Jacobi Freiburg – Sterneküche mit Herz und Überraschungen

Jacobi in Freiburg: Fine Dining, junge Küche und schon nach einem Jahr mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.

Text: Pascal Cames

Das Wunder von Freiburg

Was ist los in Freiburg? Jahrelang spielten sie kulinarisch flach, jetzt haben fünf Restaurants einen Michelin-Stern. Wir haben uns für Euch die Sache mal näher angeschaut..

Fine Dining in Freiburg? Bislang war die  Münsterstadt für Käsekuchen und Stadionwurst bekannt. Nur das Colombi leuchtete  kulinarisch überregional. Jetzt ist alles anders. Aktuell haben fünf Restaurants einen Stern. In den letzten Jahren kam eins zum anderen. Zuerst waren der Münchner Küchenheld Martin Fauster in der Wolfshöhle und die Eichhalde die Restaurants mit Wow-Effekt. Martin Fauster steht für das klassische Fine Dining, die Eichhalde für italienische Küche. Ihr größter Fan: der aus Offenburg stammende Drei-Sterne-Koch Christian Bau. Aber die Erfolgsgeschichte geht weiter. Das 2023 gegründete Jacobi bekam ein Jahr nach der Eröffnung einen Michelin-Stern. Jetzt gelang den Jungs von Hawara das gleiche Kunststück. Streber? Nein, es sind alles coole Jungs, die einfach nur ihr Ding mit Geschmack, Präzision und Liebe fürs Kleinklein machen.

Kunst auf dem Präsentierteller

Sterneküche kann nicht nur überraschen, sondern auch überraschend anders sein. Unser Besuch im Juli im Freiburger Jacobi war in Sachen Fine Dining in diesem Sinne sehr erhellend … 

Kartoffelsalat mit Mayo? Spinnsch! Gekühlter Rotwein? Kopfschuss! Der Sommelier setzt sich neben dich auf die Bank? Kennen wir uns? Willkommen im Freiburger Jacobi mit 28 Plätzen, aber sechs Leuten in Küche und Service. Wer hier speist, wird sie nach und nach alle kennenlernen, denn sie kommen an den Tisch, wo sie mit leuchtenden Augen davon berichten, was gleich serviert wird. Hier kommt die (Küchen-)
Kunst auf dem Präsentierteller!

Die Einrichtung ist gediegen, ja sogar gemütlich. Die Tischplatten sind in Deutschland geschliffenes Vogesengestein (ohne Tischdecken) und die Wände aus dunklem Holz. An der Decke wurden Spiegel angebracht. Da im Jacobi nicht Karten gespielt wird, stört’s keinen. Weder Gemälde noch Fotos lenken ab.

Das Lokal liegt in der Altstadt, nur ein paar Meter weg vom Münster, die harte Konkurrenz der gehobenen Küche Wolfshöhle und Löwengrube (noch ohne Stern) liegt vis-à-vis. Tausende Touristen ziehen am offenen Fenster vorbei und hinterlassen ihre Tonspuren. Ein Straßentenor singt. Wen juckt’s? Selbst wenn draußen ein Otto Waalkes sein Hollahidi trällern würde, wir bleiben hocken. Gerade haben wir in die kleine Quiche gebissen und sind baff. Dieser Hauch von Mürbeteig ist saulecker, die Füllung fluffig und gerade richtig gesalzen. Top! Wie heißt es so schön, der Köder muss dem Fisch schmecken – und wir hängen am Haken.

Auf unserer kulinarischen Reise sind acht Stopps programmiert plus zweimal ein „Ankommen“ mit der Quiche und ein Zwiebelring im Zwiebelsud mit Graupenrisotto sowie Quark samt Dill und Kerbel. Unter uns: Ganz schön viel los auf so wenig Raum.

Auf der Karte sind die Gerichte nur mit den Hauptzutaten genannt, also „Kartoffel, Senf, Dill“ wie beim ersten Gang, und das ist dann ein Kartoffelsalat mit einer Art Mayo. Obendrauf liegt noch ein Kartoffelgitter. Schmeckt super! Wie exakt diese nussigen Kartoffelwürfel geschnitten sind! Respekt. Dazu der geeiste Senf! Wäre diese kleine, eiskalte Einheit mit enormer Sprengkraft (Gaumen und Hirn machen bumm) nicht dazu angetan, die Sache mit dem Senf zu überdenken? Warum gibt es noch kein Senfeis für daheim?

Überraschungen sind Programm

Jetzt zu einem frühen Höhepunkt des Geschehens. Der Chef Christoph Kaiser kommt her, geht vor uns in die Hocke (!) und berichtet von den 48 Stunden Teigführung für das lauwarme Laugenbrioche. Passend dazu der Wein, der wegen der Farbe als „Tomatenwasser“ beschrieben wird. Der Sommelier entdeckt seine Winzer auf seinen Radtouren zwischen Kraichgau und Isteiner Klotz. Es geht also auch ohne Dr. Heger. Das fluffig-süße Brioche trifft auf eine salzig-aromatische Tomatenbutter und fast rohe Zwiebeln. Der Wein von Wörner aus Durbach: auch eine gute Wahl!

Weiter! Bei „Kohlrabi, Bärlauch, Gnocchi“ vergießen wir Tränen, weil nur vier Bärlauchgnocchi im Schaum eines in Milchsäure vergorenen Kohlrabi schwimmen. Zu wenig! Der blanchierte Kohlrabi als Tagliatelle geschnitten hat Biss und der Bärlauch bleibt moderat. Beim Silvaner aus dem Kraichgau sind wir zuerst kritisch, dann begeistert.

Beim Fischgang wird eine kleine, fünfmarkstückgroße Portion Zander (dry aged, dann gedämpft …) aufgetischt. Sehr mild. Das Lamm kommt zweimal. Einmal als „das kleine Lamm“ (zwei Sülzekugeln), wie uns Christoph à la Märchenonkel flötet, und dann als Stück von der Hüfte mit einem Tandoori-Schaum. Sachen gibt’s … Das Lamm stammt aus St. Peter, der leckere mit der Schale vergorene Spätburgunder von einem italienischen Winzer namens Roberto Raspini aus dem Kaiserstuhl. Weil der Wein gekühlt ist, merken wir die Granate (13,5 Vol.) nicht. Bei der Erfrischung handelt sich um Rhabarber-Chutney, Rhabarber-Granita (beides moderat sauer) und einen Rosé-Schaum. Was auch sehr fein schmeckt, sind das Sauerampferbaiser und die mit weißer Schokolade eingesprühte Kefirmousse.

Was bleibt noch in Erinnerung? Jeder Teller ist ein Fest fürs Auge, und in Sachen Küchentechnik gibt es nichts, was es nicht gibt, siehe die aufgesprühte weiße Schokolade. Christoph und Co. sind wie Freunde aus der Kindheit, die mittlerweile alle Gurus in Küche und Weinkeller geworden sind und gerne mal losplaudern, weil wir’s sind. Alte Freunde. Auch wenn das Jacobi vom Stil her das Hinterzimmer eine Schweizer Bank sein könnte, steif ist es hier nie. Am Nebentisch haben sie sogar das Messer abgeschleckt, und wir müssen zugeben: Sterneküche schmeckt einfach!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 50 (3/2025)

2025 ist #heimat 10 Jahre alt geworden – und jetzt folgt die 50. Ausgabe! 
Es gibt noch mehr Gründe, den Schwarzwald zu feiern: Wir leben in einem Wanderparadies, um das uns die Welt beneidet. Ausgetretene Pfade? Gibt’s nicht. Unser Autor Pascal hat im Nördlichen Schwarzwald ordentlich Strecke gemacht und den Ostweg für Euch erkundet. Ein Geheimtipp für Fernwanderer. Zu sportlich? Dann lasst Euch von Wander-Influencer Hegefire für Microabenteuer in der #heimat begeistern, die im Herbst einfach Lust auf Draußen machen.

Energie dafür liefern leckere Kartoffelgerichte, Brot und Kuchen aus dem Backhäuschen und Cocktails aus selbst gesammelten Zutaten. Ihr liebt es, die Rezepte aus unserem Magazin nachzukochen, bräuchtet aber ein paar Tipps für noch mehr Spaß in der Küche? Wir zeigen Euch, wo Ihr im Schwarzwald richtig tolle Kochkurse machen könnt.

Außerdem waren wir bei der Verleihung des Kuckuck-Awards dabei. Danke an alle, die für ihre Genusshelden abgestimmt haben! Wir freuen uns darauf, Gastgebern, Köchen und anderen Genusshandwerkern noch viele Ausgaben weiter eine Bühne zu bieten. Seid dabei!

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