Lebkuchen mal anders

In Todtmoos sind Lebkuchen angesagt. Aber ganz spezielle. Also ab in die Backstub’!

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Nicht jeder Lebkuchen kommt aus Nürnberg, ist zuckersüß, wurde mit Oblaten beklebt und mit Zuckerguss oder Schokolade überzogen. Tief im Südschwarzwald in der Todtmooser Konditorei-Bäckerei Zimmermann lebt eine andere Tradition des Lebkuchens fort. Ein Besuch lehrt uns: Wie im echten Leben ist es auch hier kein Zuckerschlecken. Es geht schon sehr früh los.

Lebkuchen-Tradition aus dem Mittelalter

„Wenn eine Ecke nicht schön ist …“, sagt Alexander Matt so vor sich hin, nimmt den Fladen und drückt ihn wieder in den Teig. (Die Delle an einer Ecke war kaum sichtbar. Ein Perfektionist am Werk!) Dann wird eben das nächste Mal ein Teigling draus, der nach ein paar Minuten im Ofen ein Lebkuchen wird. Der Konditormeister kennt sich aus mit der Materie, schließlich ist er der Lordsiegelbewahrer des Original Todtmooser Lebkuchens. Draußen in der Wintersonne trippelt derweil eine Elster über den Asphalt, als Alexander etwas von Konkurrenten erzählt, die auch gerne das Rezept hätten. Gibt er aber nicht her, sagt er. Warum? Na, Familienrezept! Und das wird natürlich gehütet.

Die Geschichte des Todtmooser Lebkuchens beginnt im Jahre 1255. Damals galt der Ort als ein „grausam pestilenzischer Sumpf“ (daher der Name Todtmoos), aber als dem Priester Dietrich von Rickenbach die Muttergottes erschien, war der Fluch fort, erzählt die Sage. Daraufhin wurde eine Kapelle gebaut, ein Dorf entstand. Angeblich gab es Wunder, so zum Beispiel wurde die Stadt Freiburg von der Pest befreit. Daraus entwickelte sich „uff dem Schwarzwald“ ein Wallfahrtsort, der vor allem aus der Schweiz die Leute anzog. Bis heute übrigens.

Manche Pilger wollten ihrer Verwandtschaft etwas mitbringen. Speck hätte in jenen rauen Tagen die Bären angelockt. Warum nicht etwas Leichtes als Souvenir oder Wegzehrung? Lebkuchen passen in jede Tasche und lassen sich zur Not auch selber essen. Vielleicht war es so. Auf jeden Fall wurden die Lebkuchen zum Exportschlager. Gebacken wurden sie aber nicht von Lebkuchenbäckern, sondern von Todtnauer Lebkuchen-Weiblein, wie sie damals genannt wurden. Die Todtnauer Lebkuchen müssen wohl schon damals verdammt lecker gewesen sein, dass sich andere davon inspirieren ließen. Eine Ähnlichkeit mit den Basler Läckerli ist auf jeden Fall nicht von der Hand zu weisen … 

Der Rezepthüter

Mittlerweile gibt es nur noch wenige Bäcker, die sie nach altem Haus- und Familienrezept backen. Einer der wenigen ist Alexander Matt, der bei seinem Vater das Bäckerhandwerk lernte und im renommierten Café Schmidt in Freiburg den Konditormeister machte. „Das Rezept wurde nie geändert“, sagt er über seine Lebkuchen, die noch wie anno 1919 gebacken werden. Damals ging das Geschäft über von der Familie Zimmermann auf die Familie Matt. Da es im Ort schon eine Bäckerei Mack (verwandt mit den Macks vom Europa-Park) gab, behielt man den Namen Zimmermann fürs Geschäft, um eventuellen Verwechslungen vorzubeugen. 

„Alles liegt am Teig“, erklärt Alexander, „der muss drei Monate im Keller reifen, damit die Gewürze arbeiten können und der Lebkuchen rund schmeckt.“ Für Lebkuchen typisch ist ein Triebmittel wie das Hirschhornsalz. Das nimmt er aber nicht mehr, dafür etwas Vergleichbares. Alexander will in Sachen Rezeptur nichts verraten, aber ein paar Informationen gibt er an diesem schönen Tag doch heraus. Die Triebmittel kommen erst dann in den Teig, wenn dieser sein kühles Reifelager verlässt. Zum Süßen nimmt Alexander kein Gramm Zucker, dafür aber Tannenhonig, wie in alter Zeit. Honig hat einen schönen Nebeneffekt: Er macht den Teig schön geschmeidig. Da Alexander pro Woche 100 Kilo oder mehr Lebkuchenteig verbackt, kann er den Honig nicht aus Todtmoos beziehen. „So viel hat kein Imker, wie ich brauche“, bedauert er. 

Lebkuchenteig und Gebäck müssen reifen  

Die Sonne bescheint die geräumige Backstube, wo normalerweise vier Mann schaffen, und Alexander kommt ein bisschen ins Erzählen. „Eine Leidenschaft muss man für den Beruf haben, sonst würde man nicht so früh aufstehen“, erzählt er beim Teigkneten, der schon in der Knetmaschine vorgeknetet wurde. Die nächste Etappe heißt Ausrollen. Früher wurde das mit einem Wellholz gemacht, mittlerweile gibt es eine Maschine, die ähnlich wie eine Straßenbauwalze den Teig platt macht. Das dauert nur wenige Minuten und das Ergebnis schaut perfekt aus.  Auf einem großen Holztisch wellt Alexander den Teig aus und fährt mit einer Rolle darüber, an der in gleichmäßigen Abständen vier Schneidräder sind. „Die ist von meinem Großvater“, sagt er und drückt die Rolle mit leichter Kraft durch den Teig. Mit der Rolle wird der Teig in Stücke geschnitten, die etwa so groß sind wie eine Tafel Schokolade. Danach werden die Platten mit Eigelb bestrichen und auf jedes Stück wird eine Mandel gedrückt. Normalerweise geht das in Lichtgeschwindigkeit, denn außer 100 Kilo Lebkuchen gibt es ja noch die sensationellen Nussecken (auch nach Geheimrezept), Schwarzwälder Kirschtorte (Geheimrezept …), Kuchen, Brezeln, Weckle und vieles mehr zu backen. Dazu läuft noch eine vegane Bäckerei, die in den Händen von Alexanders Frau liegt. Auch ihre Künste sind gefragt.

Die Lebkuchen sind zwar direkt nach dem Backen fertig zum Schnabulieren, aber wer Geduld aufbringen kann, gehört eindeutig zu den glücklicheren Zeitgenossen. Nicht nur der rohe Teig muss reifen, sondern auch der ausgebackene. Aber keine drei Monate! Das wäre unmenschlich. Alexander meint, dass man mit seinen Lebkuchen auch Soßen abschmecken könne und zu Vanilleeis oder zum Winzersekt würden sie auch gut passen. Da viele Festtage anstehen, wird es viele Gelegenheiten geben, das zu testen. 

Die süße Verführung
Bäckerei-Konditorei Zimmermann
Kurparkweg 2, 79682 Todtmoos
www.cafe-zimmermann-todtmoos.de

Lebkuchen

Lebkuchen zählt zum Dauergebäck und wird je nach Region anders gebacken und hat auch einen anderen Namen. Weitere gebräuchliche Namen sind Pfefferkuchen wegen der exotischen Gewürze (Anis, Ingwer, etc.) und Honigkuchen wegen des Honigs zum Süßen.
Am bekanntesten sind Nürnberger Lebkuchen, Aachener Printen und Basler Läckerli. Im Märchen Hänsel und Gretel hat das Lebkuchenhaus als Ort der Verlockung eine zentrale Bedeutung. Lebkuchen ist übrigens tatsächlich so stabil, dass man damit bauen kann. 

#heimat Schwarzwald Ausgabe 35 (6/2022)

Lust auf entspannten Kurzurlaub im Schwarzwald? Genau dahin nehmen wir euch in der neuen #heimat mit. Unsere Autorin Sarina war saunieren, kneippen, baden und chillen – und hat dazu die besten Wellness-Oasen in der Region zusammengestellt. Außerdem besuchen wir eine Lebkuchenbäckerei in Todtmoos, einen E-Gitarrenbauer in Bühl, stellen euch eine ganz besondere Tanne vor, backen und brutzeln fürs Fest – und vieles mehr! Die neue #heimat ist ab heute überall im Handel erhältlich. Und auch in unserem Online-Magazin findet ihr viele der Reportagen, Porträts, Tipps und Rezepte - schaut doch mal rein!

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