Metzgerparty im Schwarzwald

Fast unbemerkt schließen Metzgereien. Diesem stillen Sterben wollen zwei junge Wilde etwas entgegensetzen – und lassen nicht nur am Grill die Sau raus

Text: Karen Heckers · Fotos: Dimitri Dell

Sven Burger und Philipp Kaiser sind Überzeugungstäter. Gut – vor dem Hintergrund, dass sie Metzger sind, klingt das etwas seltsam. „Nö“, grinsen sie: „Wir sind halt überzeugt von dem, was wir tun.“ Die beiden gehören zu einer neuen Generation: Sie wollen dem Berufsstand zu mehr Anerkennung verhelfen und sehen sich nicht nur ihren Kunden, sondern auch den Tieren verpflichtet. „Kaum jemand weiß, wie viele Gedanken wir uns darüber machen, wie ein Tier aufwächst, wann und wo es geschlachtet wird, welches Fleisch das beste ist und was wir daraus machen können“, meint Sven. Und Philipp ergänzt: „Wir feilen an neuen Produkten und Vermarktungswegen, sind einerseits traditionell, andererseits modern, das ist schon eine Gratwanderung.“ Und: Jeden Tag aufs Neue Kunden zu begeistern, ist eine Herausforderung.

Zwei Schwarzwälder in Kanada

Die Metzgerei Kaiser in Rheinhausen bei Rust gibt es schon seit 90 Jahren, Philipp und sein Vater sind gerade bei der Staffelübergabe. Sven führt die Metzgerei Burger im Offenburger Ortsteil Windschläg zusammen mit seiner Mutter in der vierten Generation. Denn sein Vater starb, als er 14 Jahre alt war. Trotzdem wollte er am Beruf und dem Geschäft festhalten, machte seine Ausbildung in Oberkirch, um nach einigen Wanderjahren 2013 den Sprung über den ganz großen Teich zu wagen. Er ging nach Vancouver, zu Black Forest Meat & Sausages. Die Firma gehört ebenfalls einem Schwarzwälder: Jürgen Burckhardt aus Dornhan bei Rottweil. Und dort traf er Philipp.

„Das ist schon irre“, meint Sven. „Wir wohnen nur eine gute halbe Autostunde voneinander entfernt. Aber ohne den Aufenthalt in Kanada hätten wir uns nie kennengelernt.“ Seither sind die beiden ziemlich beste Freunde. Konkurrenzdenken ist ihnen fremd. Es geht vielmehr um Ergänzung, ums Netzwerken. Auch mit anderen Metzgern in der Region. Derzeit geht mal wieder ein Generationenwechsel vonstatten, allerdings nicht ohne Reibungsverluste. „Bei einigen Kollegen läuft die Übergabe stockend, weil manche der Älteren nicht loslassen oder sich mit neuen Produkten und Ideen schwertun. Bei uns war das aber nie der Fall“, erklärt Philipp.

Hallo Steak!

Eine davon ist Meat the Beef bzw. Meat the Pork – Fleischseminare der besonderen Art. Es geht ums Kennenlernen … Also ab auf die Wiese und dem Objekt der Begierde mal kurz hallo sagen, bevor es auf den Grill wandert? „Nicht ganz“, sagt Sven und lacht. „Ich nehme die Gäste schon mal mit zu unseren Landwirten, damit sie sehen, wie die Tiere dort leben. Für Philipp wäre das zu zeitintensiv. Außerdem schlachten wir nicht selbst und das Fleisch braucht ja auch noch seine Reifezeit.“ Deswegen hängen die Schweine- und Rinderhälften schon in der Produktion. Dort wird den – meist männlichen – Gästen gezeigt, wie entbeint und zerteilt wird.

„Die sind dann schon beeindruckt zu sehen, wie schwer die Arbeit ist, aber auch wie filigran es dabei teilweise zugeht und welche Cuts es gibt, die sie noch nicht kennen“, erzählt Philipp. Das habe schon was sehr Urtümliches, ein bisschen wie früher bei den Hausschlachtungen, schwärmen die beiden. Selbst Handanlegen ist für die Teilnehmer aber nicht drin: Die Verletzungsgefahr wäre einfach zu groß. Die Zeit hätten die Gäste auch gar nicht, denn die Menge an Wissen, die durch die Wurstküche schwirrt, ist immens. Reifungsmethoden, ph-Wert, Schnitttechniken …

Fünf Stunden Fleisch, Fleisch, Fleisch 

Dann geht’s nach draußen ans Grillen – und auch das ist nicht ohne: Darfs vorwärts oder rückwärts sein? Direkt oder indirekt? Welche Kerntemperatur ist die richtige? Und was passt als Begleitung? Fünf Stunden dauert so ein Seminar. „Das machen wir alles neben dem normalen Geschäft“, resümiert Philipp. Sven würde gerne öfter diese Kurse ausrichten. „Aber mehr als ein- bis zweimal im Jahr ist momentan nicht drin.“ Kein Wunder bei zwei Filialen, einem Verkaufswagen und 34 Angestellten. Beim Philosophieren am Grill komme man auch unweigerlich auf die Fleischverarbeitung zu sprechen. Für Billigfleisch, so sagen beide, zahle immer jemand die Zeche. Im Zweifelsfall das Tier …

 

Davon sollte jeder satt werden: Pro Person rechnet Metzger Philipp Kaiser bei seinen Grillseminaren mit rund einem Kilo Fleisch pro Person. Dazu gibt es Salate und passende Getränke. Die Seminare kosten 109 Euro pro Nase. Dafür gibt es neben dem Essen einen gut fünfstündigen Einblick in die Welt der Steakgewinnung. „Hier geht’s nicht in erster Linie darum, sich mal richtig den Bauch vollzuschlagen. Es geht ums Lernen und den Blick hinter die Kulissen eines Metzgerbetriebs.“ Auch Sven würde gerne öfter diese Events anbieten. „Aber mehr als ein- bis zweimal im Jahr ist nicht drin. Ich habe einfach irrsinnig viel zu tun.“

Unter metzgerei-kaiser.de oder metzgerei-burger.de gibt es aktuelle Infos zu Terminen und zu Anmeldemöglichkeiten.

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