Brennerei Kesselkunst: Hauptsach’ s’ birnt

Daniel Kehret bewahrt alte Birnensorten vor dem Aussterben. Schöner Nebeneffekt: Dabei entstehen leckere Brände...

Text: Pascal Cames · Fotos: Michael Bode

Sollte jemand zwischen Kehl und Offenburg auf einer verwilderten Streuobstwiese einen jungen Mann beim Birnenaufsammeln sehen, dann ist es wahrscheinlich Daniel Kehret, 28. Der Birnenretter, der mal wieder unterwegs ist! Denn Daniel liebt und lebt die Birne. Beim Geschmack kommt er ins Schwärmen und spricht von weinig, blumig und würzig. Können Äpfel da mithalten?

Was weg isch, isch weg 

Seine Heimat, das Hanauerland, ist voller alter Birnbäume, die in Gruppen die Straßen säumen oder mal einfach so als Solitärbaum 15 Meter in den Himmel ragen. Die meisten stehen wie eine Eins in der Landschaft, wieder andere im Gebüsch versteckt, wo sie mit Latten gestützt immer noch Biere tragen, wie man hier im Dialekt zu den Birnen sagt. Dass es diese altehrwürdigen Knacker noch gibt, ist ein kleines Wunder. Flurbereinigung, Straßenbau oder pflegeleichtes Spalierobst als Alternative sind Grund genug, die Axt anzusetzen. „Was weg isch, isch weg“, weiß Daniel. Und das wäre sehr schade. Denn Birnen waren für das Hanauerland das, was für das Alte Land die Äpfel sind.

Daniel stammt aus Eckartsweier, seit 1885 liegt ein Brennrecht auf dem Elternhaus, das aber noch viel älter ist. Als Daniel noch ein Kind war, kamen Nachbarn und andere Dörfler mit ihren Äpfeln und Birnen zu Daniels Vater, damit der ihnen den Obstler brennt. Zwei Drittel Äpfel und ein Drittel Birnen, lautet die eiserne Rezeptur für den Hanauer Haustrunk. Viele dieser Baumbesitzer, heute sind sie 80 Jahre alt oder noch älter, erzählten, dass sie ihre Bäume schon seit ihrer Kindheit kennen. Und das wiederum bedeutet, dass die Apfel- und Birnbäume mehr als 100 Jahre alt sind! 

Schon mit 18 Jahren machte sich Daniel Gedanken über den Obstler. Welches Obst kommt da rein? Wie würde ein sortenreines Destillat schmecken? Wie lassen sich die Aromen noch besser herauskitzeln? Zum Beispiel mit der Hanauer Gewürzbirne, heute sogar im Hanauerland eine absolute Rarität. 

Also begann er, sich an sortenreinen Bränden auszuprobieren. Es ist mühsam, erklärt er, die Steigerung der Qualität geht nur in kleinen Schritten, denn wie bei den Äpfeln auch, trägt ein Birnbaum nicht jedes Jahr Früchte. Wenn also in einem Jahr das Brennen misslingt, heißt das nicht, dass er im nächsten Jahr den Fehler wiedergutmachen kann. Wenn der Baum keine Früchte trägt, ist nix zu machen. Und im übernächsten Jahr vielleicht auch nicht. Die Natur ist so eigenwillig und unberechenbar wie das Wetter.Dann vielleicht drei Jahre später. Aber hat sich Daniel bis dahin gemerkt, was er jetzt anders machen will? 

Ingenieur, Holz und Frucht

Zehn Jahre nach seinem ersten Obstbrand bekam er bei Badens Best Spirits, dem Wettbewerb der Badischen Brenner, für seine Gute Graue Ehrenpreis und Goldmedaille. Wäre die Gute Graue ein Film, dann wäre sie bei den Oscars in Hollywood als Bester Film und Beste Regie ausgezeichnet worden. 

Von Beruf ist Daniel zwar Ingenieur, aber als Brenner ist er ganz alte Schule und feuert mit Holz an und nicht mit Gas oder Öl. Statt mit digitaler Genauigkeit probiert er sich mit Gefühl und Erfahrung. Warum brennt ein Käpsele, wie er eines ist, wie Fred Feuerstein? „Es kommt auf den Rohstoff an.“ Mit moderner Technik ist also nix gewonnen, sondern nur mit der Frucht. Merke: Wer nix G’scheites reinmacht, kann auch nix G’scheites erwarten.

Mit eigener Baumschule 

Damit ihm der Rohstoff nicht ausgeht, hat er von seinen Raritäten Reißer genommen. und eine kleine Baumschule mit 300 Bäumchen Gute Graue angelegt. Die liegt versteckt irgendwo zwischen den Feldern. Zudem hat er noch 60 eigene Bäume. Eine Streuobstwiese mit weiteren 30 hochstämmigen Birnbäumen will er noch anlegen, so lautet der Plan. Es geht aber nicht nur ums Obst. Unter den Birnbäumen wachsen seltene Kräuter und Gräser und die sind wiederum ein Biotop für Wildbienen und anderes Getier.  

Für seine Nachbarn und Freunde bietet er zweimal pro Jahr einen Baumschneidekurs an. Kostenlos. Aber warum? Wenn man junge Bäume (30–40 Jahre alte) richtig schneidet, vergreisen sie nicht zu früh, tragen gute Früchte und können somit auch 100 Jahre alt werden. weiß er. Wenn ein Baum dieses stolze Alter erreicht hat, wird er oft auch noch älter. Die Früchte schmecken dann aber immer noch süß, weinig, würzig und blumig.

Wie schmeckt die gute Frucht?

Daniel Kehrets Brennerei Kesselkunst ist in der Hohnhurster Straße 4 in Willstätt. Weiter Informationen findet Ihr hier

#heimat Schwarzwald Ausgabe 46 (5/2024)

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