dem Essen auch noch, als ob sie mir den Dolch noch tiefer in mein badisches Herz treiben möchte, dass sie kurz noch „Pipi machen“ gehe. Himmel! Und das als gebürtige Offenburgerin, als Kind der Stadt der Badischen Revolution! Unsere Ahnen können sich auch noch so sehr im Grabe rumdrehen, es ist einfach so: Unser wunderbarer Dialekt ist auf dem Rückzug. Und schuld daran sind eben nicht nur die anderen, sondern auch wir selbst. Ich hätt’ mir ja au ä Schwarzwäldere ussuche könne, eine von do. Doch mich zog’s in jungen Jahren hinaus ins weite Land. Und wo die Liebe hinfällt – und trotz aller Sprachdifferenzen liebe ich meine Frau natürlich immer noch – ist die Sprache ja dann auch irgendwie egal. So brachte ich eine Tochter vom Stamme Herzog Widukinds ins Ländle. Den Feind hinter die eigene Linie sozusagen.

Aber irgendwie war der Kampf ja auch von Anfang an nicht fair. Die Wissenschaft weiß längst, dass die Sprache der Mutter bereits während der Schwangerschaft durch Schallwellen das Kind erreicht. Ein Vorsprung, der sich nicht mehr wettmachen lässt. Was mich beim Blick in die Bücher aber auch wieder hoffnungsvoller stimmt: Ein Kind kann auch zwei Erstsprachen haben, so nennt man das in der Forschung. Gut zu wissen. Vielleicht lohnen sich die vielen Mühen ja doch noch irgendwann. Und während ich noch so vor mich hin sinniere, steht plötzlich mein Zweijähriger mit einer ganz anderen wichtigen Frage vor mir. „Papa, au Bimberle?“ Der Sprachkampf im Hause Fuhrer – er scheint wohl doch noch nicht vorbei …

#heimat Schwarzwald Ausgabe 29 (6/2021)

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