Das Glück hat Hörner und Flecken – Biohof mit Käserei im Nordschwarzwald

Traumberuf Landwirt? Aber ja! Nadine und Carsten Göz haben einen Bauernhof mit eigener Käserei gegründet. Ein Besuch auf dem Leimenäckerhof in Unterreichenbach-Kapfenhardt im Nördlichen Schwarzwald ...

Text: Daniel Oliver Bachmann · Fotos: Jasmin Fehninger

Du brauchst einen großen Traum, der dich frühmorgens aus dem Bett treibt“, sagte einst der große Regisseur Billy Wilder. Diesen Traum hegten auch Nadine und Carsten Göz. Sie wollten einen eigenen Bauernhof. „Wir sind beide als Landwirte auf die Welt gekommen, haben aber von zu Hause keinen Hof mitgekriegt “, erzählt Carsten bei unserem Besuch auf dem Leimenäckerhof in Unterreichenbach-Kapfenhardt im Nördlichen Schwarzwald. Daher verbrachte Carsten in seinem Heimatort Engelsbrand die meiste Zeit seiner Kindheit und Jugend auf dem Milchviehbetrieb eines Nachbarn. Nadine, ein paar Dörfer weiter in Kapfenhardt daheim, war vom Pferdehof ihres Onkels nicht wegzubringen. Als die beiden sich fanden – Carsten war zu dieser Zeit als Landmaschinenmechaniker an der Uni Hohenheim tätig und Nadine als Arzthelferin in Pforzheim –, war beiden schnell klar: Ein eigener Hof muss her.

Doch woher nehmen und nicht stehlen? 2014 machte Carsten in Nagold die Ausbildung zur Fachkraft für Landwirtschaft und das Paar kündigte die Jobs, um in Unterlengenhardt zwei Jahre lang im Pachtbetrieb zu arbeiten. „Das war für uns die Probe aufs Exempel“, sagt Nadine. „Wie ist es, wenn man 365 Tage im Jahr auf dem Bauernhof arbeitet?“ Es fühlte sich so gut an, dass Carsten nach Emmendingen ans Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Baden-Württemberg ging. Dort, auf dem biologisch-dynamischen Hofgut Domäne Hochburg, legte er den Meister im Ökolandbau ab. Dabei ist zum Abschluss ein fachpraktischer Sommer vorgesehen. Die Mehrzahl der Teilnehmer verbrachte diesen auf dem heimischen Hof. Wieder biss sich die Katze in den Schwanz: Was tun, wenn keiner da ist?

Ab auf die Alp

„Wir sagten uns: Nutzen wir es als Chance“, erzählt Carsten. „Wir träumten von einem Hof, von Milchwirtschaft, vom biologischen Landbau, von einer eigenen Käserei. Also beschlossen wir, in die Schweiz zu gehen, um eine Alp zu bewirtschaften.“ Gesagt, getan – allerdings war es nicht irgendeine Alp. Zwischen Engelberg und Hasliberg gelegen, mit Eiger und Mönch in Blickweite, liegt sie auf über 2000 Metern Höhe. Dort versorgten Nadine und Carsten eine Herde Kühe und produzierten im Kupferkessel auf offenem Feuer Käse. Abends, nach getaner Arbeit, setzte sich Carsten vor die Hütte und ließ den Betruf erschallen. Das ist bei den Eidgenossen das traditionelle Gebet von Sennen und Hirten. Im Sprechgesang, mundartlich gefärbt, wird darum gebetet, alle Lebewesen auf der Alp vor Unheil zu bewahren. „Für unseren Alpmeister war das wichtig, und für uns wurde es wichtig“, erzählt Carsten. Nach dem Herbstabtrieb meinte der Alpmeister: „Solche wie euch hatte ich noch nie hier oben. Wenn ihr nicht was mit Landwirtschaft macht, wäre das Vergeudung.“

Vergeudungen sind weder in der Schweiz noch im schönen Württemberg nützlich. Zu Hause machten Nadine und Carsten Nägel mit Köpfen. Kapfenhardt brauchte einen Dorfladen – warum nicht einen Hofladen mit eigener Produktion eröffnen? Sie erwarben eine Wiese vor dem Dorf und fingen an zu planen. Ein jahrelanger Marathonlauf durch Behörden und Ämter sorgte zwar für Rückschläge, doch die beiden gaben nicht auf. Dann kam der Tag des Lottogewinns – im übertragenen Sinn: „Wir wollten eine Herde mit Simmentaler Fleckvieh. Das ist eine Rasse aus der Schweiz, die schon mit Grundfutter hochwertige Milch und gutes Fleisch produziert“, erinnert sich Carsten. „Horntragend sollten sie sein, und aus biologischer Landwirtschaft. Der Zuchtwart meinte, das sei ein Sechser in Lotto, so was gibt es nicht!“ Drei Wochen später klingelte das Telefon. Der Zuchtwart war dran. „Ich habe euren Sechser im Lotto“, sagte er. „Die Herde ist gar nicht weit weg, in Loßburg.“

Warum Kühe Hörner brauchen

„Ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich daran denke“, sagt Carsten. „Diese Biolandherde lebte 20 Jahre lang auf einer Weide und war wie für uns geschaffen. Alle Kühe waren individuell, alle hatten Hörner.“ Was ist daran so wichtig? In der konventionellen Rinderhaltung werden die Hörner nämlich oft entfernt oder weggezüchtet. „Das Horn gehört zum Verdauungsorgan“, meint Carsten. „Es gibt Verbindungsgänge aus den Nebenhöhlen ins Horn. Die Gase beim Wiederkauen können so entweichen. Deshalb haben Kühe ohne Hörner eine gewölbte Schädeldecke. In der Schweiz fand man heraus, dass sie sogar Schmerzen erleiden beim Wiederkäuen.“ Da fragen wir Stadtkinder gleich mal weiter: Was hat es mit dem Wiederkäuen auf sich? „Für uns Menschen ist es der Schlüssel zum Grünland“, erklärt Nadine. „Wir können mit einer grünen Wiese sonst nichts anfangen. Doch der Wiederkäuer macht aus Gras und Heu Milch und Fleisch.“

Nachdem alle bürokratischen Hindernisse beseitigt, der Hof gebaut und die Kühe in den Stall eingezogen waren, hatte sich der Traum von Nadine und Carsten in Realität verwandelt. Aus Dankbarkeit errichteten sie eine Kapelle. Handwerker und Freunde packten mit an, eine Glocke wurde gegossen. Jetzt ziert die Antonius-Kapelle den Hof. Wird ein Kälbchen geboren, läuten die Besitzer die Glocke, damit ganz Kapfenhardt Bescheid weiß. Inzwischen gehört das zum Alltag auf dem Leimenäckerhof. Der beginnt morgens um halb sechs und endet für Nadine und Carsten zwölf, dreizehn oder vierzehn Stunden später. Und das rund ums Jahr. Man braucht eben einen großen Traum, der einen frühmorgens aus dem Bett treibt.

Selbst mal hin?

Der Hofladen hat Do-Sa von 7.30–12.30 Uhr geöffnet, Do und Fr zusätzlich von 14–18 Uhr. Mehr Infos über den Hof online auffindbar.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 49 (2/2025)

172 Seiten – so dick haben wir noch nie aufgetragen! Außer vielleicht bei der Kirschtorte, die uns Konditorin Lisa Rudiger am Titisee gebacken hat. Klar, das Rezept verraten wir Euch. Außerdem gibt’s von uns zum Geburtstag Einblicke hinter die Kulissen unserer Magazin-Manufaktur, ein fettes Gewinnspiel mit zehn handverlesenen Preisen aus dem Schwarzwald und die vielleicht schönsten Trachtenfotos seit es den Bollenhut gibt …

Dabei soll es Euch nicht zu heiß werden. Zur Abkühlung laden wir zur Kanutour auf dem Schluchsee, 
zum Biken am Rhein und aufs Melonenfeld. Richtig: Mit Früchten aus dem Markgräflerland und Adler-Chef Daniel Fehrenbacher heben wir den Sommersnack auf Fine-Dining-Niveau.

Apropos saftig: Steht Ihr sommers am Grill und fragt Euch, wie das perfekte Steak gelingt? Damit ist Schluss, dank Grillgott Heiner vom Forum Culinaire. Zu perfekt gegarten Fleisch servieren wir feinste Gin-Tonic-Kräuterbutter und Kartoffeltaler mit Speck und Jalapeños. So kann das Gartenfest kommen!

In diesem Sinne: Auf viele weitere Jahre #heimat! Wir hoffen, Ihr seid dabei!

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Kochschule

Perfekte Steaks vom Grill – Tipps & Rezepte

Grillprofi Heiner Haseidl zeigt, wie Steak, Saucen & Beilagen garantiert gelingen – einfach und perfekt.
Menschen

Oldtimer mit E-Antrieb: Legend Motors macht Klassiker in Villingen-Schwenningen fit für die Zukunft.

Oldtimer und E-Antrieb? Passt wunderbar zusammen, beweist Clemens Hummel aus Villingen-Schwenningen. Wir schauen seinen Schätzen unter die Haube ...
Kochschule

So gelingen die perfekten Grünkernbratlinge

Einst ein Arme-Leute-Essen, heute aus der badischen Küche nicht mehr wegzudenken: Diesmal dreht sich in unserer Kochschule alles um Grünkern
Reportagen

Europapark - Ein Blick hinter die Kulissen

Der Europa-Park wird 50 Jahre alt – zu diesem Jubiläum haben wir uns hinter den Kulissen umgesehen und Orte besucht, die Besuchern verborgen bleiben..
... Schwarzwald Das Glück hat Hörner und Flecken – Biohof mit Käserei im Nordschwarzwald