Die Uhren ticken. Tick-tack, tick-tack – wohin man hört. Manche Pendel schlagen schnell und hastig, andere langsam und gemächlich. Hubert Wursthorn hat sich für einen Moment in seine kleine Stube zurückgezogen. Kurz durchatmen, bevor er den Abendgästen in seinem Hotel in Eisenbach das Wildschwein vom Grill servieren wird. Er sitzt auf der Eckbank, den Unterarm auf den Tisch gestützt. „Klingt das Ticken nicht schön?“, fragt er und lächelt selig. „Das ist der Klang des Schwarzwalds!“ Die Stunde wird gerade voll. Ein Kuckuck meldet sich aus einem kunstvoll geschnitzten Gehäuse zu Wort. Dann noch einer und noch einer …
Die großen Pioniere
Über Hubert Wursthorn könnte man viele Geschichten erzählen. Zum Beispiel die von seinem Bogensporthotel Bad, mit dem er Urlaubern und Einheimischen gleichermaßen einen Sport beibringt, den man bei uns nicht an jeder Ecke ausüben kann. Oder auch von der Kunst, ein ganzes Wildschwein über dem Feuer zu brutzeln, ganz so, wie Asterix und Obelix es auch am liebsten mögen. Die sicherlich beeindruckendste ist aber die Geschichte seiner Familie. Denn Hubert ist der Ururenkel von Johann Baptist Beha – dem Mann, den sie Engländer nannten.
Der Ahne des Eisenbachers ist einer der ganz großen Pioniere, die Schwarzwalduhren einst in die Welt getragen und so entscheidend zu ihrem heutigen Ruf beigetragen haben. Kein Wunder, dass hier im Hotel an jedem Quadratzentimeter Wand eine Uhr vor sich hin pendelt. Man könne ihn gerne Freak nennen, sagt Hubert und grinst. Nicht schlimm, denn genau solche brauche es heutzutage auch, um unser Schwarzwälder Erbe zu erhalten. Denn unsere Uhrmacherei steht an einem Wendepunkt.
In Sachen Kuckucksuhr ist der Kommerz längst stärker als die Tradition – auch wenn einige Uhrmacher diese Entwicklung zuletzt wieder ein bisschen zurückgedreht haben (wie Ihr weiter hinten in unserer Chronik noch sehen werdet). Zudem hat die klassische Uhr digitale Konkurrenz bekommen. Die Smartwatches dieser Welt brauchen weder mechanische Uhrwerke noch geschnitzte Gehäuse. Für die wenig echten Schwarzwälder Uhrmacher steht deshalb nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft eines Berufsstandes auf dem Spiel, der den Schwarzwald wie kaum ein anderer geprägt hat.
Die Geschichte der Behas steht exemplarisch für viele Familien, die im 17., 18. und 19. Jahrhundert mit ihrer Arbeit dafür gesorgt haben, dass unsere Region noch heute als eines der ganz großen Uhrmacherzentren weltweit gilt. Und das weit über das Thema Kuckucksuhr hinaus, denn sie ist im Prinzip nur ein Markenzeichen der Schwarzwalduhren – wenn auch sicherlich das berühmteste. Gerade in Huberts Heimatörtchen Eisenbach waren die Bedingungen für die Uhrmacherei einst günstig. Die Bauern hatten wenig Land, und nachdem auch noch Ende des 17. Jahrhunderts die Eisenbergwerke stillgelegt wurden, gab es kaum Beschäftigungsmöglichkeiten. Uhren kamen da wie gerufen. Man konnte zu Hause an der Werkbank tüfteln und schnitzen, gerade in den kalten, langen Wintern des Hochschwarzwalds. Mit Holz kannte man sich ja aus. Und auch mit den filigranen Metallarbeiten klappte es mit der Zeit immer besser. So entwickelte sich nach und nach das Wissen für ein besonderes Handwerk, das bald schon in die ganze Welt gebracht wurde – von Pionieren wie dem Engländer.