Die badische Balkan-Connection

In Schallstadt macht ein Metzger einen Balkan-Schinken, der über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist

Text: Lars Müller · Fotos: Dimitri Dell

Tür auf, und schon hallt uns ein lautes, fröhliches „Dobre Dan!“ entgegen. Das klingt ja schon mal sehr nach Balkan, jenem Teil Europas mit mediterranem Klima, mystischen Wäldern, malerischen Hochebenen – und ja, mit ganz viel Fleisch. Doch wir sind hier halt nicht zwischen Slowenien und Albanien, wo man früher die Winnetou-Streifen gedreht hat, sondern in Schallstadt. Mitten im Markgräflerland. Und Metzger Wolfgang Kaltenbach, der uns hier gerade begrüßt, ist jetzt auch nicht gerade jemand mit ur-slawischem Namen und Aussehen. Trotzdem gibt’s bei ihm den besten Balkan-Schinken weit und breit. Nur: Wie passt das zusammen?

Was der Metzger nicht kennt

Wolfgang Kaltenbach, 69 Jahre alt, berichtet von den 1990ern, als im Zuge des Jugoslawien-Krieges Flüchtlinge vom Balkan in die Gegend kamen. „Und dann klopften die mit ihren Gewürzen und Rezepten an meine Tür und fragten, ob sie bei mir ihr heiß geliebtes Trockenfleisch und ihre Würste herstellen dürften“, erzählt er. Sie durften. Denn als der Fachmann das rotschimmernde Fleisch sah und die ganzen neuen Aromen roch, sei ihm schnell klar gewesen: Das wird ein spannendes Abenteuer! Und bald entwickelte Wolfgang, der im Laufe der Zeit nicht nur sprachlich dazulernte, sondern sich mit den neuen Produktionsabläufen vertraut machte, sogar schon eigene Rezepte.

Von all den südosteuropäischen Fleischspezialitäten, die in den Kühlräumen des Metzgers lagern, ist Suho Meso sein Favorit. Das Trockenfleisch ist auf dem Balkan so beliebt wie hierzulande Salzstängele oder Kartoffelchips. Wolfgang hängt ein Suho Meso ab und schneidet es auf. Es ist, wenn man so will, ein edles Stück mit zwei Heimaten. „Bei uns wird ausschließlich Fleisch von regionalen Tieren verwendet“, erzählt der Fleischer. Das Rindfleisch liegt für zwei Wochen in Salz, Knoblauch und Paprika ein, bevor es auf dem hauseigenen Fleischbalkon oder in Reiferäumen aufgehängt wird und weiter reift. Leicht räuchern und fertig – so einfach geht das Prinzip, auch wenn der Teufel natürlich wie so oft im Detail steckt. Jeden Monat entstehen so zwei Tonnen (!) Suho Meso. Die muslimische Kundschaft wird dabei immer berücksichtigt: Damit kein Schweinefleisch in Berührung mit dem Rind kommt, werden die Balkan-Produkte nur freitags hergestellt. 

Integration mal anders

Längst sind auch viele Einheimische auf den Geschmack gekommen. Wolfgangs Fleischtheke ist praktischerweise zweigeteilt: Rechts werden badische Klassiker wie Lyoner und Fleischkäs verkauft, links Balkanspezialitäten – und eben kein Schweinefleisch. Selbst Messer und Schneidebretter haben auf der rechten Seite eine andere Farbe als auf der linken. So gewinnt man Abnehmer in ganz Deutschland, manchmal geht eine Lieferung sogar nach Helgoland. Der Online-Shop macht’s möglich.

Besonders stolz macht es den Metzger dann aber, wenn badische Kunden ein Suho Meso oder bosnische einen Halal-Fleischkäse mit nach Hause nehmen. Wenn sich Völker über kulinarische Vorlieben kennenlernen, glaubt Wolfgang, sei das sicher nicht der schlechteste Weg für noch mehr Verständigung …

Der Metzger

Mit nur 23 Jahren eröffnete Wolfgang Kaltenbach 1975 in Kollmarsreute seine erste Metzgerei – damals noch mit drei Mitarbeitern und einem Hanomag. 1982 folgte dann der Umzug nach Schallstadt. Mittlerweile beschäftigt Kaltenbach 50 Mitarbeiter – und die nächste Generation steht schon in den Startlöchern. Ihre Balkanspezialitäten gibt es inzwischen auch online. Alle Infos:
www.kaltenbach-fleisch.de

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