Warum man im Palais Thermal in Geschichte badet

Die historischen Bäder im Palais Thermal in Bad Wildbad sind wieder geöffnet. Wir nehmen euch mit zu einer Art Game of Thrones in Badeschlappen ...

Text: Jana Zahner Fotos: Verena Locher

Wer denkt nicht beim Besichtigen eines Schlosses wie Neuschwanstein, Versailles oder Buckingham Palace: „In diesem Bett würde ich auch gerne einmal schlafen?“ Manche dieser ehrwürdigen Herrschersitze haben aber auch ganz ansehnliche Badezimmer zu bieten. Einmal selbst wie ein Blaublütiger in der heißen Wanne liegen – das geht, und zwar im Kurort Bad Wildbad im Landkreis Calw im Nördlichen Schwarzwald. Genauer: In der Therme Palais Thermal. „Eigentlich sind wir eine Art erlebbares Museum“, sagt Jürgen Schwarz bei einer Führung durch das historische Bad. Dem Geschäftsführer der Staatsbad Wildbad Bäder- und Kurbetriebs GmbH sieht man beim Betreten des Herzstücks des denkmalgeschützten Gebäudes, der Maurischen Halle, schon deutlich an, wie stolz er ist auf seinen geschichtsträchtigen Arbeitsplatz. Und nach monatelangen Sanierungsarbeiten dürfen sich jetzt auch die Badegäste in den Fürstenbädern wieder im Glanz vergangener Zeiten sonnen   ...

Missglücktes Attentat

In Bad Wildbad tauschten praktisch jahrhundertelang die Reichen und Mächtigen Zepter und Krone gegen Badeschlappen und Handtuch ein. Wie lange diese Tradition zurückreicht, belegt eine historische Episode, die ein bisschen klingt wie aus der Fernsehserie Game of Thrones.
Wir schreiben das Jahr 1367. Eberhard II., genannt „der Greiner“, Graf von Württemberg, sucht beim Baden in den Thermalquellen von Bad Wildbad Erholung von den Machtkämpfen und Intrigen im römisch-deutschen Kaiserreich. Und was kann man am wenigsten gebrauchen, wenn man gerade im 35 bis 41 Grad warmen Wasser relaxt? Genau, eine feindliche Reitertruppe ante portas, die einen abmurksen will. Gewissermaßen das mittelalterliche Äquivalent zum Paketboten, der während des Schaumbades unerwartet an der Haustür klingelt. Stress pur! Graf Eberhard jedenfalls gelingt die Flucht vor seinem Erzfeind Wolf von Eberstein, und da driftet die Überlieferung ins Fantastische ab. Angeblich, so schildert es der Dichter Ludwig Uhland, soll ein Hirte ihn vor dem drohenden Attentat gewarnt und hinauf in die sichere Burg Zavelstein geschleppt haben.

Wilhelm I., König von Württemberg, muss es aber dort, wo sich die Enz am Sommerberg vorbeischlängelt, besonders gut gefallen haben. Und nicht nur ihm – zu den prominenten Gästen im Bad Wildbad des 19. Jahrhunderts zählen die Pianistin Clara Schumann, der Komponist Gioacchino Rossini und zahlreiche Adlige aus Russland und Großbritannien – Letztere bekommen sogar ihre eigene Kirche im Ort. 1824 erlässt Wilhelm I. eine Kabinettsorder für den Ausbau des Badeortes im Nordschwarzwald: der Startschuss für das Graf-Eberhard-Bad, Vorläufer des heutigen Palais Thermal, entworfen von Wilhelms Hofbaumeister Nicolaus von Thouret.

Zurück in die Gegenwart. Wer heute die Maurische Halle betritt, muss erst einmal den Kopf in den Nacken legen und die Details bewundern: bunte Jugendstilfenster, orientalisches Dekor, prachtvolle Säulen, Fliesen wie beim Sultan. Jürgen Schwarz zeigt an die Decke: „Dort oben findet man sogar arabische Schriftzeichen, Sätze aus dem Koran.“ Wie zum Beispiel: „Lob sei Allah!“ Derart maurisiert wurde das Bad zwischen 1896 und 1901. „Als Vorbild diente die Alhambra im spanischen Granada“, erklärt Jürgen Schwarz weiter. Eine Nachahmung des wohl berühmtesten Palasts muslimischer Herrscher – ausgerechnet in Bad Wildbad, wo sich einst die High Society des christlichen Abendlandes vergnügte? Klingt komisch, aber passt zum Deutschen Kaiserreich der Jahrhundertwende. Kaiser Wilhelm II. umwarb Muslime als Verbündete gegen Frankreich und Großbritannien, und was man sich damals unter dem Orient vorstellte, war schwer in Mode. Sowieso stand die islamische Badekultur mit ihren strengen Hygienevorschriften schon seit den Kreuzfahrern in Europa für Luxus pur. Was liegt da also näher als ein Wildbader Hamam?

30 Jahre Baden in Geschichte

Wenn man heute die historischen Bäder des Palais Thermal betritt, sticht einem sofort die kleinteilige Struktur ins Auge. Kein großes Becken unter einer hohen Kuppel, in dem man beim romantischen Pärchenausflug von Sprudeldüse zu Sprudeldüse planscht, wie es in heutigen Badeparadiesen üblich ist. Man war halt damals ein bisschen prüder, machte beim Umkleiden und Baden gerne die farbenfroh gestalteten Türen hinter sich zu und genoss das Sitzbad alleine. Adel mischte sich sowieso nicht mit Pöbel. Das Baden nach Stand und Geschlechtern getrennt praktizierte man schon im Mittelalter. Wobei im Wildbad das frische Thermalwasser direkt vom Austritt der Quelle (es gab noch keine moderne Pumptechnik) der Oberschicht vorbehalten war. Für die Armen blieben der zweite oder dritte Aufguss.

Auch Pferde durften in eigens eingerichteten Bädern das heilende Nass genießen, man musste ja irgendwie die Karren wieder flott bekommen, die die Badegäste den Buckel rauf und runter in den entlegenen Schwarzwaldort gezogen hatten. Wie ein Vorläufer heutiger Autowaschanlagen …

1978 wurden die Bäder im Graf-Eberhard-Bad stillgelegt, in den frühen 90er-Jahren folgten für rund 30 Millionen DM die Restaurierung und der Umbau zum heutigen Palais Thermal. „Nächstes Jahr feiern wir 30-jähriges Jubiläum“, sagt Geschäftsführer Jürgen Schwarz. Fünf Thermalquellen liefern eine Million Liter pro Tag – genug Nachschub, damit die Gäste in den beiden Bad Wildbader Thermen Palais Thermal und Vital Therme im ständig frisch durchströmenden Wasser baden können. Bei aller Geschichtsbegeisterung: Moderne Pumpanlagen sind eine feine Sache ...

Ein paar Abteile im historischen Bad des Palais Thermal wurden in eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Bades verwandelt, die meisten der historischen Bädern sind heute aber immer noch nutzbar. Die Gäste können es sich wie früher ganz privat in den Fürstenbädern gut gehen lassen und beim Sitzen im flachen Wasser die Details des Jugendstildekors an Decken und Fenstern bewundern. Gemeinschaftliches Planschen ist im großen und im kleinen Frauenbad möglich (die heute jeder mit oder ohne Badekleidung benutzen darf). Dazu kommt ein weiteres kleines Herrenbad. „Einzig im großen Herrenbad wurde aus vielen kleinen Becken ein größeres gemacht, damit man auch ein paar Schwimmzüge machen kann“, sagt Jürgen Schwarz. Eine Anpassung an heutige Badegewohnheiten. Ruheräume findet man unter anderem ein Stockwerk höher, wo einst die prominenten Kurgäste nächtigten – natürlich in der Fürsten Suite.

Apropos höher: „Man steigt hier gewissermaßen vom historischen Bereich in die Moderne“, sagt Schwarz. Denn das Palais Thermal hat noch mehr zu bieten als ein Mitmach-Bademuseum. Seit den 90er-Jahren wurde die Saunalandschaft des Wellnesstempels immer weiter ausgebaut. Über drei Stockwerke verteilen sich sieben Schwitzparadiese von 50 bis 95 Grad, ein Dampfbad, Tauchbecken und eine Ice-Lounge zum Abkühlen. Ganz oben, über den Dächern von Bad Wildbad, thront ein Panoramadeck mit Außenpool und Finnischer Sauna mit regelmäßigen Aufgüssen. Und was trinkt man nach einem Gang mit Walddüften oder dem Schwitzen zur Klangschale? Das Wildbader Thermalwasser ist eher für die äußerliche Anwendung und für Beschwerden am Bewegungsapparat gedacht, innerlich kann man sich aber mit aus Thermalwasser gebrautem Bier behandeln, das es nur hier gibt ...

Im Bademantel auf dem Kurplatz

Stichwort Heilung: Wie so ziemlich jede Kurstadt in Deutschland ist auch Bad Wildbad durch Krisen gegangen –  das Ende der kassenärztlichen Kuren in den 90ern, Corona, Ukrainekrieg und Energiekrise. Das Neue Eberhardsbad, ein in den Hang gebauter Koloss im Herzen der Stadt, steht immer noch größtenteils leer, dafür besuchen heute wieder rund 170 000 Gäste pro Jahr das Palais Thermal und die Vital Therme. Jürgen Schwarz, der vor zweieinhalb Jahren zu Pandemiezeiten die Leitung der beiden Bäder in Landesbesitz übernommen hat, freut sich, dass Bad Wildbad neben seinen traditionsreichen Wellnessadressen mit Attraktionen wie dem Baumwipfelpfad, der Hängebrücke Wildline und dem Adventure Bikepark punktet.

Übrigens: Wer direkt gegenüber im Mokni's Palais Hotel übernachtet, kann ganz selbstverständlich in Bademantel und Schlappen über den Kurplatz mit seinem  Gefolge in die Therme einziehen. Schon irgendwie königlich ...

Auch mal Abtauchen?

Infos zum Badepalast und Events gibt es unter palais-thermal.de.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 47 (6/2024)

Wenn im Schwarzwald der Nebel über den Fichten aufsteigt und die Tage kälter und dunkler werden – dann heizen wir bei #heimat den Saunaofen an! In unserer neuen Ausgabe nehmen wir Euch mit zu den besten Wellness-Adressen im Schwarzwald und erzählen die bewegte Geschichte der historischen Bäder im Palais Thermal in Bad Wildbad – hier könnt Ihr baden wie einst Könige und Fürsten.

Dieses Jahr starten wir tiefenentspannt in die Weihnachtszeit. Kommt mit zu den schönsten Weihnachtsmärkten in der Region und ins Elsass – wo echte Rentiere durch die Vogesen streifen und Colmar sich in ein funkelndes Weihnachtsland verwandelt. 

Hungrig? Mit feinen Wildgerichten vom Grill, leckeren Pilzrezepten und Pasteten wird es mit der neuen #heimat ein Winter zum Genießen.

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Restaurants

Pures Vergnügen für den Restauranttester

Ein Gasthaus wie das Schwarzwaldhaus in Bernau mag typisch für den Schwarzwald sein, ist aber immer seltener zu finden. Darum: Glückwunsch nach Bernau...
Restaurants

Wir testen die Top-Adresse für Weinliebhaber

Der Rebstock in Waldulm gilt als sichere Bank für eine Heimatküche, die dank einer langen Tradition und der Erfahrungen des Chefs unaufgeregt und aufr...
Reportagen

Das Powerfood aus dem Elsass

Berawecka geben Kraft und machen dem Gaumen Spaß. Wir waren in Colmar bei Monsieur Schmitt, einem Meister seines Fachs.
Kochschule

So wird der Schmorklassiker richtig lecker!

Wer den perfekten Sauerbraten möchte, sollte sich Zeit lassen. Und das nicht nur fürs Marinieren, sondern auch fürs Schmoren. Dann wird er besonders z...
... Reportagen Auf Kurzurlaub in Bad Wildbad