Mit dem Fuchs am Fleischwolf

Wer in das Romantik Hotel und Restaurant Spielweg in Münstertal pilgert, liebt das feine Essen, will aber nicht immer (nur) zu Tisch. Der Senior-Chef bietet Kochkurse an. Wir haben für euch beim Pastetenkurs mitgemacht...

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Der Spruch „Fleisch ist mein Gemüse“ stammt nicht von Karl-Josef Fuchs (Jg. 1960), aber er könnte von ihm sein. Auch der zweite Kursleiter tickt so: „Natürlich können wir Pasteten mit Gemüse machen. Aber warum?“ Genau, warum Gemüse? Wenn Karl-Josef Fuchs ausnahmsweise nicht zur Jagd bläst, sondern zum (Pasteten-)Kochkurs, ist die Resonanz riesig. Die Leute fahren nicht nur von Freiburg oder Karlsruhe zum Spielweg in Münstertal, sondern auch von weit her. Logisch. Der Kochbuchautor, Jäger und Koch ist ja auch überregional bekannt.

Sein Pastetenkurs ist längst ein Klassiker. Warum? Vielleicht weil hier eine gescheite Pastete so selten ist wie ein Elch im Schwarzwald. „Das Verrückte ist, es hört am Rhein auf“, sagt Karl-Josef mit einer großen Portion Staunen. Dabei müsste er, der schon lange dabei ist, wissen wie der Hase läuft. Frankreich ist das Pastetenland, Deutschland nicht. Dass Pasteten sehr lecker sind, weiß jeder. Sonst wären wir doch gar nicht in dieser zugigen Scheune, die an einen Schiffsbauch erinnert.

Karl-Josef ist aber nicht ein verrückter Walfänger, sondern ein Romantiker vor dem Herren. Wenn er vom Kopfkissen der schönen Aurora erzählt, leuchten seine Augen. Auf Französisch hört es sich noch schöner an: L'Oreiller de la belle Aurore. Eine Terrine mit Wildfleischstücken in einer runden oder eckigen Form. Das Fleisch dafür wurde oder wird geschnitten, gewolft (aber nicht alles), gesalzen und gewürzt. Überwürzt muss es werden, sagt Karl-Josef. Wir dürfen die rohe, nach Knoblauch schmeckende Masse probieren. Sie verträgt noch Salz. Wir, das sind zehn Leutchen, fast alles Jäger (ich nicht, meine Beute sind Geschichten), mit wachen Augen und gespitzten Ohren für das, was der Koch und sein Schwiegersohn Johannes Schneider zeigen und erzählen. Das mit dem Überwürzen war uns neu. Aber wir glauben es aufs Wort. „Die erste Pastete wird zu fad“, prophezeit Karl-Josef. Mehr Salz!

Was ist eine Pastete, was ist eine Terrine? Das wird erklärt: Pasteten sind mit Teig – wenn die gleiche Masse in eine Form ohne Teig kommt, ist es eine Terrine. Im Grunde sind wir nach allen Seiten offen, es gibt ja auch Terrinen und Pasteten mit Fisch. Und noch eine Sache zum Teig. Wenn man den Salzteig mit Butter macht, ist er auch genießbar. Aber mit Schmalz nicht. Alkohol ist wichtig. „Ohne Wermut keine französische Pastete!“ Da wir nicht in Frankreich sind, geht’s auch mit anderem Sprit, der vielleicht im Keller gebunkert liegt. „Heb’s uff, wenn die Sternsinger kommen“, zitiert er lachend einen Spruch über Flaschen, die man nicht selbst trinken will.

Wie Schüler sitzen wir vor unserem Lehrer,  der über Pasteten, Fleisch sowie Gewürze referiert. Vor ihm Arbeitsfläche, Fleischwolf und Herd. Links ist eine gigantische Kitchen Aid. Weil wir so viele Leute sind, brauchen wir auch viel Fleisch, große Töpfe und gigantische Kellen  sowie sehr viele Öfen.

Strammes Programm! 

Hinter der Tafel stehen vier Tische in gleichen Abständen zueinander. Arbeitstische. Auf jedem liegt der Rohstoff für die Pâté en Croute, das besagte Kopfkissen, die Caillette (Buletten auf südfranzösische Art) und eine Mousse von geräucherten Forellen mit Gartengurkengelee. Ich stelle mich an den Tisch mit Poularde, Leber, Speck. Die Farben sind wunderbar! Wo kriegt man so ein schönes Orange, so ein tiefdunkles Rot und ein so zartes Rosa zu sehen? Aber ich will es gleich bereuen, denn nach einer kurzen Instruktion von Johannes, der uns ein paar Stücke vorschneidet, sind wir dran mit Schneiden. Karl-Josefs Wort vom „strammen Programm“ dröhnt mir in den Ohren wie eine biblische Prophezeiung. Strammes Programm! Wir schneiden Fleisch wie die Weltmeister, trennen die Silberhaut, kappen die Sehnen, schneiden, schneiden, schneiden, aber die Fleischberge bleiben hoch.

Schon gibt es die nächste Theorieeinheit. Klar, wir müssen zuhören. Die Mischungsverhältnisse von Fleischstücken und gewolftem Fleisch sind wichtig. „Sie wollen ja keinen Beton“, klärt uns Karl-Josef auf. Natürlich wollen wir eine geschmeidige Pastete. Ein weiches Kissen. Aber zu weich soll’s auch nicht sein. Natürlich nicht. Jetzt wird über das Schnittbild referiert. Das ist was? Das ist der Anschnitt. Wenn man nur kleine Stückchen hat, dann schaut’s aus wie gepresstes Hackfleisch. Also brauchen wir ansehnliche Fleischstücke, aber auch kleineres Material. So kommt dann eins zum anderen …

 

Während vorne weitererzählt und erklärt wird, schafft im Hintergrund der junge Johannes die Fleischberge weg. Zuerst wird meine Poularde klein geschnitten, dann die Leber, später der Speck. Unaufgeregt und effektiv wird’s gemacht. Da wir ohne Vorbereitung wahrscheinlich bis Montagmorgen am Schaffen wären, wurde schon einiges im Vorfeld gerichtet. Die Teige sind gemacht. Die Fischbrühe für die finale Fischterrine ist auch fertig. So müssen wir nur noch die Teige ausrollen und ausschneiden und (mal schön, mal weniger schön wie ich) die Fleischmasse wirken (von rund zu rechteckig) und in die Pastetenformen legen. Eigelb ist unser Kleister, damit Teig auf Teig kleben bleibt. Zudem ist Eigelb auch Farbe. Da, wo dick aufgetragen wird, da wird es dunkelbraun. Später werden wir unsere Pasteten bestaunen, wie sie gelb und goldgelb und bräunlich glänzen.

Fettig, salzig, lecker

Aber das Allerschönste sind dann die Verzierungen. Dafür haben wir unsere Ausstechformen mitgebracht. So gibt es welche mit Füchsen (von wem wohl?), solche mit Schweinen, mit Gänsen und mit Jagdhunden. Auch eine Tanne schaut hübsch aus. Als dann alle aufgetischt sind, muss jemand ein „wie Weihnachten“ aus den Backen blasen. Sofort kommt ein „besser“ hinterher gerufen.

Bevor es noch zum geselligen Teil geht, wird noch flüssiges Gelee durch den Kamin der Pâté en Croute gefüllt (damit sie besser zu schneiden ist) und die Rillette (ja, wurde auch noch gemacht) in Gläser abgefüllt. Der gigantische Topf mit dem fasrigen Schweinefleisch hat aber noch Inhalt, wird festgestellt. So bildet sich ein Rudel ausgehungerter Kochkursteilnehmer um den Topf, das Fleisch und Sud löffelt. „Fettig“, sage ich, und das ist so unnötig, wie in Alaska an einem Januartag „kalt“ zu sagen. Drei gigantische Schöpfer Gänseschmalz wurden hineingetan, damit es unten köchelt und oben eine Fettschicht das Verdampfen verhindert. Es schmeckt so lecker!

Wie nach einer Jagd wird zum Abschluss ein kräftiger Eintopf mit würziger Wurst und Spätzle aufgetischt. Das Tischgespräch führt Karl-Josef, der uns erzählt, wie es überhaupt zu den Kursen kam. Zuerst war da eine Anfrage. Um die Jahrtausendwende fragte ihn ein Verleger, ob er ein Wildkochbuch machen wolle. Karl-Josef winkte zunächst ab. Alle anderen Autoren waren deutschlandbekannte Sterneköche. Er nicht. Der Verleger ließ aber nicht locker. Bevor sich Karl-Josef schlagen ließ, machte er das Buch. Heute ist es ein Klassiker.

Dann kam eine Anfrage für Kochen am Messestand. „Ich bin doch nicht der Messe-Clown?“, erinnert er sich lachend. Statt Schaukochen wollte er lieber Kochkurse geben. Super Idee, hieß es. Die Leute waren begeistert. Dann fragte er einen Freund, Metzger von Beruf, ob er mitmachen wolle. Karl-Josef grillt Fleisch, der Freund wurstet Bratwurst. Jetzt war auf einmal die Bratwurst der Hit. Später machte Karl-Josef  die Bratwürste alleine. Eigentlich war er in Sachen Metzgerei ein verbranntes Kind, wie man so sagt, denn früher wurde im Spielweg alle drei Wochen neben der normalen Kocherei noch gemetzt. Leber- und Blutwürste kochen, Würste brühen, Blutsuppe rühren fanden unterhalb der Scheune statt. Da nun aber weder Karl-
Josef noch sein Schwiegersohn nebenbei für Gäste kochen müssen, laufen die Kurse entspannt ab. Und haben sich etabliert.

Am Anfang war die Bratwurst …

Schon mehr als 3000 Leute lernten bei Karl-Josef, wie Bratwürste gemacht werden oder eben Pasteten. Die Frau neben mir erzählt, dass sie gerne Leberwurst macht und darum wäre sie hier. Eine andere Frau, Jägerin, begründet
den Kurs mit der Liebe zum Wald. Ein älterer Herr holt weit aus und berichtet, wie er einmal im Spielweg einen Salamikurs machte. Da eine Salami erst noch reifen musste, hatte er dann sechs harte Wochen Wartezeit vor sich. Anders als jetzt.

Wir gehen heim mit Pasteten und Rillette und Mousse und dem Kopfkissen der schönen Aurora. Was dazu passt, gibt es auch zu Hause: ein Sauerteigbaguette und eine Flasche Wein.

Wursten wie ein Fuchs

Der Spielweg (Münstertal) bietet verschiedene Kurse an, z. B. Wurstkurs, Wildsalami, Wildes Grillen, aber auch Linzertorte. Mehr Infos findest du hier

#heimat Schwarzwald Ausgabe 47 (6/2024)

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