Ein Mann, ein Rad!

Mountainbiken war gestern: Extremsportler Thomas Trück aus Baiersbronn hat das Einradfahren im Gelände perfektioniert. Wir haben versucht, mitzuhalten 

Text: Daniel Oliver Bachmann Fotos: Ulrike Klumpp

Wer wie ich in Forbach wohnt, der Gemeinde mit der zweitgrößten Waldfläche in Baden-Württemberg, ist von Haus aus Mountainbiker mit soliden Fahrkünsten. Aber die verblassen völlig, als ich Thomas Trück treffe. Er fährt offroad zweimal so gut wie ich – und das auch noch mit einem Einrad! 

Ob es daran liegt, dass Thomas aus Baiersbronn stammt, der Gemeinde mit der größten Waldfläche Baden-Württembergs  (16 125 Hektar)? Oder liegt es daran, dass der Mann ein Körpergefühl besitzt wie ein Akrobat? Überflüssiges Körperfett sucht man bei ihm umsonst. Dafür sorgt sein tägliches Training. Allein die Pendelstrecke zur Arbeit von Baiersbronn nach Tübingen legt der Staatsanwalt größtenteils auf dem Rad zurück, wenn auch schnöde auf einem gewöhnlichen Zweirad. Abends rundet Thomas seinen Tag dann beim
Boxen oder beim Crossfit ab. 

Einrad fahren schwer gemacht

Als ich ihn in seinem Zuhause in Tonbach besuche, fallen mir der Sandsack und jede Menge Fahrräder im Eingangsbereich auf. Hier meint es jemand ernst! Mit einer anderen Einstellung sollte sich wohl auch keiner auf einem Einrad in schwieriges Gelände wagen ...

Bevor wir zum Stöckerkopf fahren, dem Hausberg von Baiersbronn, und später den ruppigen Single-Trail am Prior-
stein auf dem Wiedenberg testen, probiere ich selbst, aufs Einrad zu steigen. Wild fuchtelnd stütze ich mich an der Hauswand ab. Thomas begleitet meine verzweifelten Versuche mit aufmunternden Worten: „Es ist schon schwer. Bei mir hat es damals Wochen gedauert, bis ich überhaupt von der Wand weggekommen bin.“ Schön zu wissen! Vermutlich fährt er seit Kindesbeinen auf dem Einrad? Weit gefehlt! „Angefangen mit dem Einrad habe ich erst, als ich
40 Jahre alt wurde“, sagt Thomas. Ganz klar, die Midlife-Crisis! Da will Mann es nochmals wissen und testet das Unmögliche aus! So war’s, oder? Nein, einen Staatsanwalt führe ich nicht aufs Glatteis. „Meine Tochter und mein Sohn wollten beide Einrad lernen. Bei denen klappte es gleich am ersten Abend. Ich habe es nicht mal ansatzweise hingekriegt, aber gemerkt, das macht mir Spaß. Deshalb bin ich drangeblieben.“ 

Thomas lächelt, steigt aufs Einrad, fährt vorwärts, fährt rückwärts, dreht Pirouetten und macht ein paar Kunststücke, die Talent-Scouts vom Cirque de Soleil staunen ließen, sollten sie mal zufällig im Tonbachtal vorbeikommen. Dazu erzählt er, dass Einradfahren im Gelände Wettkampfsport ist. Und weil er Wettkampfsport liebt, ist er auch schon bei den Weltmeisterschaften in Kanada mitgefahren. Natürlich in der Disziplin Trial, also Wettfahrt im schweren Gelände. 

Einrad-Sport: Muskeln und Balance

„It takes twice the man to ride half a bike“, zitiert er den Lieblingsspruch der Fahrer, die bei der World Unicycling Convention and Championships an den Start gehen: Es braucht die doppelte Manneskraft, um ein halbes Fahrrad zu fahren. Oder doppelte Frauenkraft, denn natürlich starten auch Frauen auf dem Einrad. 

Was es braucht, um mit dem Einrad durchs Gelände zu kommen, sehe ich am Priorstein: Balance ist so wichtig wie feinmotorische Talente. Rumpfstabilität ist ebenfalls willkommen, dazu Waden und Oberschenkel in der Arnold-Schwarzenegger-Klasse. Schließlich hat das Einrad weder Kettenblatt noch Kette und Ritzel, mit der ein Fahrer Einfluss auf die Geschwindigkeit nehmen kann. Haben wir bei einem Normalrad ein Kettenblatt mit 30 Zähnen und ein Ritzel mit 10 Zähnen, dreht sich das Ritzel dreimal in der Zeit, in der wir die Kurbel einmal drehen. Beim Einrad lässt sich die Geschwindigkeit dagegen nur über die Länge der Kurbel und die Größe des Rads bestimmen.Wem das jetzt zu viel Technik ist, sei ins Stammbuch geschrieben: Fürs Einradfahren brauchst du Muckis, vor allem bergauf. Außerdem kannst du es nie rollen lassen – als Einradfahrer muss man ständig treten. 

Jetzt gerade kurbelt Thomas mit einer Leichtigkeit bergauf, als sei das alles nichts. Anschließend fährt er in einer Geschwindigkeit bergab, dass ich vor Staunen den Mund nicht mehr zu kriege. Plötzlich wird die ganze Theorie um Balance, Rumpfstabilität und Muskelkraft sehr praktisch. 

Unterwegs mit dem Gelände-Einrad

Der Kanadier Kris Holm, Erfinder des Mountain Unicycling, der auf dem Einrad die Chinesische Mauer wie den halben Himalya befuhr, ist auch für Thomas ein Vorbild. „So ein Einrad fürs Gelände muss sehr robust sein“, erzählt er. „Die Hersteller von Mountainbikes haben das nicht im Angebot. Kris Holm schraubte als Erster Einräder fürs Offroadfahren zusammen.“ Selbst das stabilste Rad schützt nicht vor Unfällen, die auch Thomas passieren: Verstauchte Knochen, Platzwunden, Aufschürfungen, Zahnverletzungen sind die Folgen – ganz klar, Offroad-Einradfahren ist nichts für Couch Potatoes. Kein Wunder, dass der Baiersbronner mit Helm, Knie- wie Ellbogenschützern und einem Rucksack mit Rückenprotektor unterwegs ist.

Bleibt eine letzte Frage an den Staatsanwalt: Was kann ich als vormals stolzer Mountainbiker tun, um mich fürs Einradfahren fit zu machen? Zur Antwort geht Thomas in den Handstand und bleibt in dieser Haltung, ohne auch nur zu schwanken. Dabei plaudert er darüber, dass Handstandüben eine gute Idee sei, wie auch das Training auf der Slackline. So, ist es das? Ach was, ich muss ja nicht alles können! Die Midlife-Crisis habe ich schließlich hinter mir. Sollte sie nochmals anklopfen, probiere ich einfach ein Quadricycle aus. Das ist ein Fahrrad mit vier Rädern, auf dem selbst Grobmotoriker wie ich bella figura machen ...

Immer im Gleichgewicht

Einradfahren ist ein vielseitiger Sport: Mittlerweile gibt es vom Renn-Einrad über das Trial-Einrad bis hin zum Gelände-Einrad Modelle für so ziemlich jeden befahrbaren Untergrund. Bei der Unicon 20, der Weltmeisterschaft im Einradfahren, gibt es sogar 37 verschiedene Disziplinen.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 43 (2/2024)

Wir in der #heimat-Redaktion können den Frühling kaum erwarten! Deswegen findet Ihr in dieser Ausgabe jede Menge Inspiration, wie Ihr Euch die wärmer werdenden Tage im Schwarzwald schön machen könnt – zum Beispiel inmitten von farbenprächtigen Blütenmeeren, in gemütlichen Cafés oder zu Hause mit leckeren Rezepten. Wer es eine Spur wilder mag: Wir nehmen Euch mit in den Nationalpark Schwarzwald, der seinen 10. Geburtstag feiert, treffen den Einrad-Mountainbiker Thomas Trück aus Baiersbronn und lernen den Schramberger Hobby-Neandertaler Markus Klek kennen. Aus aktuellem Anlass haben wir außerdem mit einer jungen Bäuerin aus Furtwangen darüber gesprochen, warum sie trotz aller Schwierigkeiten für ihren Beruf brennt – und was es braucht, damit die Landwirtschaft, die unseren Schwarzwald so sehr prägt, überleben kann.

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