Ruhig, Brauner: Entspannung hoch zu Ross

Als wäre der Schwarzwald nicht schon relaxed genug, bieten drei Frauen nahe Wolfach jetzt eine Extra-Portion Entspannung – beim Workshop Yoga & Pferde

Text: Patrick Czelinski · Fotos: Jigal Fichtner

Nein, wir stehen nicht vor dem Bremer Rathaus bei den berühmten Stadtmusikanten. Im Gegenteil – unser Weg hat uns in den tiefsten Schwarzwald geführt, ganz nach hinten ins Langenbachtal. Dorthin, wo man glaubt, da könne gar kein Haus mehr kommen. Und dann kommt es doch – in Form des Horberlehofs. Hier begrüßen uns an diesem frischen Sommermorgen – fast wie bei den Stadtmusikanten – ein Pony, ein Hund, eine Katze und ein Hahn. Zwar nicht aufeinanderstehend, dafür aber verteilt über das wundersame Anwesen. Dazu allerlei anderes Getier – wir sind ja schließlich auf einem echten Schwarzwaldhof. „Guten Morgen“, rufen uns drei junge Frauen zu, die bereits jetzt so entspannt aussehen, als bräuchten sie eigentlich nie Yoga zu machen. Aber genau deswegen sind wir heute hier, und diese Erfahrung wollen wir uns natürlich nicht nehmen lassen. Also los!

Auf der Wiese geht's los

Die drei jungen Frauen sind Selina Vogt, Desiree Fahrner und Katharina Kogelheide, die alle nur Kogi nennen. Zusammen bieten sie auf dem Hof bei Oberwolfach Seminare für Pferdeyoga an – und wir dürfen mitmachen. Eine Herausforderung für ziemlich ungeübte Yogamuffel. Aber wir geben dem Ganzen mal eine Chance … Spezielle Klamotten brauchen wir nicht. Ein bequemes, leichtes Outfit genügt. Und so beginnt die sportlich-meditative Seite des Tages für uns auf einer idyllisch gelegenen Wiese, neben der ein Indianer-Tipi steht. Warum, bleibt das Geheimnis von Desirees Eltern, die den Hof bewirtschaften. Von Winnetou ist hier oben jedenfalls weit und breit keine Spur. Wir sitzen trotzdem indianergleich auf Decken und im Schneidersitz – nur ohne Friedenspfeife.

Selina – die studierte Psychologin und bekennende Yogini – macht die ersten Übungen mit uns. Einatmen – ausatmen. Das ganze bitte schön bis in den Bauch und nicht – wie bei vielen gestressten Bürotieren – nur in die Brust. „Eine richtige Bauchatmung ist das A und O“, erklärt sie, während die ersten Strahlen der Morgensonne die Blätter der Eiche kitzeln, unter der wir meditieren. Irgendwie inspirierend, dieses Szenario … Und wenn sie schon mal da ist, die Sonne, dann muss sie auch standesgemäß begrüßt werden. Weiter geht’s deshalb mit dem Sonnengruß: Arme nach oben strecken, einatmen, ausatmen, Arme vor dem Brustkorb zusammenführen. Es folgen der Krieger und der Baum, bei dem man nur auf einem Bein steht, das andere ans Knie anwinkelt. Hier werden dann auch die Unterschiede deutlich. Während unsere drei Yoga-Expertinnen nicht mal ansatzweise Gleichgewichtsprobleme haben, kommen wir hier ganz schön ins Wanken – der Sturz ins Sioux-Zelt kann aber gerade noch verhindert werden. Und? Sind wir schon entspannt? Ja, irgendwie schon, ob das an der Meditation oder der atemberaubenden Landschaft liegt, muss noch geklärt werden.

So, jetzt wollen wir aber zu den Pferden, denn die sind ein nicht unwichtiger Teil des Workshops. Wir ziehen die Schuhe wieder an und spazieren übers Hofgelände. Dabei erzählen Desiree, Selina und Kogi, wie sie auf die Idee mit dem Pferdeyoga gekommen sind. „Wir kennen uns vom Reiterhof in Gengenbach“, sagt Desiree. Sie und Kogi bringen die Erfahrung mit Tieren mit, Selina deckt die Yoga- Seite ab. Gemeinsam bastelten sie schließlich an einer Seminarreihe, die es nun schon seit fünf Jahren gibt. Jede Session dauert fünf Stunden und beginnt immer mit einer Runde Yoga und Meditation. Anschließend folgen Achtsamkeitsübungen innerhalb der Pferde-Herde. „Hier geht es darum, zu streicheln, zu beobachten, zu riechen – und schließlich zu spüren, welches Pferd zu einem passt“, erzählt uns Kogi. Und genau das machen wir jetzt.

Berühren und schweigen

Desiree öffnet uns das Gitter zum Stall und schon stehen wir inmitten einer Gruppe freundlich dreinblickender Huftiere, die aber allesamt ziemlich unterschiedlich aussehen. Vom winzigen, zotteligen Adoptiv-Pony bis zum beeindruckend hochgewachsenen Brauereigaul ist hier wirklich alles dabei. „Jetzt geht es darum, dass Ihr die Pferde spürt und erkennt, bei welchem Ihr Euch geborgen fühlt“, erklärt Desiree. Und tatsächlich – der Wohlfühlfaktor variiert von Tier zu Tier. Während manch einer die Nähe zum Schwarzwälder Arbeitsross sucht, zieht es andere eher zu den Ponys. Aber – genau wie bei Klamotten – auch die Zwischengrößen kommen gut an. Wir streicheln und schweigen – so geht Achtsamkeit! „Pferde leben nur im Hier und Jetzt“, erklärt uns Psychologin Selina. „Sie in ihrem Miteinander zu beobachten, hat eine beruhigende Wirkung, weil auch wir auf diese Weise im Hier und Jetzt ankommen.“ Und genau darum geht es schließlich heute. Neben dem Workshop-Programm sorgt auch das idyllische Umfeld für eine spürbare Entspannungswirkung. Schwarzwald pur, mitten in der Natur. Im Ohr nur das Plätschern des Bachs, in der Nase der Duft des Morgentaus auf dem Gras, der nur hier und da vom würzigen Bouquet eines Pferdeapfels gestört wird …

Nach dem tierischen Kennenlernen führen die Yoginis unsere vierbeinigen Feunde auf den Reitplatz, wo wir erneut in inniger Begegnung verharren – und dazu noch verwöhnt werden. Denn Desiree setzt zum sogenannten T-Touch an. Dabei berührt sie sanft unsere Rücken und übt dabei ein wenig Druck aus. Fühlt sich wie eine Massage an. Der T-Touch, der eigentlich für Pferde entwickelt wurde, soll sich positiv auf die Gesundheit auswirken, Schmerzen lindern und das Wohlbefinden fördern. Frei nach dem Motto: Was fürs Tier gut ist, kann dem Menschen nicht schaden.

Dass das Tierwohl bei Selina, Desiree und Kogi aber genauso wichtig ist wie das Menschenwohl, wird uns beim Aufstieg auf die Pferde klar. Anstatt uns über Steigbügel schwingend auf den Rossrücken zu wuchten, nehmen wir die Treppe. Ja, wirklich!

Auf dem Reitplatz steht ein ausgesägter, vertikal aufgestellter Holzstamm, der als Aufstiegshilfe dient. „Das ist für die Pferde viel entspannter, als wenn der Reiter sich auf den Pferderücken plumpsen lässt“, erklärt uns Desiree, die ausgebildete Reitpädagogin ist. Jetzt endlich können wir ausprobieren, ob das Glück dieser Erde wirklich auf dem Rücken der Pferde liegt! Von Meditation, Yoga-Übungen und dem T-Touch in eine wohlige Entspannung versetzt, heißt es zunächst: die richtige Haltung einnehmen, dann geht es gemächlich über den Reitplatz. Die Aussicht von hier oben ist jedenfalls schon mal Spitze!

Das Pferd umarmen

„Die Tiere spüren, ob wir entspannt oder angespannt sind“, erklärt Sozialpädagogin Kogi, die die Leine führt, und die Vierbeiner schließlich zum Stehen bringt. Für uns gibt es nun die erste leichte Übung auf dem Pferd. Wir sollen uns nach vorne beugen, unseren Kopf auf den Nacken des Pferdes legen und mit den Armen sanft den mächtigen Hals des Tieres umklammern. Gesagt, getan! Wärme macht sich breit im Gesicht. Die drahtigen Mähnenhaare kitzeln an der Wange – und doch hat das Ganze etwas sehr Beruhigendes. Selbst Hengst Danio guckt bei der Übung so, als würde er gleich einschlafen. Es scheint, als können die Tiere die Entspannung des Reiters tatsächlich spüren …

Zum Abschluss bieten uns Selina und Desiree auf unseren Wunsch hin noch Action. Mit Hilfe der Baumstammleiter besteigen auch sie ihre Pferde, drehen eine Runde auf dem Reitplatz und zeigen uns dann etwas ganz Besonderes: Yoga-Übungen stehend auf dem Pferd! Und die haben es in sich. Denn alleine in den Stand zu kommen, ist schwer genug – anschließend das Gleichgewicht zu halten, sieht für uns Tagesbesucher schon wie ein kleines Wunder aus. Aber dann noch mit geschlossenen Augen einen Sonnengruß zu stehen – Respekt! Dass diese Übungen wirklich nur etwas für geübte Reiter und Yogini sind, merken wir schnell. Hengst Danio macht nur einen kurzen Schritt nach vorne, und Selina kommt ins Schwanken, kann sich aber festhalten. Vermutlich vermag aber selbst dieser kurze Adrenalinschub ihre Tiefenentspannung an diesem Vormittag nicht zu durchdringen. Wie auch, nach einem solchen Relax-Programm inmitten der einmaligen Schwarzwaldlandschaft.

Die Workshops

Die Seminare richten sich an Erwachsene mit keiner oder wenig Reiterfahrung. Der Workshop dauert mit Pausen rund 8 Stunden, meist von 10 bis 18 Uhr. Veranstaltungsorte sind entweder der Horberlehof (Langenbach 31, 77709 Wolfach) oder der Lehmbauernhof in Gutach. Die Plätze sind meist begrenzt. Geleitet werden die Seminare von Desiree Fahrner (Ergotherapeutin und Reitpädagogin), Selina Vogt (Psychologin und zertifizierte Yogalehrerin) und Katharina Kogelheide (Sozialpädagogin und Reittherapeutin). Infos zu Seminaren und Terminen auf www.horberlehof.de, unter www.selinavogt.de, per Mail an kontakt@selinavogt.de oder unter 0176 / 45 89 75 55.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 28 (5/2021)

#heimat, Ausgabe 28 (5/2021)

Menschenskinder, ist das schön bei uns! Wir sind in dieser Ausgabe dann mal weg. Campen in den herrlichsten Ecken des Schwarzwald. Und Kochen in der freien Natur – mit Chefkoch Vincent! Zudem geht’s ins Murgtal, zu den Craft-Cider-Machern nach Unterkirnach und zum Kettensägen-Weltmeister nach Hornberg.

Lecker Essen und Trinken haben wir natürlich auch wieder: Zum Beispiel die ersten Rezepte aus unserem neuen #heimat Backbuch Schwarzwald Reloaded 3. Oder köstliche Drinks mit Obstbränden aus dem Schöllmanns in Offenburg. Ihr wollt noch mehr? Haben wir!

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