So schmeckts im Straßburger Chere Amie

Straßburgs neueste Brasserie ist der Talk of the Town. Zu Recht! Unser Autor ist von so viel Stil und Genuss begeistert

Text: Ulf Tietge

Mein lieber Freund! Das war ein Abend gestern! Wir waren in Straßburg, im Chère Amie, der feinen Brasserie im l’Hôtel des Postes, wo früher die französische Post ihre Briefe sortierte und wo sich heute Liebesbriefe und Grußbotschaften an feinen Drähten aneinanderschmiegen – verbunden wie Kronleuchter, nur eben mit kalligrafischen Blüten anstelle von Kristallperlen. Man fühlt sich sofort willkommen – und angekommen, denn architektonisch spielt das von Designer Pascal Claude Drach entworfene Chère Amie auf jeden Fall in der Champions League. Mehr als ein Jahr hat man sich für den Umbau Zeit gelassen, eine dick siebenstellige Summe investiert, und das merkt man einfach, denn jedes Detail stimmt. Das grandiose Lichtkonzept, die Weite des Raums, das an Frankreichs Briefmarken angelehnte Farbkonzept mit den olivgrünen und bordeauxroten Szenen auf den Wänden: klasse. Die isofonischen Wandverkleidungen wiederum sorgen dafür, dass es auch mit 200 Gästen eine Ohrenweide ist. Ein lebhaftes Gemurmel, eine summende Vergnüglichkeit – aber eben kein Lärm wie in einer Bahnhofshalle. Man kann sich leise am Tisch unterhalten, entspannt zurücklehnen und den Blick schweifen lassen …

Brasserie mit Austernbar

Unser Tisch ist schon mal perfekt. Vor uns liegt die große, ovale Bar als Mittelpunkt des Saals, die so viel mehr zu bieten hat als nur ein paar Weine und Cocktails. Die linke Spitze der Bar ist das Reich des Poissoniers: eine Austernbar mit feinsten Meeresfrüchten wie in der Normandie oder der Bretagne und großartigem, französischem Kaviar von Baeri aus Paris. Der Himmel über der Bar – weiße Blätter. Als Sinnbild für den Beginn einer neuen Geschichte. Sehr chic und sehr instagrammable …

Die andere Spitze der Bar lockt derweil schon mit einem Vorgeschmack auf das süße Finale: Patissier Rémy Sorbier bereitet hier sein Baba de Saison vor (9 Euro), es gibt Mille-Feuille mit feinem Vanille-Schaum (10 Euro), Apfel-Tartelettes mit Creme Dulcey (10,50 Euro) und als Signature-Dessert einen knusprig-cremig-schokoladig-süßen Brief (l’enveloppe), der auf Wunsch von einem Glas Rum aus Rémys alter Heimat auf die Reise geschickt wird. Martinique lässt grüßen!

Im Chère Amie spricht der Service nicht nur Französisch, sondern auch Deutsch und Englisch. Die Karte gibt’s auch auf Deutsch, für den Sommer ist die Terrasse mit ihren Loungemöbeln auch noch einen Hinweis wert. Ob nun hausgemachte Limonade, ein Glas Crémant oder Pastis auf Eis: So geht Feierabend auf französisch.

Wir aber starten erst einmal fischig. Mit einem ultrafrischen Jakobsmuschel-Carpaccio auf Blumenkohl-Panna-Cotta (15 Euro) mit ein paar Tropfen Vanille-Öl und einem Löffelchen von diesem sensationellen Kaviar. Eine gute Wahl! Vor allem, wenn man auf cleane Küche steht, bei der fantastische Produkte frei nach Eckart Witzigmann mit ihrem Eigengeschmack glänzen dürfen. Und doch ist der Lachs meiner Begleiterin fast noch verführerischer. Mi-cuit gegart, auf etwas Puffreis und mit ein paar Tupfen Mango-Creme für 13 Euro: wow! Ist das hier wirklich nur eine Brasserie?

Diese Liebe zum Detail!

Während ich mit dem Brot auch das letzte bisschen Aroma vom Teller kratze, ist Zeit, den Köchen ein wenig bei der Arbeit zuzuschauen. Denn im Chère Amie wird in einer gläsernen Küche gebrutzelt – im Grunde eine Mischung aus Bühne und Aquarium. Die Crew von Küchenchef Alexandre Haudenschild ist erkennbar gut eingespielt, jeder Handgriff sitzt, und es ist beeindruckend, wie sauber und ruhig hier geschafft wird. Und auch hier wieder: diese Liebe zum Detail! Wie jeder Teller vor dem Service noch einmal schnell mit einem Spritzer Alkohol poliert wird: einfach gut!

Wir laben uns erst an einem gerösteten Markknochen (gut, aber dürfte für meinen Geschmack etwas kräftiger geröstet werden), dann kommen die Hauptgerichte. Lamm hätte es für 19,50 Euro gegeben, Rindertatar mit Pommes für 19, das Rinderfilet mit Bordelaise-Sauce und kandierten Schalotten für 31 Euro. Wir aber haben uns für ein Risotto mit feinem Gemüse, Krustentierschaum und Wolfsbarsch sowie eine Portion Vol au Vent de Veau & Volaille, Morcheln und soufflierte Spätzle (32 Euro) entschieden. Ein Wahnsinn! Die Königinpastete thront in einem See aus feinstem Ragout, gekrönt von zwei knusprigen Stückchen Kalbsbries. Eine riesige Portion Seelenfutter ist das, aber so lecker, dass ich am Ende sage: Lieber den Magen verrenken als der Spüle was schenken …

Und gegenüber? Seliges Schmausen. Das Risotto ist so fantastisch cremig und geschmackvoll wie der Wolfsbarsch knusprig und au point gegart. Es gibt wirklich nichts zu meckern, ganz im Gegenteil: Wir kommen wieder, das ist sicher! Allein schon, weil wir vom Dessert an diesem Abend nur noch eine geteilte Biskuitrolle mit exotischen Aromen schaff en und es auf der Karte noch so viel zu entdecken gibt. Aber das ist eine andere Geschichte und einen neuen Brief wert, mon ami!

Chère Amie

www.chere-amie.fr
Telefon: 00 33 / 3 67 68 70 70
Adresse: 5, Av. de la Marseillaise, Straßburg
Geöffnet: Tgl. 12–0.30 Uhr, durchgehend warme Küche bis Mitternacht.

4,7 von 5 Zapfen für das Chère Amie

Wie es unserem Autor und Restauranttester Ulf Tietge in Straßburg geschmeckt hat? So sieht seine Bewertung im Detail aus:

Geschmack

Wie hat das Essen geschmeckt?

Preiswürdigkeit

Wie ist das Preis-Leistungs-Verhältnis?

Speisekarte

Wie ist die Auswahl der Speisen?

Getränkekarte

Wie ist die Auswahl der Getränke?

Innovationsgrad

Gab es Neues oder Überraschendes?

Ökologie

Wie viel Wert wird auf Nachhaltigkeit gelegt?

Besonderheit

Wie einzigartig ist das Essen und/oder die Location?

Ambiente & Aufenthaltsqualität

Sitzkomfort, Stimmung, Licht, Dekoration, Sauberkeit, Toiletten?

Service

Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft?

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