Fifty Shades of Erdbeerrosa

Früher gab's auf der Speisekarte noch richtig Text, heute werden nur noch Zutaten aufgelistet, beschwert sich unsere Kolumnistin – und findet, dass das zu viel Raum für Interpretation lässt. Oder was hättet ihr euch unter Erdbeeren | roter Rhabarber | Rahmeis vorgestellt? Sicher nicht das, was jetzt folgt…

Ach, ja. Schön war’s. Damals, als auf den Speisekarten noch so richtig Text war: Sätze, gespickt mit Herkunftsbezeichnungen, Zubereitungsarten und Zutaten. Manche strotzten nur so vor Küchenlatein und Wechselpräpositionen. Ein bisschen wie beim Klappentext eines Buchs. Handlung und Personen waren umrissen. Und meistens hatte die Geschichte auch noch ein Happy End. Zumindest, wenn die Küche auf Zack war. Außerdem blieb bei der Lektüre auch noch genügend Zeit für einen Aperitif. Oder auch zwei …

Und heute? Reichen die bloßen Zutaten, separiert per Pipe – einem Schrägstrich, der sich unbedingt gerade halten will: Lachs | Yuzu | Pekan. Wenn’s nicht ganz so sehr nach Appell (Iss! Mich! Auf!) aussehen soll, tut’s auch ein Punkt. Dieser Minimalismus spart an Papier und Info, dafür lässt er viel Raum für Interpretationen. Es kann alles kommen: Großes Kino zum Dahinschmelzen, Texturen-Leistungsschau oder sterbenslangweiliger Firlefanz. Alles kann, nichts muss. Wie bei moderner Kunst. Die will nicht gefallen. Die ist, wie sie ist.

Ja: Kochen ist Kunst. Große Küche sowieso. Und die soll gefallen. Was bringt’s, wenn das Auge mitisst, aber dafür der Gaumen eine Runde schmollt? So wie vor ein paar Monaten: Eine liebe Freundin und ich (beide Fans guter Küche) entern einen Kulinariktempel. Der Wortanteil auf der Karte: überschaubar. Wichtig ist ja nur, dass auf dem Teller ist, was auf der Karte steht. In welcher Form? Sieht man dann …

Erdbeeren | roter Rhabarber | Rahmeis, verspricht das Dessert. „Erdbeeren mit Eis – super“, freut sich meine Freundin. Leider etwas zu früh. Der Teller (Marke: SUV-Radkappe) präsentiert eine Spielwiese: Gel, Emulsion, Roulade, Asche, Chips, Crunch, Macaron, Guimauve (ein auf edel getrimmtes Marshmallow), dazu Sorbet, Ragout, Soße, Mini-Gugelhupf und: genau eine Erdbeere. Und zwar die Bonsai-Variante, feinst in Scheibchen geschnitten und herzallerliebst aufgefächert. „Aha“, meint meine Freundin und starrt indigniert auf Fifty Shades of Erdbeerrosa.

Schön – immerhin hat sie jetzt ganz viel Handwerkskunst auf dem Teller! Erinnert zwar ein bisschen an Barbies Badezimmer, aber das muss ja nichts heißen. „Und“, will ich wissen, „wie schmeckt's?“ – „Ähäm“, mümmelt es aus ihr raus. (Ich übersetze kurz: „Kannste knicken.“) Von mir bekommt das Dessert das Prädikat „interessant“. Und einen neuen Namen: Lass |Dich |Überraschen!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 18 (1/2020)

SUPPENZEIT! Schließlich gibt’s im Winter nichts Schöneres! Zudem gehen wir rodeln und lassen auch ein paar ganz schnelle Hunde den Schlitten ziehen …

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In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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