Der Schwarzwaldhof-Hunter

Jens Schneider sucht den Schwarzwald nach den spannendsten Höfen ab, um ihre Geschichte zu erfahren. Wir trafen ihn bei einem besonderen Schätzle

Text: Stephan Fuhrer Fotos: Fabio Bosco

Allzu lange muss man das Kirnbachtal nicht hinauf fahren, wenn man imposante Schwarzwaldhöfe sehen möchte. Sie säumen ja mit ihrem mächtigen Antlitz, mit ihrem uralten Gebälk und ihren in diesen Tagen blühenden Geranien, die üppig von hölzernen Balkongeländern herunterhängen, quasi die ganze Straße hinauf in Richtung Moosenmättle. Wir sind allerdings auf der Suche nach einem ganz besonderen. „Einem der allerschönsten im ganzen Schwarzwald!“, wie uns Jens Schneider versprochen hat. Klar, dass wir den kennenlernen wollen … 

Der Hof-Hunter

Jens ist der Mann, den wir auf diesem Gehöft mit dem simplen wie vielsagenden Namen „Hof am Berg“ treffen möchten. Der 35-Jährige, der vor sieben Jahren in den Schwarzwald gezogen und in Schiltach zu Hause ist, kennt sie (fast) alle: diese großen, nicht selten mächtigen Gebäude, die nicht nur schön anzusehen sind, sondern so viel über unsere Heimat erzählen können. Genau diese Geschichten sammelt der Hof-Hunter und gibt sie weiter. In jeder freien Minute ist er dafür unterwegs, um die prachtvollsten Exemplare zu finden. Auf seinem Instagram-Account historischer_schwarzwald stellt er sie vor – für mittlerweile mehrere tausend Follower. 

Alte Schönheit

Das Navi sagt „links“, aber hier, in diesen hintersten Winkeln des Schwarzwalds, hat es eben auch nicht immer recht. Wir fahren stattdessen besser rechts in eine Sackgasse, aber eben den Berg hoch und nicht runter, durch ein kleines Wäldchen, um die Kurve, und plötzlich liegt es wie aus dem Nichts vor uns, dieses mächtige Gebäude mit seinem strohgedeckten Walmdach. 

Wow, was für ein Anblick! Und was für ein Ausblick von hier oben! Zu unseren Füßen liegt Kirnbach, dahinter das Kinzig-, Gutach- und Wolftal. Eigentlich merkwürdig, dass wir den Hof von unten gar nicht wahrgenommen hatten. Doch der Winkel ist leicht schräg, vielleicht lag’s daran. Und da kommt auch schon Jens um die Ecke und begrüßt uns freudig. Die Besitzerin hingegen ist nicht zu Haus’. Die Erlaubnis, hier zu sein, hatten wir aber natürlich im Vorfeld bekommen. 

Geschichte aus Holz & Stroh

So, jetzt aber ist Jens am Zug, der uns nach einem kurzen Rundgang rund ums Hauptgebäude sofort mitnimmt in die mehr als 450 Jahre währende Geschichte dieses Hofes, der 318 Jahre lang eng mit der Familie Faißt verbunden war und dann, stark baufällig, vom Ehepaar Maßholder mithilfe des Denkmalamts grundsaniert wurde (die ganze Geschichte lest ihr im Kasten unten). Woher er das alles weiß? „In erster Linie aus Gesprächen mit den Besitzern, aus denen sich dann meist direkt weitere Recherchegrundlagen ergeben“, erzählt Jens. „Ich liebe diese Detektivarbeit! Man weiß auch nie genau, wer und was einen hinter so einer Hoftüre erwartet“, erklärt er seinen Antrieb. Was er dann über Social Media veröffentlicht, sei natürlich abgesprochen.

Wo gibt’s die größten Dächer?

Für diese Leidenschaft steht er an Samstagen mitunter auch schon mal um vier, halb fünf Uhr morgens auf – um vor Ort mit dem besten Morgenlicht fotografieren zu können. Die Höfe selbst findet er nicht selten übers Netz. „Google Earth“, sagt Jens und grinst. „Ich schau da immer nach auffälligen, großen Dächern, recherchiere vorab oder fahr’ einfach direkt hin und klingele.“ In den allermeisten Fällen seien die Besitzer natürlich erstmal überrascht, aber dann redselig. „Man merkt den Leuten dabei auch immer einen gewissen Stolz an, wenn sie über die Geschichte erzählen. Sie verlieren sich dabei förmlich, das ist schön“, findet der Hofjäger.

Was er mit seinen ganzen Infos noch machen möchte? „Ich arbeite an einem Buch“, sagt Jens. Rund 50 der spannend-
sten Höfe sollen darin mit ihrer Geschichte und der ihrer Bewohner gewürdigt werden. Insgesamt hat er inzwischen bereits mehr als 250 besucht. „Ich find’s ja selber krass, was da schon zusammengekommen ist“, meint er lachend. „Aber irgendwie lassen mich diese Höfe einfach nicht mehr los …“

Noch mehr Schwarzwald-Architektur?
Während Jens den alten Geschichten hinterherjagt, kann man auf der neuen Schwarzwälder Architekturroute Objekte bestaunen, die Traditionen und Moderne miteinander verbinden. 95 Objekte, darunter Museen, Hotels, Gasthäuser, wurden ausgezeichnet und sind auf verschiedenen Touren erlebbar. Mehr Infos: bauwerk-schwarzwald.de und auf schwarzwald-tourismus.info/architektur-route

Geschichte zum Hofgut Faißt am Berg

Die Geschichte des Hofguts vor dem Grande geht bis in das Jahr 1424 zurück. Damals wurde der Hof das Tregers güt genannt, das zuvor zu Hornberg gehörte. Über mehre Besitzer gehörte der Hof zuletzt Rochus Merz von Staffelfelden zu Schramberg, der das Hofgut im Jahre 1558 tauschte und dieser somit wieder zur Herrschaft Württemberg gehörte.

So wurde das Hofgut vor dem Grande um 1558 vom Bauernpaar Ulrich und Rosina Jos bewohnt, die Wald-, Acker-, Feld- und Viehwirtschaft betrieben. Jedoch waren sie zu dieser Zeit gegenüber der Herrschaft Württemberg jährlich zu einem Zins und auch zu zahlreichen Frondiensten verpflichtet. Als der Hofbauer Ulrich starb, erbte 1590 Rosina das Hofgut und bewirtschaftete es mit ihren Sohn Ulrich junior weiter.

Nach dem Tod von Rosina übernahm Ulrich junior mit Ehefrau Katharina das Hofgut vor dem Grande, das sie nach väterlicher Sitte in der Bewirtschaftung fortführten. So kümmerte sich der Hofbauer Ulrich um die Landwirtschaft, während Katharina und ihre Tochter Maria den Haushalt pflegten, die Wäsche machten und das Vieh fütterten. Einige Jahre später lernte Maria den Bauer Johann Jacob Faißt kennen, den sie 1688 heiratete. Als das Altbauernpaar Ulrich und Katharina verstarb, erbten Maria und Johann Jacob das Hofgut.

Nachdem Maria 1706 starb, blieb Johann Jacob zunächst alleine auf dem Hofgut ansässig, bis er 1709 die Gutacherin Anna Lehmann heiratete, die zu ihm auf das Hofgut zog. Johann Jacob blieb bis zu seinem Tod 1721 auf dem Hofgut ansässig. Danach ging es in den Besitz des Hoferben Jacob Faißt über, der 1724 die Bauerstochter Christina Aberle heiratete. Sie führten die Land- und Viehwirtschaft weiter. 1732 folgte die Geburt ihres Sohnes Johannes, der von Kindesalter seinem Vater bei der Bewirtschaftung mithalf, damit er eines Tages das Hofgut übernehmen konnte.

Im Jahre 1757 heiratete Johannes die Tochter des oberen Sonnenwirts, Barbara Röck, die zu ihm auf das Hofgut zog. Als die Altbäuerin Christina 1762 und ihr Ehemann Jacob 1765 verstarben, erbten Johannes und Barbara das Hofgut Faißt am Berg, das sie mit ihrem Sohn Johann Georg in der Land- und Viehwirtschaft weiterführten. Nach dem Tod des Altbauernpaares übernahm Johann Georg mit Ehefrau Barbara das Hofgut.

Das Hofgut Faißt am Berg blieb so 318 Jahre im Besitz des Geschlecht Faißt, bis der letzte Hofbauer Georg Faißt verstarb. Die Erben verkauften den zur damaligen Zeit stark baufälligen Hof an Horst und Regina Maßholder, die mit Hilfe des Denkmalamtes innerhalb von drei Jahren das Hofgut restaurierten, um die historische Bausubstanz zu erhalten. Mit viel Liebe und Hingabe zur historischen Bauart wurde ein schöner Schwarzwaldhof im Kirnbachtal erschaffen. Das alte Dach wurde durch ein schönes Strohdach ersetzt, um dem jetzigen Hofgut einen historischen Charakter zu verleihen.

So erfüllten sich die Familie Maßholder einen Traum vom Leben in einem über 400 Jahre alten Schwarzwaldhof, den sie nach Beendigung der Baumaßnahme über Jahre bewohnten. Jedoch verkauften Horst und Regina Maßholder im Jahr 2014 das Hofgut Faißt am Berg an die heutige Besitzerin, die im Inneren sowie im Außenbereich des Hofes, noch die eine oder andere notwendige Renovierung durchführen ließ und bis zum heutigen Tag mit ihrem Hund darin lebt.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 38 (3/2023)

Freut Euch in dieser #heimat auf Erdbeer-Rezepte, Schwarzwälder Van-Life, eine Boots-Tour im Elsass, ein spannendes Interview mit Frank Elstner und unser Heimatwald-Projekt – zusammen mit weiteren spannenden Menschen und ihren Geschichten. Was hat es zum Beispiel mit dem Schneekönig auf sich – im Mai? Und wer steckt hinter dem Titel Badens Winzer des Jahres? Lest selbst!

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

heimat+ On Tour

Von der Sonne verwöhnt: Ein Wochenende in Staufen

Wie im gelobten Land. Radler, Wanderer, Spazierganänger. Alle wollen auf ein Glas Gutedel oder Kaffee und Kuchen nach Staufen. Wir auch!
Ein Mann und seine Teppiche

Der fliegende Schramberger

Was es im Schwarzwald nicht alles gibt: Kirschtorte, Bollenhut, Kuckucksuhren – und den König der Orientteppiche. Der legendäre Händler Peter Renz ist...
Ein Interview mit Frank Elstner

Der Kämpfer

Frank Elstner ist eine lebende Legende. Wir trafen den Showmaster in seiner Wahlheimat Baden-Baden und sprachen mit ihm über seinen erfolgreichen Kamp...
Stephan Fuhrer

Viele Grüße vom Dächle der Welt

Der Schwarzwald bietet so einige Superlativen. In einigen Millionen Jahren wird er sogar höher als der Himalaya sein. Unser Kolumnist Stephan Fuhrer i...
... Schwarzwald Der Schwarzwaldhof-Hunter