Der König der Tannen

Ewald Elsäßer war Förster und Forstamtsleiter. Das hinterlässt Spuren: Statt auf der Rentnerbank sitzt er lieber auf frischem Weißtannenholz

Fotos: Jigal Fichtner

Vor seinem Haus steht eine Bank. „Rentnerbank“ steht darauf. Wer ihm die wohl geschenkt hat? Der Lack auf der Sitzfläche glänzt noch wie neu. Ob er für so was überhaupt Verwendung hat? „Nicht viel“, sagt er, als er rauskommt und lächelt dabei. „Aber“, betont er, „sie ist aus Weißtanne.“ So eine will er uns im Wald bei seinem Wohnort Gengenbach zeigen.

Ewald Elsäßer ist ehemaliger Leiter des Amts für Waldwirtschaft im Ortenaukreis. Er war der erste Leiter des Amts, das 2005 mit der Verwaltungsreform geschaffen worden war. Zu dem Zeitpunkt hatte der studierte Forstwissenschaftler schon fast 20 Jahre das Forstamt in Gengenbach und das forstliche Ausbildungszentrum Mattenhof geleitet – und: einem Sturm getrotzt. Orkan Lothar war für den Wald wie für ihn eine Belastungsprobe. Beide haben sie bestanden.

Patron der Weißtanne

Orkan Lothar wütete im Jahr 1999. Damals wusste Elsäßer schon, dass die Tanne den Schwarzwald zusammenhält. Im Gegensatz zur flachwurzelnden Fichte bildet sie ein tiefes Wurzelgeflecht, das sie sowohl resistent gegen Wind wie auch gegen längere Trockenperioden macht. Bei Lothar rächte es sich, dass dieses Wissen in der Vergangenheit zu wenig beachtet worden war. Die Fichte hatte die Tanne im Schwarzwald weitgehend verdrängt, auch weil beide Hölzer nicht zusammen getrocknet werden können und sich Sägereien daher für die Fichte entschieden hatten. Hinzu kommt, dass die Fichte in den ersten Jahrzehnten schneller wächst als die Tanne. Für das „Schwarzwälder Charakterholz“ – die Weißtanne – war der Marktpreis dementsprechend schlecht.

Elsäßer hatte die Gegenbewegung aber bereits vor dem Jahrhundertsturm gestartet: Zusammen mit dem Team um Waldbauer Severin Groß hatte er 1997 den Verein Forum Weißtanne e. V. gegründet, lange Zeit war er dessen Geschäftsführer. Die gemeinsame Einsicht damals: „Wir müssen was tun für die Weißtanne!“ Das Forum Weißtanne betreibt seither Lobbyarbeit für den Baum, der hier nachweislich schon seit 5000 Jahren heimisch ist.

Schützen durch Nützen

Ewald Elsäßer und seine Mitstreiter erkannten eines: „Wir können die Tanne nur dann wieder zurückbringen, wenn diejenigen, die von ihrem Waldbesitz leben müssen, auch etwas davon haben.“ Der Preis sei schließlich kein Naturgesetz, die Tanne nicht per se unrentabel. Auf 100 Jahre gesehen wachse sie sogar schneller als die Fichte. „Holz muss man ernten, wenn es reif ist. Und wer pflanzt, der will auch ernten.“ Das ist die Botschaft, die er uns an der gefällten Weißtanne in Gengenbach bildlich übermitteln will.

Weißtanne: zum Liebling der Architektur

Die Weißtanne feiert ein beachtliches Comeback. Zahlreiche Bauwerke künden von ihrer Renaissance. Nicht ohne Grund macht sie Karriere als Bauholz: „Dank heutiger Presssperrholz-Technik sind auch acht Stockwerke kein Problem mehr“. Der Schwarzwald sei, was die Holztechnik betrifft, lange hinter Österreich und Bayern hergehinkt, sagt Elsäßer, der in Sachen Weißtanne wohl überall seine Quellen hat. Auch in der Schweiz, wo sein Sohn im modernen Holzbau tätig ist.

Ein Vorzeigegebäude aus Weißtanne ist für Elsäßer das Nationalparkzentrum am Ruhestein. Man merkt ihm die Freude über diesen Leuchtturm der Weißtanne an, wenn er darüber spricht. Genauso ist es bei der Dresdner Frauenkirche, bei der er nach dem Jahrhundertsturm einen Coup gelandet hatte. Ihre Kirchenbänke, die Innenverkleidung und die Empore erstrahlen seither in freundlichem Tannenbraun.

In Baden-Württemberg, dem „Holzbauland Nummer 1“, komme keiner mehr an der Weißtanne vorbei. „Wer etwas auf sich hält, baut heute in Weißtanne“, sagt Elsäßer mit einem breiten Grinsen. „Ein Baumaterial, das nachwächst. Und von dessen Bestand in Deutschland wir immerhin 60 Prozent bei uns hier im Schwarzwald haben. Mit Weißtanne baust du immer gut – und immer regional.“

Erntezeit!

Der Wald ist Erholungsgebiet und grüne Lunge. Aber nicht nur. Eines der großen Themen von Ewald Elsäßer ist: der Wald als Wirtschaftsraum. Waldbesitzer und Förster beobachten und pflegen den Wald. Sie forsten ihn auf und kontrollieren den Baumbestand. Mitzudenken sei aber immer auch die Entnahme, die Ernte, wie Elsäßer sagt. „Wenn etwas reif ist, ernten wir es“, sagt er. „Eine 100-jährige Weißtanne ist reif.“

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