Alte Sorten, trüber Saft
Also wurde das Hobby Beruf und er machte keinen Most, sondern spritzigen Cidre, wie er ih aus Frankreich kannte. Die Obstbäume dafür hatte er schon und jedes Jahr kamen neue hinzu. „Damals flogen mir die Flaschen um die Ohren“, erinnert er sich lachend, weil er die Kunst der Pasteurisierung noch nicht beherrschte. Der Cidre in den Flaschen gärte und gärte, bis sie – peng! – platzten. Dann hatte er den Bogen raus. Weil die Leute dachten, dass man Cidre nicht im Winter trinken kann, musste er nachlegen und begann mit naturtrüben Fruchtsäften. Anfangs dachte er, die Leute wollen klare Säfte und produzierte Apfelsäfte für die Gastronomie. Das machte er so lange, bis ein Gastronom die Säfte verglich und zu folgendem Ergebnis kam: Trüb schmeckt besser. Seitdem macht Jung nur noch naturtrübe Säfte.
Jedes Jahr wächst das Geschäft und es kommen neue Streuobstwiesen hinzu, die alle bei Teningen (Breisgau) liegen. Dazu pflanzen sie pro Jahr zwischen 50 und 100 Bäume. Sie haben Bohnapfel, Goldparmäne, Gravensteiner, Berlepsch. Graue Renette und andere. Dazu Raritäten wie die Ananas Renette, die auch nachgezüchtet wird. „Wir haben 50 Apfelsorten, aber in Deutschland gibt es immer noch 3000 Sorten“, sagt David Leander. Die Jungs schwören auf die alten Sorten. Aber sie machen viel Arbeit. Die Goldparmäne zum Beispiel reift innerhalb von ein paar Wochen. Vorteil: Mit diesem Baum vor der Haustür hat man immer frische Äpfel fürs Müsli. Nachteil: Steht der Baum auf der Wiese, muss man alle paar Tage die reifen Äpfel auflesen. Mehraufwand! Zudem werden die Äpfel nicht vom Baum geschüttelt, sondern immer von Hand aufgelesen. Das kostet Zeit, also Geld. Auch ihre Lieferanten bekommen bessere Preise, weil sie natürlich die Leute mit ihren Streuobstwiesen unterstützen wollen.
Regelmäßig kommen Leute, die sagen: „Wir sind alt, wir schaffen das nicht mehr, die Kinder wollen auch nicht.“ Schon haben sie wieder ein paar Bäume mehr … Während sie erzählen, rollt ein Landwirt mit seinem Traktor und zwei Anhängern auf den Hof.
Schaum wird Schnaps
Die Äpfel sind keine Supermarkt-Schönheiten. Jeder Apfel ist anders, sie haben Dellen, Flecken und Schorf. Diese Naturschönheiten rollen im Hof eine schiefe Ebene hinunter in ein Bächle, das sie säubert und zu einem Förderband trägt, das sie in die Halle transportiert. Dort werden die faulen Äpfel aussortiert, die guten gewaschen, dann vermaischt und ausgepresst. Später wird der Apfelsaft geschleudert, pasteurisiert und kalt-steril in großen Tanks eingelagert. Beim Maischen entsteht ein Schaum, dieser wird später – es ist ja Apfelschaum – verschnapst. Die Maische wiederum wird zu Viehfutter. Und was in den Tanks ist, wird zu Säften und Schorlen. Heißt: null Prozent Abfall! Bis auf das elektronische Herz, die Pasteurisierungsanlage, sind alle Maschinen mechanisch. Der Sohn wäre schon der bessere Mechaniker, lacht Klaus. Dieser ist mittlerweile der Chef, der Senior ist im Unruhestand. Klaus hat einen Hof, Schafe und eine Leidenschaft namens „Schnapserei“, um Aromen so rein wie m glich herauszuarbeiten. Aber natürlich hilft der Senior noch mit. Keine Spur von Langeweile oder Müdigkeit. Apfelsaft hält schließlich jung.