Traube Blansingen – Sterneküche im Markgräflerland

Traube Blansingen: Radikal regional, nachhaltig und mit einem Stern ausgezeichnet – ein Ausnahmerestaurant im Markgräflerland.

Text: Ulf Tietge Fotos: Markus Edgar Ruf

Auf dem Weg zum außergewöhnlichsten Restaurant im Südwesten muss man mal innehalten, aussteigen und die Landschaft auf sich wirken lassen. Wir sind gerade eben runter von der A5, durch Kleinkems, in engen Kehren unter der Rheintalbahn hindurch und rollen jetzt den Berg hoch. An Reben vorbei, den Isteiner Klotz zur Rechten und das Rheintal mit Panoramablick aufs Elsass im Rückspiegel. Herrlich! Wie schnell kann man bitte entschleunigen? Es ist, als durchquere man auf dem Weg nach Blansingen eine Zeitschleuse, und man denkt: Sie haben Ihr Ziel erreicht – willkommen in der heilen Welt! Die Fahrt endet bei der Traube, der Heimat von Daniela Hasse und ihrem Mann Brian Wawryk. Ein Stern, fünf Tische, sieben Gästezimmer in einem Dorf mit nicht mal 500 Einwohnern. Alles verrückt, wenn man ökonomisch an die Sache herangeht.

Aber Brian und Daniela gehen einen großen Schritt weiter: Sie kochen nur mit dem, was es in der Region gibt. Kein Fisch aus dem Meer, keine Gewürze aus aller Welt und weder eingeflogenes Gemüse noch exotisches Obst. „Wir haben einen klaren Fokus auf das Markgräflerland und lehnen den Import von Produkten aus aller Herren Länder ab“, erklärt Brian. „Damit tragen wir nicht nur dazu bei, die zum Teil jahrhundertealte Tradition der Landwirtschaft und des Weinbaus zu erhalten, sondern sind auch direkt mit der Welt um uns herum verbunden.“ Der Pfeffer wächst in Staufen, Zitronen gibt es nur einmal im Jahr – aber dafür

wird dann die ganze Ernte sorgfältig eingemacht. Die Schale der Zitronen wird als Zitronenzesten fermentiert, mit Salz und Zucker nach einer alten japanischen Methode. Die nackten Früchte werden derweil blanchiert. „Siebenmal“, sagt Brian. Auf diese Weise entsteht eine Art Zitronenpüree, mit dem für den Rest des Jahres Fische glasiert werden. „Wir bewahren den Sommer in Gläsern auf“, sagt Brian dazu, der einen ganzen Kühlraum voller Weckgläser hat. Überall eingelegtes Gemüse, hausgemachtes Miso, diverse Kräuter und Tinkturen: erinnert ein bisschen an ein Alchemielabor.

Hier in Blansingen hat sich für Daniela und Brian ein Kreis geschlossen, denn hier konnte Brian das verwirklichen, was ihn seit Beginn seiner Karriere in der Küche von Chefkoch Rod Butters in seiner Heimat Kanada angetrieben hatte: die Idee einer streng regionalen Küche, die sich nur am Wechsel der Jahreszeiten orientiert und von den Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft inspiriert ist. „Wir kochen wirklich nachhaltig“, sagt Brian dazu. „Aber nicht, um cool zu sein oder die Grünen zu beeindrucken, sondern weil wir etwas Neues schaffen wollen. Etwas, was so noch keiner gewagt hat.“

Man spürt, dass Brian gleichermaßen Künstler wie Koch ist. Seine Partnerin Daniela hat er im The Peat Inn kennengelernt hat, einem kleinen, feinen Restaurant in der Nähe von St. Andrews. Von Schottland aus setzten die beiden ihre Reise gemeinsam fort und zogen für zwei Jahre ins weltberühmte Maaemo nach Oslo, gefolgt vom La Vie in Osnabrück (beide drei Sterne).

Auf dieser Reise reifte bei Brian und Daniela die Erkenntnis, dass wahre Kochkunst mit gelebter Nachhaltigkeit zusammengehen müsse. In vielen Sterne-
Restaurants aber ist das Gegenteil der Fall: Da werden Entenbrüste zu Würfeln geschnitten, da macht man sich nichts aus Resten und schöpft aus dem Vollen, als gäbe es kein Morgen mehr. „Kochen ohne zu denken – das ist so einfach, aber ganz sicher nicht die Zukunft“, sagt Brian dazu. „Mit einem großartigen Steinbutt, dem besten Krug-Champagner, bretonischer Salzbutter und teurem Spargel aus der Provence kann jeder gut kochen. Aber ganz normale Zutaten auf Sterne-Level bringen: das ist die Challenge.“

Dafür haben Brian und Daniela ein Netzwerk aus zwei Dutzend Gleichgesinnten aufgebaut und machen sich jeden Tag auf den Weg, um Ware zu holen. „Unsere Mengen sind so klein: da liefert keiner“, sagt Daniela, die nicht nur den Service macht und als Sommeliere die Weinbegleitung zusammenstellt. Sie ist selber Köchin, hat wie Brian ein riesiges Aromengedächtnis und kombiniert Geschmäcker wie Modedesigner Stoffe oder Farben. Auch eine Kunst, aber eine, bei der man sich etwa auf der Jagd nach wilden Kräutern immer mal wieder erdet. „Du musst manchmal auch auf dem Feld stehen, die Füße im Dreck und schwarz unter den Fingernägeln, um eine Verbindung zum Lebensmittel zu kriegen“, ergänzt Brian. Beim Spargel sei das beispielsweise so. Die Winzerfamilie Ziereisen baut für die Traube das Stangengemüse an und Brian ist begeistert. „Du merkst diesem Spargel sein Terroir an! Das ist ein Geschmack, den du so nirgends kaufen kannst!“ Erst recht nicht, wenn Brian mit dem Spargel zu zaubern anfängt. Dann wird ein Teil der Ernte milchsauer eingelegt – und die dabei entstehende Flüssigkeit bildet die Grundlage für eine absolut einmalige beurre blanc …

In diesen Genuss kommen an fünf Tagen in der Woche je 15 Gäste. Manchmal kommen 18, dann wird es sportlich.
Daniela macht den Service mit Anspruch. Einfach nur Teller zum Tisch bringen? Undenkbar, wenn man dem Stern gerecht werden will. Also helfen hin und wieder auch Köche aus oder Brian geht selbst in den Gastraum und erklärt, was für ein Kunstwerk er da aus dem gezaubert hat, was die Nachbarschaft hergibt.

„Wir erfinden uns immer wieder neu“, sagt Brian. Mal lässt er sich von der Saison inspirieren, mal vom Angebot der Blansinger Bauern oder von dem, was ihrem Fischer am Rhein in den Kescher gegangen ist. Wenn der mal nicht rausfahren kann, ist eben kein Fisch da. Sechs Gänge gibt es dann trotzdem, dazu drei Snacks und drei Petit Fours. 170 Euro kostet ein Menü, hinzu kommen 100 Euro für die Weinbegleitung oder 75 Euro für die alkoholfreie Alternative. Reich wird man mit so viel Liebe zum Detail nicht. „Wie viel ich arbeite?“, wiederholt Daniela meine Frage. „Keine Ahnung. Aber es macht uns Spaß. Es ist unser Leben, es ist sehr befriedigend und wir lieben es. Ich wüsste nicht, welcher andere Job mir ein Lachen zum Feierabend schenken würde.“ Brian ergänzt: „We push ourselves. Wir könnten es uns sicher einfacher machen, wir könnten mehr Gäste empfangen – aber wir wollen stolz drauf bleiben, was wir hier machen. Und das sind wir.“

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Außerdem waren wir bei der Verleihung des Kuckuck-Awards dabei. Danke an alle, die für ihre Genusshelden abgestimmt haben! Wir freuen uns darauf, Gastgebern, Köchen und anderen Genusshandwerkern noch viele Ausgaben weiter eine Bühne zu bieten. Seid dabei!

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