Schellsch halt mol! (Einfach klingeln, gell)

Nicht nur um nach dem Weg zu fragen, gibt es jetzt im Hochschwarzwald die Aktion "Schellsch halt mol". Einfach klingeln und mit Einheimischen ins Gespräch kommen!

Text: Pascal Cames Fotos: Paul Wagner

Sobald du mit einem Handy ausgestattet bist, braucht du theoretisch keine Mitmenschen mehr. Das Handy weiß alles: Wann der Bus fährt, welches Gasthaus offen hat und wie man zum Hochfirst kommt. Aber das ist halt auch ä bissl langweilig. Außerdem weiß
Dr. Google auch nicht immer alles. Wer kennt das urigste Gasthaus und den schönsten Weg auf den Berg? Oder wer weiß, wer die besten Brägele brutzelt? Solche Geheimtipps kennen nur die Einheimischen. Das sind die, von denen man sagt, „do hogge die, die scho immer do hogge“, wie es in der Krunkelbachhütte zu lesen ist.

Aber wann hat man zum letzten Mal, einfach so, einen wildfremden Menschen angesprochen? Gell, das ist schon eine Weile her. Da kommt die Aktion „Schellsch halt mol“ genau recht. Für alle, die’s nicht blicken, schellen ist an der Tür klingeln. Im Hochschwarzwald machen aktuell 30 Leute bei der Aktion mit. Überall, wo das Zeichen zu sehen ist, darf man einfach so klingeln oder klopfen. Im Prinzip darf man das überall. Aber wer macht’s? Und wo gibt’s hier jetzt Brägele?

Saig, das auf einer Höhe von 987 Metern liegt, gilt als die schönste Sackgasse im Schwarzwald. Hier gibt es keine Durchfahrtstraße und darum ist es angenehm ruhig. Zu ruhig, wie es mir als Städter erscheint. Aber nein, mir fehlen weder die nervigen Autofahrer noch die Aggro-Biker. Aber so ganz ruhig ist es ja auch nicht. Kein Schwarzwald ohne Rindviecher! Ein paar Kühe muhen, einige wedeln mit dem Schwanz, andere … Na, ihr wisst schon. 50 Kühe stehen minutenlang neben- und hintereinander und bewegen sich nicht fort. Es gibt zu dieser Geschichte aber keinen Cowboy, sondern nur einen blonden Mann, der mir erklärt, dass die Kühe im Stall zugefüttert werden. „Wenn die d’r Ranze voll habe, dann wolle sie nicht mehr auf die Wiese.“ Klar, mit vollem Bauch bleibt man lieber im kuscheligen Stall und geht nicht auf die Weide, wo es schon so frisch ist, dass man den Atem sieht. Also ruft der Mann „auf!“ und wieder „auf!“ So langsam geht’s voran.

Nachdem der Treck vorbeigezogen ist, schaue ich mich um. Drei Häuser stehen hier, eines unter einem gigantischen Baum (Deutschlands höchste Esche), eines auf dem Buckel, das andere direkt vor mir. Die schönsten Sonnenstrahlen leuchten es aus. Ich entdecke mehrere geschichtete Holzbiegen, viele Blumen, drei Gießkannen, zwei Enten, einen Hund, der eine Katze jagt, drei weitere Katzen, Gummistiefel. In einem riesigen Milchbehälter wird Regenwasser gesammelt. Genau so kann man sich Landidylle vorstellen. Echt Schwarzwald. Da vorne das Zeichen für „Schellsch halt mol“ zu sehen ist, weiß ich, hier kann ich klingeln, klopfen oder halt schellen, ohne dass Schäferhund Hasso („hier wache ich“) knurrt.

Es vergeht keine Minute und die Tür wird mir geöffnet. Ach, das ist ja der gleiche Mann von vorhin. Mit einem herzlichen „Guten Tag“ begrüßen wir uns. Da ich unverkennbar als Wanderer durchgehe und nicht als Postler, weiß der Mann sofort, was los ist. Ich sage, dass ich mich hier gar nicht auskenne. „Da dachte ich mir, schellsch halt mol.“ Der Mann schaut mir zu, wie ich meinen Spruch aufsage, und dann fängt er an zu erzählen von dem Gipfel, der in der Nähe ist, dem Adventure Golf, was sehr beliebt ist, demKuhlehrpfad für die Kleinen, der aber auch den Erwachsenen Spaß macht, und von den drei Restaurants oder Gasthäusern in Saig und dass man in Lenzkirch gut einkaufen kann. Nicht so schnell, bitte ich.

Schwarzwald vom Feinsten

Der Hochfirst interessiert mich. „Da hoch, dann links Richtung Saig und beim weißen Haus rechts hoch“, erklärt mir Milchbauer Matthias Brugger. Ist das ausgeschildert? „Ja, natürlich“, sagt er. „Einfach dem Weg folgen.“ Das Matthias gerne erzählt, wird mir sofort klar. Hin und wieder trifft er Wanderer im Wald. „Was macht der Wald?“, wollen die Leute wissen. Dazu weiß er auch was zu erzählen. Das Adventure Golf würden auch viele Leute machen, sagt er. Und die drei Kneipen? Die eine hat einen Biergarten und kleine Sachen auf der Speisekarte, der Ochsen ist eine feine Adresse, die dritte hat leider nur abends auf. Woher weiß er das? Na, ganz einfach, weil er im Dorf lebt – und ganz froh ist, dass es Touristen gibt. Denn ohne die gäbe es vielleicht keine Orte mehr, wo man ein Bier zusammen trinken kann. „Das Wichtigste ist, in Austausch zu kommen!“, lautet sein Statement.

Dann erzählt er mir von den Enten Richard und Miles. Seine Tochter meint, dass sie Richard und Rüdiger heißen. Wie auch immer, die beiden watscheln immer im Duo. Nur wenn man sie fotografieren will, gehen sie auseinander. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mit denen so viel Spaß habe“, sagt Matthias. Ob nun die Katzen einen Namen haben, war nicht mehr zu erfahren, aber dass es oben auf dem Hochfirst ein Bier geben wird, das hat er mir erzählt.