Die besten Tipps für ein Wochenende in Lörrach

Basel, Weil, Mulhouse – bei so vielen namhaften Städten drum herum hat es Lörrach nicht leicht. Doch die Stadt wird unterschätzt!

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Gut, dass es Ex-Kollegen gibt. Die kann man fragen, wenn man nicht weiterweiß. Was kann man denn in Lörrach machen? Antwort einer Lörracherin: nach Basel fahren. Ganz ehrlich, mit dieser kalten Dusche hatte ich gerechnet. Der Hornberger findet Gengenbach schnucklig. Wer Offenburg kennt, freut sich auf Straßburg. Die Freiburger träumen von Basel. Wie heißt es so schön beim „Hans im Schnokeloch“: Un wàs er hàt, dàs wìll er nìt, un wàs er wìll, dàs hàt er nìt. So lebt der Alemanne – und leidet an der Welt.

Freitag, 15 Uhr

Um den Bahnhof gibt es in Lörrach wie überall die üblichen Geschäfte, mit einem Hauch von Pizza in der Luft. Als Gegenmittel versuche ich, mich an Stimmen-Konzerte (Tocotronic, Peter Fox, Neil Young) zu erinnern und dass es in Lörrach den Burghof hat, der in Sachen Konzertkultur enorm was stemmt. Schokolade wird hier in rauen Mengen produziert, die Burg Rötteln ist die größte weit und breit. Und sonst? In Weil am Rhein hat es Vitra und Vitra-Museum. In Riehen (Basel) die weltberühmte Fondation Beyeler. Die ganz große Kunst wird in Basel gespielt. Dort fließt auch der Rhein. Durch Lörrach fließt nur die Wiese.

Beim Spazieren entdecke ich die Balkenhol-Skulptur auf einer Stele auf dem Senser Platz. Wohin schaut er? Was entdeckt er in der Stadt? Nebenan gönne ich mir einen Cappuccino im Eckcafé Arabica, mit seinem Dutzend Sorten Röstungen, dazu Tee und Kekse, Pralinen und Schokolade. Sogar wenn Lörrach ansonsten eine Pleite wäre, könnte ich ein Geschenk mit heimbringen. Ist die Stadt aber nicht, das ist mir jetzt schon klar. Auf dem Marktplatz machen sich die Cafés Konkurrenz. Die Stadt brummt. Ich höre durstige Leute eine Stange (Bier) bestellen und immer wieder den Schweizer Dialekt. Man kommt nicht nur zum Großeinkauf nach Lörrach. Ein Bus als rollende Bibliothek aus Mulhouse steht mittendrin mit französischen Büchern und Comics.  

Freitag, 17 Uhr

Nach ein oder zwei Stunden lande ich in der Pizzeria Artischocke. Früher war’s eine Metzgerei, später ein philosophisches Café (Wein oder nicht Wein?). Jetzt ist es eine sizilianische Pizzeria. Die Spezialpizza mit gefülltem Rand und etwas zu viel Tomaten (und leider etwas zu wenig Salsiccia) ist schön knusprig. Mit dem Sound von Frank Sinatra fühle ich mich ziemlich nah an Catania.  

Aber jetzt will ich es wissen und wage mich in den Wilden Mann, Lörrachs heimliche Zentrale für Snacks, Sprit und News – schon seit Jahrhunderten. An dieser Ecke ritten 1848 die badischen Revoluzzer in die Stadt. Freiheit! Für drei glanzvolle Tage war Lörrach die Hauptstadt Deutschlands. Wirt und Weinhändler Hanspeter
Gerber gibt mir eine kleine Einführung in die Lörracher, sprich Markgräfler Weinwelt. Ein Gutedel kann sich von einem anderen so unterscheiden wie ein Grauburgunder von einem Weißburgunder. Apropos: Der Ziereisen Grauburgunder ist anbetungswürdig.  So stelle ich fest: Lörrach hat’s gut erwischt.

Ein frisches Bier lasse ich mir im Hotel Stadt Lörrach schmecken. Der Mann hinter der Bar ist leutselig, erzählt mir von den Winzern und wie viele Gäste normalerweise in die Stadt kommen. Nächste Woche ist das Hotel voll, sagt er. Im 18. Stockwerk schaue ich auf die Lichter der Stadt.

Samstag, 9 Uhr

Bircher Müsli, Croissant, top Cappuccino und wunderbare Stühle von Vitra. So starte ich im Hotel und dann auf den Wochenmarkt am Neuen Marktplatz mit seinen vielen Ständen aus dem Umland, mit eigenem Schnaps, eigenem Gemüse, eigenem Hefezopf. Beim Stand von Hans Probst probiere ich einen Hefekuchen nach Hausrezept. Köstlich! 50 Meter weiter rechts hinten grinst ein glücklicher Mann aus seinem Wagen. Raimund Minias ist der King of Käse. Die Weichkäse kauft er in Frankreich ein, die Hartkäse in der Schweiz, zudem welche aus Italien. Manchmal braucht er lange, bis er über den Brenner kommt, erzählt er. Aber das will er sich nicht nehmen lassen, den Kontakt zu den Bauern. Der Alpkäse (aus über 1200 Metern Höhe) schmeckt so würzig wie ein Comté. Auf der anderen Seite werden gerade Blumensträuße gebunden. Waldtraud Weiß vom Rosenhof Weiß ist ganz vertieft in ihre Arbeit. Regionales Mehl samt Backmischungen bietet die Streichmühle an. Dort, wo es nach Klöpfer (Bratwurst) riecht, gibt es auch Speck. Ein Mann im Zylinder fällt mir auf. Es ist der Italo-Basler Andrea Giovanni Käppeli, seines Zeichen Fotograf und Lebenskünstler. 

Die alles-wissende Stadtführerin Manuela Eder hat ihren Auftritt und mit ihr spaziere ich durch die Gassen und die Basler Straße rauf und runter. Von ihr erfahre ich, womit früher hier Geld gemacht wurde (Textilindustrie) und warum es nicht nur die eine Balkenhof-Figur hat, sondern noch viel mehr Kunst. Immer wenn irgendwo etwas neu gebaut wird, das passiert häufig, muss auch Kunst integriert werden. So ist es Stadtgesetz. Und wenn gebaut wird, dann muss es außergewöhnlich sein. 

Samstag, 12 Uhr

Das Café Pape ist das Café der Stadt, wenn es um Tradition und – wieder ein Schweizer Wort – Gipfel (Hörnchen) geht. Das Holz ist noch aus alter Zeit, so mancher vom Personal auch, genauso wie die Rezepte für Käse- und Apfelkuchen. Nach der Pause geht es ins Dreiländermuseum, das die Grenzlage feiert. Was denken die Leut’ beim Stichwort Franzosen? Wenn sie einen Schweizer vor Augen haben? Käse, Baguette, Rivella und dies und das. Mich begeistern die historischen Landkarten und Emaille-Schilder zum Thema Wein und Bier, das Grenzhäuschen, die Hörstation, Schmugglerwaren. Sehenswert!

Samstag, 17 Uhr

Jetzt ist bald Zeit fürs Essen. Aber halt, der Comicladen in der Basler Straße sollte nicht übergangen werden. Asterix im Ruhrdeutsch, die neuesten Abenteuer von Cat Woman, Winnetou und dann ein dickes Buch über einen Habsburger entführen mich aus Raum und Zeit. Eventuell lasse ich mich einschließen … Zwei Häuser weiter entdecke ich den nächsten Hammer, den Herrenausstatter Stammhalter. Hier könnte ich mich für die Fuchsjagd einkleiden lassen oder eine Taschenuhr kaufen. Die Zeit wird auch im Secondhand-Plattenladen Undercover zurückgedreht mit den original Vinylscheiben.  

Samstag 19 Uhr

Zum Abend erstmal ein Schock! „Wir müssen Ihnen den Tisch absagen. Corona.“ Tatsächlich geht im Mättle nichts, man bietet mir aber stattdessen im Eckert in Grenzach-Wyhlen einen Ersatz an (beide Häuser haben den gleichen Besitzer). Okay! Wie ich erfahre, ist es etwas gehobener als das Mättle. Eine Blitzrecherche ergibt, dass Eckert-Chefkoch Nicolai Wiedmer bei Tanja Grandits gelernt hat. Das ist die Basler Köchin, die gerade die Schweiz verzaubert. Trotz Fine-Dining-Alarm ist von Steifheit nichts zu spüren. So freundlich-lässig zu bedienen ist auch eine Kunst. Das Vier-Gänge-Menü aus Röllchen, Tupfern, Schäumchen, Farben und scheinbar gegensätzlichen Aromen erklärt, was der Chefkoch mit „Abenteuer im Mund“ meint. Der kleine Turm aus Rehfleisch, fest beim Schneiden, butterzart im Mund, ist womöglich die ganz hohe Kunst. Dann das selbst gebackene Sauerteigbrot, das es exklusiv nur hier gibt. Die feine, regelmäßige Krume lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass das Brot handmade ist und aufregend schmeckt. Reizend und passend auch die Weinbegleitung, z. B. ein Sauternes aus Bordeaux zum Prä- und Hauptdessert. 

Sonntag, 9 Uhr

Wieder Croissants, wieder Bircher … Ich fühle mich im Hotel wie in einem Vitra-Katalog, verlasse ihn aber für eine Reise in die Ritterzeit auf die Burg Rötteln, ein XXL-Felsennest aus grauem Granit mit Aussicht auf Lörrach, Riehen, den Tüllinger Berg (auch hier Weinbau, auch hier top Aussicht!), dann Basel und einen der Roche-Türme und rechts vom Tüllinger Berg in den Sundgau (Frankreich) hinein. Auf der anderen Seite versperrt der Hotzenwald den Blick nach Osten. Einige Mauern sind zwei Meter dick. Nachdem die Burg 1678 erobert und ruiniert wurde, hat man versucht sie abzutragen, aber die Burg liegt einfach zu gewagt auf dem Sporn. Darum hat sie immer noch zwei stolze Türme. Zufällig ist der Burgvogt Uwe Gimpel da, der Vereinsvorsitzende der ehrenamtlichen Helfer, die hier jedes Wochenende etwas werkeln, damit die Ruine so schön romantisch bleibt und nicht zusammenkracht. Bis zu 50 000 Besucher pro Jahr kämen hierher, erzählt er, die meisten aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Die Aussicht ist fantastisch, das kleine Museum liebevoll und informativ. 

Sonntag, 12 Uhr

Die Bridge-Gallery wird meine letzte Station. Hier wurden unter einer Autobahnbrücke übergroße Graffiti legal auf Brückenpfeiler gesprüht. Vom Beton schauen mich  Superhelden, Gangster und Außerirdische an, eine überirdisch große Hand gibt ein Zeichen, eine Tüte Eis macht Lust auf selbiges. Und das ist längst nicht alles!  Auch spannend: Der blaue Himmel verläuft als lange, blaue Linie zwischen den Fahrspuren der Autobahn über mir. 

Das regelmäßige Donnern der LKW über meinem Kopf erinnert mich daran, dass ich ursprünglich nach Riehen, Basel und sogar Weil am Rhein fahren wollte. Aber wozu? Die große Kunst (Balkenhol und andere) habe ich in Lörrach gesehen, auf Eames-Stühlen von Vitra bin ich mehrmals gesessen, Schweizer Spezialitäten habe ich auch hier bekommen, Gutedel von den Besten, ein Ausflug nach Palermo war im Programm, ich entdeckte Geschäfte, die anderswo längst ausgestorben sind, und das vielleicht beste Sauerteigbrot ever. Hanspeter Gerber vom Wilden Mann meinte zwar, dass man hier unter dem Radar fliegt, aber #heimat-Leser wissen nun, was in Lörrach los ist. Eine Menge! 

Unsere Tipps

Essen & Trinken

Wilder Mann (Basler Straße 172) Tagesessen, Snacks, Kaffee, Bier, Wein und Weinverkauf sowie sehen und gesehen werden.    

Drei Könige (Basler Straße 169) Restaurant, Bar, Delikatessen. Der Gegenspieler zum Wilden Mann gegenüber.   

Café Pape (Basler Straße 157) Ein Café der alten Schule, beliebt seit Anno Tobak.     

Mättle/Eckert (Lörrach/Grenzach-Wyhlen) Die gehobene und die noch gehobenere Küche im Dreiländereck.    

Vierzehn (Tumringer Straße 223), Pinsa, Bowls und was sonst noch angesagt ist. Auch für Frühstücker.    

Schlafen

Hotel Stadt Lörrach (Belchenstraße 19a) Zentrale Lage, toller Ausblick, stylische Bar und ambitionierte Küche. Fein und gut gemacht!   

Einkaufen

Stammhalter (Basler Straße 158) Wer Schnurrbart trägt, Hosenträger liebt und Johnny Cash hört, muss hier rein. Knorke!   

Comix Time (Basler Straße 156) Achtung! Comic- und Manga-Alarm!   

Undercover (Tumringer Straße 196) Für alle, die Mick Jaggers erstes Soloalbum suchen, hier könnte es sein. Für Fans von Vinyl. 

Hingehen

Burg Rötteln (Burg Rötteln) Lörrachs Eiffelturm. Ein Muss! Ziel bzw. Ausgangspunkt des Westwegs. 

Fondation Beyeler (Baselstraße 101, Riehen /Basel) Bestes Kunstmuseum weit und breit und gut erreichbar.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 35 (6/2022)

Lust auf entspannten Kurzurlaub im Schwarzwald? Genau dahin nehmen wir euch in der neuen #heimat mit. Unsere Autorin Sarina war saunieren, kneippen, baden und chillen – und hat dazu die besten Wellness-Oasen in der Region zusammengestellt. Außerdem besuchen wir eine Lebkuchenbäckerei in Todtmoos, einen E-Gitarrenbauer in Bühl, stellen euch eine ganz besondere Tanne vor, backen und brutzeln fürs Fest – und vieles mehr! Die neue #heimat ist ab heute überall im Handel erhältlich. Und auch in unserem Online-Magazin findet ihr viele der Reportagen, Porträts, Tipps und Rezepte - schaut doch mal rein!

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