Schluss mit scheinheiligem Fasten!

Ein Bekannter unseres Kolumnisten verzichtet auf Alkohol, nur um am Karsamstag völlig abzustürzen. Der Nächste lässt das Abendessen weg – und stopft sich dafür mittags doppelt so voll wie sonst. Stellt sich die Frage: Warum fasten wir eigentlich – und ist das, was wir da tun, wirklich so gesund? 

Text: Stephan Fuhrer

Deutschland in der dunklen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. Eine kleine Gruppe Mönche. Halb verhungert. Und vor ihnen liegt ein verlockendes Stück Fleisch. Nur blöd, dass gerade Fastenzeit ist – aber die Zisterzienser aus dem Kloster Maulbronn haben eine clevere Idee: das Fleisch fein hacken, Spinat und Kräuter druntermischen und in Teig verstecken – fertig ist das Herrgottsbescheißerle. Der Legende nach ist so die Maultasche entstanden und wir lernen: Selbst Mönche neigen mithin zur Scheinheiligkeit …

Wenn wir heute fasten, dann weniger, um Gott zu gefallen. Gesundheitliche Gründe stehen im Vordergrund. Oder ganz banal: weniger Bauch. Nur 27 Prozent der Fastenden berufen sich auf traditionelle oder religiöse Gründe. Bleibt die Frage: Wie und was genau fasten wir da eigentlich? Und ist das wirklich alles so gesund? 

Ein guter Bekannter verzichtet auf Alkohol – der Klassiker. Beim einwöchigen Skiurlaub wird der gute Vorsatz dann vorsätzlich gebrochen. Am Karsamstag gibt es einen Absturz mit Ankündigung und Ostersonntag ist wie jedes Jahr gelaufen. Die Leber kriegt anschließend wieder regelmäßig Nachschub – mehr noch: Man hat ja was aufzuholen …

Noch ein sinnfreies Beispiel? Ein Kollege verzichtet täglich auf sein Abendessen. Winter- und Weihnachtsspeck sollen runter. Damit er dabei nicht versehentlich verhungert, stopft er sich mittags in der Kantine die doppelte Portion zwischen die Backen. Warum er es trotzdem schafft, ein paar Pfunde abzunehmen, bleibt mir ein Rätsel. Doch spätestens im Mai, wenn die Schwimmbäder aufmachen, hängt die Speckwampe wieder über dem Badehosenbund. 

Die Fastenzeit macht mit uns so manchen Humbug. Gestandene Erwachsene erniedrigen sich mit Einläufen und Darmspülungen oder schlürfen widerliche Entschlackungstees. Dass noch kein Wissenschaftler dieser Welt nachvollziehbar bewiesen hat, dass sich in unseren Körpern überhaupt schädliche Stoffwechselabfallprodukte befinden, stört die Magen-Darm-Gurus und ihre Anhänger wenig. Dass Mediziner vor den gesundheitlichen Folgen übertriebenen Entschlackens und Fastens warnen, bleibt ebenfalls ungehört. Im Internet steht zum Fasten ja auch viel Gutes …

Zum Beispiel, dass uns der Verzicht high und glücklich machen kann. Klingt spannend! Wenn man diese lästige Ernährung endlich ruhen lässt, könnten auf die Drogendealer dieser Welt schwere Zeiten zukommen. 

Ich hab das mit dem Komplettverzicht die Tage schon mal für Euch ausprobiert. Zumindest auf Halluzinationen musste ich nicht lange warten. Ich sah duftende, geflügelte Schnitzelchen im Raum umherfliegen, Stimmen nuschelten irgendwas vom Sauerbraten. Überdosis! Der Gang zum Kühlschrank war die Rettung. 

Versteht mich nicht falsch: Ich möchte keinem das Fasten madigmachen. Wer sich in diesen Tagen durch was auch immer reiner, leichter und befreiter fühlt, bitteschön. Ich plädiere lediglich dafür, das eigene Vorhaben auch mal kritisch zu hinterfragen. Was genau machen wir da eigentlich? Und warum gerade jetzt? Wäre es nicht sinnvoller, uns auch mal an den restlichen 325 Tagen des Jahres zu fragen, ob das dritte Tortenstück oder das fünfte Bier wirklich sein muss? 

Die Maulbronner Mönche plagte in Kriegszeiten der Hunger. Für unseren Diätwahn fallen mir keine elementaren Beweggründe ein.

#heimat Ortenau Ausgabe 6 (1/2017)

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