Der Bionier und seine Weine

Bioweine bedeuten Risiko und viel Arbeit. Friedhelm Rinklin und seine Mitstreiter aber tun sich genau das an

Text: Pascal Cames · Fotos: Dimitri Dell

Der dünne, zähe Mann erinnert an einen Marathonläufer, und im gewissen Sinne ist er das auch.  Denn Friedhelm Rinklin (Jahrgang 1969) aus Eichstetten am Kaiserstuhl ist Bio-Winzer und muss viel tun, damit seine Trauben gesund sind und bleiben. Dass er das gut kann, beweisen seine Weine, die ihren Weg aus Bioläden und Reformhäusern in die viel stärker umkämpften Weinhandlungen gefunden haben. Nur: Wie macht man das? 

Bio kommt aus England 

Da Bio-Winzer öfter als herkömmliche Winzer in den Weinberg müssen, könnte man sagen: früher aufstehen. Oder früher anfangen. Die Rinklins kamen 1955 durch einen Kriegsheimkehrer aus England mit dem anthroposophischen Demeter-Landbau in Berührung. Sie ließen sich davon begeistern, auch wenn damals im Rest von Baden galt: große Mengen, billige Preise, alles andere ist egal … 

Die Rinklins kochten Brennnesseln aus und düngten bei Vollmond die Felder. Wer das damals machte, wurde  belächelt oder bewundert. Bio war eine Sache der Haltung und (noch) nicht des Geschmacks. Mit Bio-Winzern wie Duijn in Neusatz, Wöhrle in Lahr und eben auch Rinklin änderte sich das. Wer denkt beim VDP-Winzer Wöhrle an Bio? Kaum einer, es steht ja nicht einmal auf dem Etikett. Also entscheidet nur der Geschmack. Rinklin schreibt Bio aufs Etikett, will und muss aber auch den Gaumen erobern. Mit zwölf Hektar Fläche ist er viel zu groß für die Nische im Bioladen. Sein Vater hatte es leichter, er war mehr Landwirt und weniger Winzer. 

Die Rinklins hatten Rinder, Schweine, Schafe, Hühner, sehr viel Obst und Gemüse und nur anderthalb Hektar Wein. Der damalige Chef  Wilhelm Rinklin war einer mit Achtung vor der Schöpfung,  der offen war und sich sein eigenes Bild machte.

1971 hatte Wilhelm Rinklin genug von Demeter und dessen Dogma und gründete mit Gleichgesinnten im Wohnzimmer ein neues Label: Bioland. Sohn Friedhelm übernahm 1991 den Betrieb, beendete das Kapitel Landwirtschaft und ist seitdem „nur“ Winzer.  Bei ihm ist der  Weinberg der Star.  „Im Keller sind wir defensiv“, sagt ausgerechnet er, der Weinküfer gelernt hat und alle Tricks und Kniffe kennt. 

Konkurrenz im Weinberg

Begleiten wir Friedhelm auf seinen „Buck“ und schauen in die Reben. In jeder zweiten Gasse sprießen Blumen, Kräuter, Pflanzen, die andere Gasse lässt er frei. „Nicht picobello sauber“, lacht er über die kahlen, umgepflügten Gassen, die dafür da sind, dass die Blätter von unten gut durchlüftet werden. Viel Wind bedeutet: trocken und keine Schadpilze. Friedhelm schafft zudem eine künstliche Konkurrenz zwischen Reben und Pflanzen, damit sich die Rebe „anstrengen“ muss und er das beste Ergebnis ernten kann. Das beste Ergebnis heißt: die besten Trauben. Nur damit gibt es leckere, süffige Weine, die den Geschmack  der Leute treffen. 

Da er kein Glyphosat benutzen darf, sondern nur das im Vergleich schwache Kupfer, muss er öfter spritzen, mehr in den Weinberg  und ist dennoch immer auf Messers Schneide. Für seinen „Plan B“
hat er PiWis, also pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Sollte die Konkurrenz irgendwann einmal mit genveränderten Reben ohne Spritzmittel arbeiten, will er mithalten können. „Soll ich dann der einzige sein, der spritzt?“

Garagenwinzer 

Nur ein paar Kilometer weiter steht Daniel Bach (35) auf seiner Parzelle  Spätburgunder bei Riegel. Wie der große Rinklin  pflanzt auch er rund 40 Gräser, Kräuter und Blumen in die Gassen und wie in Eichstetten  sind auch seine Zwischenräume nicht picobello sauber. Lachend berichtet er, wie Kollegen, die ihren Wein herkömmlich machen, jetzt auch ihre Gassen mit Malven, Klee und Hülsenfrüchten bepflanzen und darüber fachsimpeln. 

Was denkt er über Bio? Es war ein langer Weg (erst seit 2018 zertifiziert) und es ist Leidenschaft pur. Durch seine Mutter, eine Biobäuerin, wusste er, was ihn erwartet. Für seinen Traum sparte er jeden Cent, arbeitete auf einem Bioweingut in Neuseeland und ging danach volles Risiko mit seiner knapp ein Hektar großen „Weinwerkstatt“ im Breisgau. 

Krisenjahr 2016 

2016 wurde mit Regen, Kälte und Mehltau  zum Debakel für Badens Bio-Winzer.  Statt sechs Fässer Spätburgunder lagen nach dem Herbsten nur drei in Daniels Garage in Hecklingen. „Ich kenne mehr Bio-Winzer, die aufgegeben haben, als neu angefangen.“ Wäre er nicht im Hauptberuf Winzermeister im renommierten Weingut Bernhard Huber – er hätte aufgeben müssen.  

Daniels Durchhalten hat sich gelohnt, mittlerweile wird der Garagenwinzer vom Weinführer Eichelmann empfohlen. Zu Recht! Sein Roter ist ein geschmeidiger Verführer. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis Daniels  „Weinwerkstatt“ in einem Atemzug mit Wöhrle oder Rinklin genannt wird. Und im Weinberg summen die Hummeln ihr Loblied dazu. 

Bio-Winzer

Wie in der Landwirtschaft gibt es auch beim Weinbau verschiedene Bio-Labels. Das „härteste“ ist Demeter, das auf Rudolf Steiner (1861–1925) zurückgeht. In der griechischen Mythologie war Demeter die Göttin der Fruchtbarkeit. Genauso verbreitet ist Bioland, hier waren die Rinklins Mitbegründer. Aktuell gibt es in Deutschland 75 Demeter-Winzer und circa 250 Bioland-Winzer. Weniger streng ist das EU-Bio-Label. 

#heimat Schwarzwald Ausgabe 16 (3/2019)

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