Forever Jung durch Apfelsaft

Vater und Sohn Jung haben sich mit Cidre und Apfelsaft einen Namen gemacht. Das Geheimnis ihres Erfolgs: keine Chemie – und trüb ist besser als klar

Text: Pascal Cames · Fotos: Michael Bode

Die Gräser stehen kniehoch, dazwischen Inseln von Brennnesseln. Ein paar Falter flattern müde zwischen den Halmen, mehr lässt sich gerade nicht blicken. Vögel muss es hier auch geben, denn an fast jedem Baum hängt ein Vogelhaus. Unweit von Köndringen zieht sich eine lange Doppelreihe von hochstämmigen Apfelbäumen ins Land hinein. An einem Baum ragt ein großer toter Ast in die Luft, ein nachgepflanzter junger Apfelbaum ist abgestorben. „Die Hitze“, sagt Klaus Jung, 67, und erzählt, dass neben jedem halbtoten Baum, gleich ein neuer gepflanzt wird. Der alte Baum trägt vielleicht noch Früchte, wer weiß, wie lange noch, der junge wächst heran. Spätestens wenn der alte Baum ganz hinüber ist, werde er komplett von der Pflanz- und Tierwelt erobert, sagt Klaus’ Sohn David Leander Jung-Lüdemann.

Saft schmeckt immer

Klaus und David Leander, 35, sind nicht als die Helden der Streuobstwiese bekannt geworden, sondern mit ihren Fruchtsäften wie dem Bio Streuobst Bohnapfel und Mischgetränken wie Apfel-Ingwer, Apfel-Johannisbeere oder auch Birne-Minze. Das Obst dafür stammt von eigenen und fremden Streuobstwiesen. Die Geschichte beginnt um das Jahr 1990. Klaus war damals Büromaschinenmechaniker und hatte Spaß am Beruf. Aber die Branche rüstete um, wurde digital. Wer brauchte da einen, der den Schraubenschlüssel halten kann? 

Alte Sorten, trüber Saft

Also wurde das Hobby Beruf und er machte keinen Most, sondern spritzigen Cidre, wie er ih aus Frankreich kannte. Die Obstbäume dafür hatte er schon und jedes Jahr kamen neue hinzu. „Damals flogen mir die Flaschen um die Ohren“, erinnert er sich lachend, weil er die Kunst der Pasteurisierung noch nicht beherrschte. Der Cidre in den Flaschen gärte und gärte, bis sie – peng! – platzten. Dann hatte er den Bogen raus. Weil die Leute dachten, dass man Cidre nicht im Winter trinken kann, musste er nachlegen und begann mit naturtrüben Fruchtsäften. Anfangs dachte er, die Leute wollen klare Säfte und produzierte Apfelsäfte für die Gastronomie. Das machte er so lange, bis ein Gastronom die Säfte verglich und zu folgendem Ergebnis kam: Trüb schmeckt besser. Seitdem macht Jung nur noch naturtrübe Säfte.

Jedes Jahr wächst das Geschäft und es kommen neue Streuobstwiesen hinzu, die alle bei Teningen (Breisgau) liegen. Dazu pflanzen sie pro Jahr zwischen 50 und 100 Bäume. Sie haben Bohnapfel, Goldparmäne, Gravensteiner, Berlepsch. Graue Renette und andere. Dazu Raritäten wie die Ananas Renette, die auch nachgezüchtet wird. „Wir haben 50 Apfelsorten, aber in Deutschland gibt es immer noch 3000 Sorten“, sagt David Leander. Die Jungs schwören auf die alten Sorten. Aber sie machen viel Arbeit. Die Goldparmäne zum Beispiel reift innerhalb von ein paar Wochen. Vorteil: Mit diesem Baum vor der Haustür hat man immer frische  Äpfel fürs Müsli. Nachteil: Steht der Baum auf der Wiese, muss man alle paar Tage die reifen Äpfel auflesen. Mehraufwand! Zudem werden die  Äpfel nicht vom Baum geschüttelt, sondern immer von Hand aufgelesen. Das kostet Zeit, also Geld. Auch ihre Lieferanten bekommen bessere Preise, weil sie natürlich die Leute mit ihren Streuobstwiesen unterstützen wollen.

Regelmäßig kommen Leute, die sagen: „Wir sind alt, wir schaffen das nicht mehr, die Kinder wollen auch nicht.“ Schon haben sie wieder ein paar Bäume mehr … Während sie erzählen, rollt ein Landwirt mit seinem Traktor und zwei Anhängern auf den Hof.

Schaum wird Schnaps

Die Äpfel sind keine Supermarkt-Schönheiten. Jeder Apfel ist anders, sie haben Dellen, Flecken und Schorf. Diese Naturschönheiten rollen im Hof eine schiefe Ebene hinunter in ein Bächle, das sie säubert und zu einem Förderband trägt, das sie in die Halle transportiert. Dort werden die faulen Äpfel aussortiert, die guten gewaschen, dann vermaischt und ausgepresst. Später wird der Apfelsaft geschleudert, pasteurisiert und kalt-steril in großen Tanks eingelagert. Beim Maischen entsteht ein Schaum, dieser wird später – es ist ja Apfelschaum – verschnapst. Die Maische wiederum wird zu Viehfutter. Und was in den Tanks ist, wird zu Säften und Schorlen. Heißt: null Prozent Abfall! Bis auf das elektronische Herz, die Pasteurisierungsanlage, sind alle Maschinen mechanisch. Der Sohn wäre schon der bessere Mechaniker, lacht Klaus. Dieser ist mittlerweile der Chef, der Senior ist im Unruhestand. Klaus hat einen Hof, Schafe und eine Leidenschaft namens „Schnapserei“, um Aromen so rein wie m glich herauszuarbeiten. Aber natürlich hilft der Senior noch mit. Keine Spur von Langeweile oder Müdigkeit. Apfelsaft hält schließlich jung.

Jung Säfte

Unter dem Label „Jung Säfte“ laufen drei Firmen, der Vater hat eine Landwirtschaft mit 20 Hektar Streuobstwiesen, der Sohn sechs Hektar Streuobst, die aber noch in der Umstellung zum Bio-Betrieb sind. Die dritte Firma ist die Safterei Jung GbR in Köndringen. Jung ist regional aufgestellt, die meisten Kunden sind im Badischen, alle Streuobstwiesen in der Nähe von Köndringen. Fast alle Säfte sind in Bio-Qualität, es handelt sich nur um Direktsäfte ohne Zusätze. Zum weiteren Sortiment gehören Cidre und Edelbrände.

www.jung-saefte.net

#heimat Schwarzwald Ausgabe 22 (5/2020)

Der Schwarzwald ist ein Paradies für Mountainbiker. Für Anfänger und Profis hat es bei uns Strecken, bei denen einem nicht nur vor Anstrengung die Spucke wegbleibt! Und wenn Euch nach einer Tour dann der Hunger plagt: Dann hätten wir leckere Apfelgerichte für Euch. 

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

 

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Menschen

Die badische Toskana

Ob vom Acker oder aus dem Gewächshaus: Bei Piluweri geht was. Jede Woche werden 4000 Salate geerntet, dazu Gurken, Tomaten und Co. – in Bioqualität 
Reportagen

Wunderbare Wanderpause

So machen Pausen Spaß! Immer mehr Höfe im Schwarzwald bieten schöne Plätze für eine Rast. In Kappelrodeck hat sich das Backhiesel einen Namen gemacht
Kuro Mori, Freiburg i. Br.

Schwarzwald in Fernost

Asiatische Spezialitäten treffen auf badisches Können. Ein Restaurant mit besten Geschmäckern aus beiden Welten
Reportagen

Batavias Auferstehung

Piraten in Batavia ist für den Europa-Park keine Attraktion wie viele andere, sondern eine Bahn voller Emotionen. Jetzt ist die Anlage wieder geöffnet
... Menschen Forever Jung durch Apfelsaft