Süß, saftig und vielseitig: Bühler Zwetschgen

Superlecker, aber wo gibt es sie noch? Gerhard Vollmer hat noch Bühler Zwetschgen auf dem Obstacker. Also auf nach Bühl! 

Text: Pascal Cames Fotos: Benedikt Spether

Es heißt zwar, dass man Birnen nicht mit Äpfeln vergleichen soll, aber warum nicht Äpfel mit Zwetschgen? Ähnlich wie bei Äpfeln gibt es auch bei den Zwetschgen alte Sorten und solche, die schon fast ausgestorben sind. „Es gibt unheimlich viele Zwetschgen“, sagt Nebenerwerbslandwirt Gerhard Vollmer, der es wissen muss. Und wie bei den Äpfeln, wo es auch unheimlich viele Sorten gibt, hat auch das Steinobst seine Sammler, Liebhaber und Fans, so wie Gerhard Vollmer und seine Frau Corinna aus Kappelwindeck. Beide sind sie fast schon vernarrt in die heimische Bühler Zwetschge, die dort im Volksmund immer noch Quetsch oder Quetsche genannt wird. Gerhard kümmert sich um die Bäume und verschnapst die Früchte, Corinna backt Zwetschgenkuchen.

Bühler Zwetschge? Den Namen hat schon jedes Kind gehört, aber mal ehrlich, auch gegessen? Früher, so erzählt Gerhard, hatte jeder im Ort seine Bäume mit Bühler Zwetschgen. Im früher eigenständigen Kappelwindeck wurde die wildlebende Bühler Zwetschge ja sogar entdeckt. 

Es war 1840, als ein Kappelwindecker Bauer den richtigen Riecher hatte, und eine Frühzwetschgensorte entdeckte und diese dann anpflanzte und vermehrte. Weil Kappelwindeck heute zu Bühl gehört, erlangte sie als „Bühler Zwetschge“ fast schon Weltruhm.

Was sind Bühler Zwetschgen?

Seit sie im Fernsehen unter dem Namen „blaue Königin“ vorgestellt wurde, wird sie oft so genannt. Die Mengen, die damals in Bühl und anderswo in Baden geerntet wurden, waren gigantisch. Man verschickte sie mit Fuhrwerken nach Straßburg und mit dem Zug nach Königsberg. Das liegt 1400 Kilometer weit im Osten! Da es die ersten Quetschen des Jahres waren, freuten sich die Leute besonders. Das brachte doch eine angenehme Frische in den Sommer und war ein Grund für eine große Portion Sahne auf den Kuchen. Dem milden Klima bei Bühl ist es auch zu verdanken, dass man hier sogar zehn Tage oder noch früher ans Ernten geht als anderswo, wie Gerhard stolz berichtet. Mit den Quetschen wurden Kuchen gebacken, Marmelade eingekocht oder Zwetschgenküchle (wie Apfelküchle) zur Kartoffelsuppe gegessen. „Das machen hier doch alle“, weiß Gerhard und schaut so, als könnte es gar nicht anders sein.

Eine Frucht mit Duft 

Der Vorteil der Quetsch ist, dass sie einen natürlichen Schutz vor Fäulnis hat: den Duft. Der Duft ist aber nicht das, was in der Nase ankommt, sondern eine natürliche wasserabweisende Wachsschicht auf der Fruchthaut. Viele wissen nicht, was es damit auf sich hat. 

„Das muss man nicht wegreiben“, sagt Gerhard und macht es doch, um es besser erklären zu können. Unter dem blauweißen Duft erscheint ein herrlich glänzendes Dunkelblau oder Dunkelviolett. Die Farbe ist markant. Wenn man Zwetschgen einmaischt, dann bekommt die Maische eine violette Farbe, genauso wie beim Marmeladenkochen. Andere Zwetschgensorten werden nur braun, was definitiv nicht appetitlich ausschaut. 

Noch ein Vorteil, diesmal für Obstbauern: Man muss sie nicht veredeln, einfach einen Stein oder einen Reißer (Ast) in die Erde setzen, sollte für einen neuen Baum genügen. Wer sie für den Zwetschgenkuchen nimmt, darf sich auch freuen, denn die Bühler Zwetschgen lassen sich gut vom Stein lösen.

Auf seiner zwischen Rittersbach und Bühl gelegenen Plantage schreitet Gerhard stolz die Bäume entlang.  Kappelwindeck liegt oben auf dem Berg, steile Weinberge sind vorgelagert. Weinbau ist auch noch typisch für die Gegend, auch Gerhard hat noch seinen Hektar Reben. Neben den Zwetschgenbäumen hat er Kastanien gesetzt, dazwischen stehen noch vereinzelt alte, etwas windschiefe hochstämmige Apfelbäume. „Die alten Dinger lass ich stehen“, meint er, auch wenn sie sich nicht lohnen würden. Früher standen hier nur Bühler Zwetschgen, erzählt er. Damals hatte sein Vater mindestens 50 Zöglinge im Hof stehen, die er jedes Jahr zurückstutzte. Das war die eiserne Reserve, falls mal ein Baum auf der Plantage kaputt ging. 

Konkurrenz vom Balkan 

Aber Mitte der 1980er-Jahre des vorigen Jahrhunderts merkten die Leute, dass es so nicht weitergehen kann mit der Landwirtschaft. Zu viel Arbeit, zu wenig Geld. 

Die Bühler Quetsch macht Mühe. Bei der Ernte muss man auf die Leiter, das ist zum einen gefährlich und zum anderen nicht wirklich effektiv. Und hat man wirklich beide Hände frei für die Ernte? Darum ersetzten die Bauern die alte Sorte mit neuen wie zum Beispiel Čačaks Schöne oder Čačaks Beste vom Balkan. Die Čačaks schmeckt auch gut, wächst aber nicht hochstämmig, sondern niederstämmig. Diese Entwicklung verlief ähnlich wie bei den Äpfeln, wo man die alten hochstämmigen Bäume absägte und dafür Spalierobst pflanzte mit Früchten, die auch nicht schlecht schmecken. So kann der Pflücker mindestens doppelt so schnell arbeiten, wenn er von Baum zu Baum spaziert und beide Hände frei hat fürs Obst. Das war der wesentliche Grund für das Verschwinden der Bühler Quetsch. „Der Geschmack entscheidet nicht“, sagt Gerhard kühl. Der Kunde schaut aufs Geld, der Bauer auf die Zeit.

Nur einige wenige Landwirte wie Gerhard sind der Sorte treu geblieben. Dabei ist sie in Bühl immer noch so präsent wie Coca-Cola in Atlanta. In Bühl gibt es das legendäre Bühler Zwetschgenfest und die Wahl zur Zwetschgenkönigin. In der selbsternannten Zwetschgenstadt (so steht’s auf dem Ortsschild) wird sie verschnapst und zu Pralinen oder Eis verarbeitet. Die blaue Königin hat ein großes Gefolge, die genau diese Sorte will und für die Bühler Zwetschge Baumpatenschaften übernimmt und aus Prinzip oder aus Gewohnheit nicht Zwetschge sagt,  sondern Quetsche oder einfach nur Quetsch, so wie die Elsässer ihr Zwetschgenwasser nennen. Auf die Quetsch also! Und die Quetsch auf den Mürbe- oder Hefeteig, wo sie hingehört!

Das 74. Bühler Zwetschgenfest (7.–11. September)  bringt Festzelt, Weindorf, Rummel und Konzerte in die Stadt. Sonntags Umzug und Kuchenessen. 

Quetschge?

Die Zwetschge ist eine Unterart der größeren und rundlicheren Pflaume, die aus Asien stammt. Je nach Land und Region wird sie auch Zwetschke (Österreich), Zwetsche oder Quetsche (Baden, Elsass) genannt.  Typischerweise wird das Steinobst für Süßspeisen benutzt – und für Schnaps. Die Zwetschgensaison dauert von Juli bis Anfang Oktober. Je später, desto süßer, so lautet die Faustregel. Zwetschgen sind etwa 4 Tage haltbar, im Kühlschrank länger. 

Die Bühler Zwetschge hat ihren Namen vom Fundort Kappelwindeck bzw. Bühl.  Vor über 100 Jahren wurde sie zum Markenbegriff, weil sie durch Obstexpresszüge in ganz Deutschland bekannt wurde. Sie gilt als Referenzfrucht. Die Zwetschgen, die vor ihr reifen, sind Frühzwetschgen, alle späteren dann Spätsorten. Mittlerweile spielt die Bühler kaum mehr eine Rolle, von fast 20 000 Tausend Tonnen (1956) ging sie auf 720 Tonnen (2016) pro Jahr zurück. Die Bühler gehört zu den besonders saftigen Sorten; eine Herausforderung in der Backstube. 

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