Der Uhrologe von Freiamt

Wer hat an der Uhr gedreht? Na der Hans – und der kann das! Im Freiämter Turmuhrenmuseum wird durch Uhrenliebhaber wie ihn Zeit erlebbar

Text: Jana Baier · Fotos: Rohollah Mosavi

Tick Tack. Tick Tack. Wir werden vom Ticken verschiedenster Uhren begrüßt, als wir das Turmuhrenmuseum in Freiamt durch die alte Scheunentür betreten. Turmuhren, Wanduhren, Pendeluhren gibt es hier – jede Uhr tickt in ihrem eigenen Rhythmus. Als würden sie untereinander ein Schwätzchen halten.

Im Inneren des Museums hängen Ziffernblätter, Zahnräder und Pendel an den massiven Steinwänden. Manche von ihnen haben schon knapp 300 Jahre auf dem Buckel. Gehütet, restauriert und ausgestellt werden sie von Hans Grafetstätter, den man in Freiamt auch scherzhaft als den „Uhrologen“ kennt. Seit 2012 kümmert er sich liebevoll um alles, was tickt: „Mich fasziniert die Mechanik, die in einer Uhr steckt“, erzählt er, während er uns durchs Museum führt. Denn die Getriebe der Uhren müssen exakt auf die Sekunde funktionieren und sind damit – jede für sich – mechanische Meisterwerke. Fasziniert von Uhren war der ehemalige Lehrer schon immer: „Ich habe immer noch die Glockenschläge aus meiner Kindheit im Ohr.“

Am Anfang stand ein Machtwort

Das erste Stündlein des Museums, das mittlerweile vom Heimatverein Freiamt geführt wird, hat 2012 geschlagen. Angefangen hatte alles mit Hans’ Leidenschaft. Und einem Machtwort seiner Ehefrau. Denn seit einigen Jahrzehnten sammelt er nun schon Turmuhren, zu Beginn nur bei sich zu Hause. Über die Jahre hatte sich die Sammlung im Garten und dann im Wohnzimmer ausgebreitet. „Als dann das Schlafzimmer drankam, war seine Frau nicht mehr sonderlich begeistert“, scherzt Jürgen Schneider, der Kurator des Museums. Doch zum Glück hatte er genau in diesem Moment von der Sache Wind bekommen – und eine Idee: Als Mitglied des Freiämter Heimatvereins kannte er einen geeigneten Platz für die Turmuhren. Kurzerhand wurde die private Sammlung in den Freihof verfrachtet und zu einem öffentlichen Museum umgewandelt.

Insgesamt 65 Turmuhren haben hier inzwischen ein neues Zuhause gefunden. Doch das Museum bietet noch einiges mehr: Wanduhren, Schilderuhren, Zeiger, Gewichte und Deko. Mit der Zeit eignete sich Hans viel Spezialwissen an, kann nun auch schweißen, löten und Blei gießen. Und dabei kann er zusätzlich auf viel Unterstützung im Ort bauen. „Man hilft sich hier in Freiamt gegenseitig“, erzählt Jürgen stolz. Zudem basiert alles auf dem Ehrenamt, das Museum kostet keinen Eintritt, finanziert wird es durch Spenden. Auch beim Transport von neuen Uhren, die geschenkt, gekauft oder vererbt werden, helfen die Freiämter gerne. Denn so eine Turmuhr kann schon mal vier Zentner wiegen und muss manchmal für den Umzug auch auseinandergebaut werden. Für die helfenden Hände sind die Museumsherren dankbar. „Das sind so Momente, wo Heimat greifbar wird“, findet Hans.

Die inneren Werte

Obwohl draußen die Schwarzwaldtannen in den Himmel ragen, steht hier in Freiamt beim Thema Uhren mal nicht der Kuckuck im Mittelpunkt. Die Exponate stammen überwiegend aus Frankreich, der Rest aus Deutschland und ein paar vereinzelte kommen aus Österreich, Portugal und England. Aus einem Loch in der Decke hängt eine große Kirchturmglocke. „Vorsicht, gleich wird es laut!“, warnt uns Hans und läutet die Glocke. Echt laut! Wir halten uns die Ohren zu. Und dann ertönen kurz darauf später doch noch die wohlbekannten Kuckucks-Rufe. Ein paar Uhren aus dem Schwarzwald gibt es hier dann doch, kunstvoll geschnitzt oder bemalt. Hans selbst interessiert sich aber viel mehr für die inneren Werte. Die Mechanik fasziniert ihn, denn die ist komplexer, als man denkt.

An den Museumswänden hängen fast überall Zahnräder, Pendel und Gewichte. Als Besucher darf man sogar selbst die Uhren aufziehen und die Mechanik aus direkter Nähe beobachten. Jedes Teil hat seine eigene Funktion, die wiederum ein anderes beeinflusst. Zahnrad für Zahnrad quasi. Und das muss alles genau berechnet werden, denn eine Sekunde ist nun mal genau eine Sekunde. Schon die kleinste Abweichung wäre fatal. Es ist beeindruckend, wie erfinderisch und exakt die Mechanik unserer Vorfahren ist. Das sieht auch Hans so: „Solche Erfindungen gehören meiner Meinung nach zu den großen Erfindungen der Menschheit!“

Zum Abschied läuten Hans und Jürgen noch einmal ein paar Glocken, die draußen neben dem Eingang hängen. Auf dem Rückweg fragen wir uns, wie viel Uhr wir denn jetzt haben. Ein Blick aufs Handy, und wir wissen’s. Schade eigentlich – das Zählen der Glockenschläge hat irgendwie mehr Spaß gemacht …

Führungen

Die Uhrenschätze im Museum (Adresse: Freihof 11, Freiamt) kann man bei gebuchten Führungen das ganze Jahr über bestaunen. Wer sich für einen Besuch zu den regulären Öffnungszeiten am Freitag zwischen April und Oktober entscheidet, kann danach sogar noch über den Bauernmarkt im Freihof schlendern (Unser Tipp! Klein, aber fein). Alle Infos und Öffnungszeiten gibt es im Netz unter www.turmuhrenmuseum-freiamt.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 37 (2/2023)

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